Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

in dem ich Gott verehre; den ich lieben muß, weil ihn Gott
begabte, und ihm in Klarheit überließ, was uns Alle aufklä-
ren soll; und der mit reinem, regen, starken Willen bewußt-
voll ausführt, wozu er erschaffen! das ist kein Fichte, kein
Goethe, kein Lessing, kein Saint-Martin! Solche vergöttre
ich. Und beuge mich freudig in Stolz: sie sind ja mein
Geist! Sie haben Recht in Ihrem Brief; es kommt am Ende
nicht drauf an, wie sehr es zu gebrauchen ist, was die gei-
stigen Entdecker und Erobrer erbeuten. Mehr, wie sie das
thun; in welcher Übereinstimmung alles Besitzes von Wahr-
heit, und aller ihrer Seelen-, Geistes- und Herzenskräfte; und
ob sie nie ihren Zweck in den Wegen der Mittel hinstellen.
Das thun die großen Seelen nie; so wie wir noch Alle be-
schaffen sind, kann ein Geist auf seine eigne Hand hier nicht
schaffen und hausen. Wir müssen uns betragen, wie uns
Gott erschaffen hat; und alle unsre Fakultäten müssen wir
einträchtlich machen, und so bearbeiten! Und hiermit ist auch
ein anderer großer schöner Artikel Ihres Briefes beantwortet.
Wir sind das "Centrum:" ein uns gegebenes. Und nach
welchem Strahl aus diesem hin wir Gott konzepiren, so ist
es gleich; wenn es heimlich, still, und ursprünglich vollbracht
ist. Die stärksten Konzeptionen sind wohl die, wo die meisten
Strahlen dieser Art zusammentreffen. Von besser aber kann
hier die Rede nicht sein. Hier ist wieder nur das Bestreben
unsre intimste, wichtigste, befriedigendste, beglückendste Auf-
gabe, und unser Nöthigstes. Wenn wir uns nun erst Gott
nach allen unsern Kräften vorstellen, so ist es doch nur nach
kleinem Muster und Konzeption. Drum sind alle redliche

in dem ich Gott verehre; den ich lieben muß, weil ihn Gott
begabte, und ihm in Klarheit überließ, was uns Alle aufklä-
ren ſoll; und der mit reinem, regen, ſtarken Willen bewußt-
voll ausführt, wozu er erſchaffen! das iſt kein Fichte, kein
Goethe, kein Leſſing, kein Saint-Martin! Solche vergöttre
ich. Und beuge mich freudig in Stolz: ſie ſind ja mein
Geiſt! Sie haben Recht in Ihrem Brief; es kommt am Ende
nicht drauf an, wie ſehr es zu gebrauchen iſt, was die gei-
ſtigen Entdecker und Erobrer erbeuten. Mehr, wie ſie das
thun; in welcher Übereinſtimmung alles Beſitzes von Wahr-
heit, und aller ihrer Seelen-, Geiſtes- und Herzenskräfte; und
ob ſie nie ihren Zweck in den Wegen der Mittel hinſtellen.
Das thun die großen Seelen nie; ſo wie wir noch Alle be-
ſchaffen ſind, kann ein Geiſt auf ſeine eigne Hand hier nicht
ſchaffen und hauſen. Wir müſſen uns betragen, wie uns
Gott erſchaffen hat; und alle unſre Fakultäten müſſen wir
einträchtlich machen, und ſo bearbeiten! Und hiermit iſt auch
ein anderer großer ſchöner Artikel Ihres Briefes beantwortet.
Wir ſind das „Centrum:“ ein uns gegebenes. Und nach
welchem Strahl aus dieſem hin wir Gott konzepiren, ſo iſt
es gleich; wenn es heimlich, ſtill, und urſprünglich vollbracht
iſt. Die ſtärkſten Konzeptionen ſind wohl die, wo die meiſten
Strahlen dieſer Art zuſammentreffen. Von beſſer aber kann
hier die Rede nicht ſein. Hier iſt wieder nur das Beſtreben
unſre intimſte, wichtigſte, befriedigendſte, beglückendſte Auf-
gabe, und unſer Nöthigſtes. Wenn wir uns nun erſt Gott
nach allen unſern Kräften vorſtellen, ſo iſt es doch nur nach
kleinem Muſter und Konzeption. Drum ſind alle redliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0178" n="170"/>
in dem ich Gott verehre; den ich <hi rendition="#g">lieben</hi> muß, weil ihn Gott<lb/>
begabte, und ihm in Klarheit überließ, was uns Alle aufklä-<lb/>
ren &#x017F;oll; und der mit reinem, regen, &#x017F;tarken Willen bewußt-<lb/>
voll ausführt, wozu er er&#x017F;chaffen! das i&#x017F;t kein Fichte, kein<lb/>
Goethe, kein Le&#x017F;&#x017F;ing, kein Saint-Martin! Solche <hi rendition="#g">vergöttre</hi><lb/>
ich. Und beuge mich <hi rendition="#g">freudig</hi> in <hi rendition="#g">Stolz</hi>: &#x017F;ie &#x017F;ind ja mein<lb/><hi rendition="#g">Gei&#x017F;t</hi>! Sie haben Recht in Ihrem Brief; es kommt am Ende<lb/>
nicht drauf an, wie &#x017F;ehr es zu gebrauchen i&#x017F;t, was die gei-<lb/>
&#x017F;tigen Entdecker und Erobrer erbeuten. Mehr, wie &#x017F;ie das<lb/>
thun; in welcher Überein&#x017F;timmung alles Be&#x017F;itzes von Wahr-<lb/>
heit, und aller ihrer Seelen-, Gei&#x017F;tes- und Herzenskräfte; und<lb/>
ob &#x017F;ie nie ihren Zweck in den Wegen der Mittel hin&#x017F;tellen.<lb/>
Das thun die großen Seelen nie; &#x017F;o wie wir noch Alle be-<lb/>
&#x017F;chaffen &#x017F;ind, kann ein Gei&#x017F;t auf &#x017F;eine eigne Hand hier nicht<lb/>
&#x017F;chaffen und hau&#x017F;en. Wir mü&#x017F;&#x017F;en uns betragen, wie uns<lb/>
Gott er&#x017F;chaffen hat; und <hi rendition="#g">alle</hi> un&#x017F;re Fakultäten mü&#x017F;&#x017F;en wir<lb/>
einträchtlich machen, und &#x017F;o bearbeiten! Und hiermit i&#x017F;t auch<lb/>
ein anderer großer &#x017F;chöner Artikel Ihres Briefes beantwortet.<lb/><hi rendition="#g">Wir &#x017F;ind</hi> das &#x201E;Centrum:&#x201C; ein uns gegebenes. Und nach<lb/>
welchem Strahl aus die&#x017F;em hin wir Gott konzepiren, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
es gleich; wenn es heimlich, &#x017F;till, und ur&#x017F;prünglich vollbracht<lb/>
i&#x017F;t. Die &#x017F;tärk&#x017F;ten Konzeptionen &#x017F;ind wohl die, wo die mei&#x017F;ten<lb/>
Strahlen die&#x017F;er Art zu&#x017F;ammentreffen. Von <hi rendition="#g">be&#x017F;&#x017F;er</hi> aber kann<lb/>
hier die Rede nicht &#x017F;ein. Hier i&#x017F;t wieder nur das Be&#x017F;treben<lb/>
un&#x017F;re intim&#x017F;te, wichtig&#x017F;te, befriedigend&#x017F;te, beglückend&#x017F;te Auf-<lb/>
gabe, und un&#x017F;er Nöthig&#x017F;tes. Wenn wir uns nun er&#x017F;t Gott<lb/>
nach <hi rendition="#g">allen</hi> un&#x017F;ern Kräften vor&#x017F;tellen, &#x017F;o i&#x017F;t es doch nur nach<lb/>
kleinem Mu&#x017F;ter und Konzeption. Drum &#x017F;ind alle <hi rendition="#g">redliche</hi><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0178] in dem ich Gott verehre; den ich lieben muß, weil ihn Gott begabte, und ihm in Klarheit überließ, was uns Alle aufklä- ren ſoll; und der mit reinem, regen, ſtarken Willen bewußt- voll ausführt, wozu er erſchaffen! das iſt kein Fichte, kein Goethe, kein Leſſing, kein Saint-Martin! Solche vergöttre ich. Und beuge mich freudig in Stolz: ſie ſind ja mein Geiſt! Sie haben Recht in Ihrem Brief; es kommt am Ende nicht drauf an, wie ſehr es zu gebrauchen iſt, was die gei- ſtigen Entdecker und Erobrer erbeuten. Mehr, wie ſie das thun; in welcher Übereinſtimmung alles Beſitzes von Wahr- heit, und aller ihrer Seelen-, Geiſtes- und Herzenskräfte; und ob ſie nie ihren Zweck in den Wegen der Mittel hinſtellen. Das thun die großen Seelen nie; ſo wie wir noch Alle be- ſchaffen ſind, kann ein Geiſt auf ſeine eigne Hand hier nicht ſchaffen und hauſen. Wir müſſen uns betragen, wie uns Gott erſchaffen hat; und alle unſre Fakultäten müſſen wir einträchtlich machen, und ſo bearbeiten! Und hiermit iſt auch ein anderer großer ſchöner Artikel Ihres Briefes beantwortet. Wir ſind das „Centrum:“ ein uns gegebenes. Und nach welchem Strahl aus dieſem hin wir Gott konzepiren, ſo iſt es gleich; wenn es heimlich, ſtill, und urſprünglich vollbracht iſt. Die ſtärkſten Konzeptionen ſind wohl die, wo die meiſten Strahlen dieſer Art zuſammentreffen. Von beſſer aber kann hier die Rede nicht ſein. Hier iſt wieder nur das Beſtreben unſre intimſte, wichtigſte, befriedigendſte, beglückendſte Auf- gabe, und unſer Nöthigſtes. Wenn wir uns nun erſt Gott nach allen unſern Kräften vorſtellen, ſo iſt es doch nur nach kleinem Muſter und Konzeption. Drum ſind alle redliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/178
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/178>, abgerufen am 01.05.2024.