Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

losophie denkender Menschen, (wenn auch Viele sie nur vom
Herzen aus, ohne helle Gedanken befolgen, und in ihr leben
können), sich gegen die Bilder und Interessen dieses Lebens
wehrend, sie nur immer zum Genuß für den Andren; und zum
ethischen Gebrauch seiner selbst anwendend: deren Priester sind
Lehrer und Prediger, und auslegende Bekenner: und müssen
rein und einsam, wie ein abgesondertes klares Bild gegen
blauen Himmel gesehn werden! nicht in Lust und Leid, in
Lebensplage, Verwirrung, unter leidenschaftlichem Einfluß von
einem Weibe und Kindern, und nothwendigen Rücksichten auf
diese. Solcher Priester ist nicht auch Kämpfer, Gesetzgeber,
listbedürfender Führer kämpfenden, kindischen, unartigen, Gott
fürchtenden Volkes; er ist ein weiser Philosoph, dem alle
Möglichkeiten erschlossen sind, und der sie erschließt; ein Rei-
ner besonders, der im vollen Wissen durch reines Wollen
unschuldig bleibt. Solcher kann nur das eine Verhältniß des
Lehrers, Ermahners, und des Exempels erfüllen.

Nur wenn man in die christlichen Lehren, und in ein
christliches Dasein, die alten Lehren, die nur Religion waren,
an die Christus sich noch schloß, noch mischen will, entstehn
all die Widersprüche, mit denen wir noch kämpfen müssen:
und die die allverbreitetste Philosophie erst vertilgen wird; die,
welche durch und seit Christus in die Stelle unverstandener
Religion gestellt wurde.



"Un homme croit avoir tout fait quand il a epouse une
femme; et cela n'est que le commencement de l'oeuvre; il"

loſophie denkender Menſchen, (wenn auch Viele ſie nur vom
Herzen aus, ohne helle Gedanken befolgen, und in ihr leben
können), ſich gegen die Bilder und Intereſſen dieſes Lebens
wehrend, ſie nur immer zum Genuß für den Andren; und zum
ethiſchen Gebrauch ſeiner ſelbſt anwendend: deren Prieſter ſind
Lehrer und Prediger, und auslegende Bekenner: und müſſen
rein und einſam, wie ein abgeſondertes klares Bild gegen
blauen Himmel geſehn werden! nicht in Luſt und Leid, in
Lebensplage, Verwirrung, unter leidenſchaftlichem Einfluß von
einem Weibe und Kindern, und nothwendigen Rückſichten auf
dieſe. Solcher Prieſter iſt nicht auch Kämpfer, Geſetzgeber,
liſtbedürfender Führer kämpfenden, kindiſchen, unartigen, Gott
fürchtenden Volkes; er iſt ein weiſer Philoſoph, dem alle
Möglichkeiten erſchloſſen ſind, und der ſie erſchließt; ein Rei-
ner beſonders, der im vollen Wiſſen durch reines Wollen
unſchuldig bleibt. Solcher kann nur das eine Verhältniß des
Lehrers, Ermahners, und des Exempels erfüllen.

Nur wenn man in die chriſtlichen Lehren, und in ein
chriſtliches Daſein, die alten Lehren, die nur Religion waren,
an die Chriſtus ſich noch ſchloß, noch miſchen will, entſtehn
all die Widerſprüche, mit denen wir noch kämpfen müſſen:
und die die allverbreitetſte Philoſophie erſt vertilgen wird; die,
welche durch und ſeit Chriſtus in die Stelle unverſtandener
Religion geſtellt wurde.



„Un homme croit avoir tout fait quand il a épousé une
femme; et cela n’est que le commencement de l’oeuvre; il“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0190" n="182"/>
lo&#x017F;ophie denkender Men&#x017F;chen, (wenn auch Viele &#x017F;ie nur vom<lb/>
Herzen aus, ohne helle Gedanken befolgen, und in ihr leben<lb/>
können), &#x017F;ich gegen die Bilder und Intere&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;es Lebens<lb/>
wehrend, &#x017F;ie nur immer zum Genuß für den Andren; und zum<lb/>
ethi&#x017F;chen Gebrauch &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t anwendend: deren Prie&#x017F;ter &#x017F;ind<lb/>
Lehrer und Prediger, und auslegende Bekenner: und mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
rein und ein&#x017F;am, wie ein abge&#x017F;ondertes klares Bild gegen<lb/>
blauen Himmel ge&#x017F;ehn werden! nicht in Lu&#x017F;t und Leid, in<lb/>
Lebensplage, Verwirrung, unter leiden&#x017F;chaftlichem Einfluß von<lb/>
einem Weibe und Kindern, und nothwendigen Rück&#x017F;ichten auf<lb/>
die&#x017F;e. Solcher Prie&#x017F;ter i&#x017F;t nicht auch Kämpfer, Ge&#x017F;etzgeber,<lb/>
li&#x017F;tbedürfender Führer kämpfenden, kindi&#x017F;chen, unartigen, Gott<lb/><hi rendition="#g">fürchtenden</hi> Volkes; er i&#x017F;t ein wei&#x017F;er Philo&#x017F;oph, dem alle<lb/>
Möglichkeiten er&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, und der &#x017F;ie er&#x017F;chließt; ein Rei-<lb/>
ner be&#x017F;onders, der im <hi rendition="#g">vollen</hi> Wi&#x017F;&#x017F;en durch reines Wollen<lb/>
un&#x017F;chuldig bleibt. Solcher kann nur das eine Verhältniß des<lb/>
Lehrers, Ermahners, und des Exempels erfüllen.</p><lb/>
            <p>Nur wenn man in die chri&#x017F;tlichen Lehren, und in ein<lb/>
chri&#x017F;tliches Da&#x017F;ein, die alten Lehren, die nur Religion waren,<lb/>
an die Chri&#x017F;tus &#x017F;ich noch &#x017F;chloß, noch mi&#x017F;chen will, ent&#x017F;tehn<lb/>
all die Wider&#x017F;prüche, mit denen wir noch kämpfen mü&#x017F;&#x017F;en:<lb/>
und die die allverbreitet&#x017F;te Philo&#x017F;ophie er&#x017F;t vertilgen wird; die,<lb/>
welche durch und &#x017F;eit Chri&#x017F;tus in die Stelle unver&#x017F;tandener<lb/>
Religion ge&#x017F;tellt wurde.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <p> <hi rendition="#aq">&#x201E;Un homme croit avoir tout fait quand il a épousé une<lb/>
femme; et cela n&#x2019;est que le commencement de l&#x2019;oeuvre; il&#x201C;<lb/></hi> </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0190] loſophie denkender Menſchen, (wenn auch Viele ſie nur vom Herzen aus, ohne helle Gedanken befolgen, und in ihr leben können), ſich gegen die Bilder und Intereſſen dieſes Lebens wehrend, ſie nur immer zum Genuß für den Andren; und zum ethiſchen Gebrauch ſeiner ſelbſt anwendend: deren Prieſter ſind Lehrer und Prediger, und auslegende Bekenner: und müſſen rein und einſam, wie ein abgeſondertes klares Bild gegen blauen Himmel geſehn werden! nicht in Luſt und Leid, in Lebensplage, Verwirrung, unter leidenſchaftlichem Einfluß von einem Weibe und Kindern, und nothwendigen Rückſichten auf dieſe. Solcher Prieſter iſt nicht auch Kämpfer, Geſetzgeber, liſtbedürfender Führer kämpfenden, kindiſchen, unartigen, Gott fürchtenden Volkes; er iſt ein weiſer Philoſoph, dem alle Möglichkeiten erſchloſſen ſind, und der ſie erſchließt; ein Rei- ner beſonders, der im vollen Wiſſen durch reines Wollen unſchuldig bleibt. Solcher kann nur das eine Verhältniß des Lehrers, Ermahners, und des Exempels erfüllen. Nur wenn man in die chriſtlichen Lehren, und in ein chriſtliches Daſein, die alten Lehren, die nur Religion waren, an die Chriſtus ſich noch ſchloß, noch miſchen will, entſtehn all die Widerſprüche, mit denen wir noch kämpfen müſſen: und die die allverbreitetſte Philoſophie erſt vertilgen wird; die, welche durch und ſeit Chriſtus in die Stelle unverſtandener Religion geſtellt wurde. „Un homme croit avoir tout fait quand il a épousé une femme; et cela n’est que le commencement de l’oeuvre; il“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/190
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/190>, abgerufen am 27.04.2024.