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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Zettel erschrak: äußerst gut?!? Welchen pour le merite soll
ich aber Beschort geben?! -- nicht, daß er die großen Haupt-
koups wie ein Erster spielte, ein ganz Erster. Aber welche
Kunst, welche Gewalt in den unscheinendsten Momenten ganz
zu zeigen, welcher Mann der Minister, seine Zeit, seine Ver-
hältnisse, seine Denkungsart über alle Dinge ist! mir ein
Räthsel. Er war es. Wirklich! Nichts empört mich so, wie
ein Akteur, nichts bewundre, verehr' ich so, als einen guten.
Die ganze Aufführung ein Gelungenes. Devrient frappirte
mich unangenehm beim Auftreten; Holzstimme, Person, alles.
Aber wie benahm er mir das. Ich war ganz zufrieden. Aber
seit der Sitzung der zweiten badischen Kammer (1819.), wo
man (Winter) dem Adel alles in's Gesicht sagte; habe ich
solche Emotion, solches Herzpuffen, solches konvulsivisches
Schlucksen nicht erlebt. Und nur die zweimal im Leben. Schul-
ter an Schulter saß ich mit einem Offizier: das erhöhte alles.
Dies einmal mündlich, oder künftig: heute bin ich schon zu
blau. Das Publikum war ganz erschüttert: es war voll; und
das beste drin. Daß das Stück selbst aus unserm geprügelten
Herzen erwachsen ist, muß mich tief berühren: besticht mich aber
beim großen Gott nicht. Schlechter würd' ich's nur empfinden,
wäre es nicht vortrefflichst gemacht. Bravo donc! du plus
profond du coeur!
-- Varnhagen setzt zu allem hier Stehen-
den seinen Namen.

Euer Glück entzückt und tröstet mich über alles an-
dere!
Gott geleite Mama sanft! innigster Wunsch. In
acht Tagen reist Dr. Gans nach Paris über euch. Der bringt
große Briefschaften über alles mit: woran ich nach und nach

III. 13

Zettel erſchrak: äußerſt gut?!? Welchen pour le mérite ſoll
ich aber Beſchort geben?! — nicht, daß er die großen Haupt-
koups wie ein Erſter ſpielte, ein ganz Erſter. Aber welche
Kunſt, welche Gewalt in den unſcheinendſten Momenten ganz
zu zeigen, welcher Mann der Miniſter, ſeine Zeit, ſeine Ver-
hältniſſe, ſeine Denkungsart über alle Dinge iſt! mir ein
Räthſel. Er war es. Wirklich! Nichts empört mich ſo, wie
ein Akteur, nichts bewundre, verehr’ ich ſo, als einen guten.
Die ganze Aufführung ein Gelungenes. Devrient frappirte
mich unangenehm beim Auftreten; Holzſtimme, Perſon, alles.
Aber wie benahm er mir das. Ich war ganz zufrieden. Aber
ſeit der Sitzung der zweiten badiſchen Kammer (1819.), wo
man (Winter) dem Adel alles in’s Geſicht ſagte; habe ich
ſolche Emotion, ſolches Herzpuffen, ſolches konvulſiviſches
Schluckſen nicht erlebt. Und nur die zweimal im Leben. Schul-
ter an Schulter ſaß ich mit einem Offizier: das erhöhte alles.
Dies einmal mündlich, oder künftig: heute bin ich ſchon zu
blau. Das Publikum war ganz erſchüttert: es war voll; und
das beſte drin. Daß das Stück ſelbſt aus unſerm geprügelten
Herzen erwachſen iſt, muß mich tief berühren: beſticht mich aber
beim großen Gott nicht. Schlechter würd’ ich’s nur empfinden,
wäre es nicht vortrefflichſt gemacht. Bravo donc! du plus
profond du coeur!
— Varnhagen ſetzt zu allem hier Stehen-
den ſeinen Namen.

Euer Glück entzückt und tröſtet mich über alles an-
dere!
Gott geleite Mama ſanft! innigſter Wunſch. In
acht Tagen reiſt Dr. Gans nach Paris über euch. Der bringt
große Briefſchaften über alles mit: woran ich nach und nach

III. 13
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[193/0201] Zettel erſchrak: äußerſt gut?!? Welchen pour le mérite ſoll ich aber Beſchort geben?! — nicht, daß er die großen Haupt- koups wie ein Erſter ſpielte, ein ganz Erſter. Aber welche Kunſt, welche Gewalt in den unſcheinendſten Momenten ganz zu zeigen, welcher Mann der Miniſter, ſeine Zeit, ſeine Ver- hältniſſe, ſeine Denkungsart über alle Dinge iſt! mir ein Räthſel. Er war es. Wirklich! Nichts empört mich ſo, wie ein Akteur, nichts bewundre, verehr’ ich ſo, als einen guten. Die ganze Aufführung ein Gelungenes. Devrient frappirte mich unangenehm beim Auftreten; Holzſtimme, Perſon, alles. Aber wie benahm er mir das. Ich war ganz zufrieden. Aber ſeit der Sitzung der zweiten badiſchen Kammer (1819.), wo man (Winter) dem Adel alles in’s Geſicht ſagte; habe ich ſolche Emotion, ſolches Herzpuffen, ſolches konvulſiviſches Schluckſen nicht erlebt. Und nur die zweimal im Leben. Schul- ter an Schulter ſaß ich mit einem Offizier: das erhöhte alles. Dies einmal mündlich, oder künftig: heute bin ich ſchon zu blau. Das Publikum war ganz erſchüttert: es war voll; und das beſte drin. Daß das Stück ſelbſt aus unſerm geprügelten Herzen erwachſen iſt, muß mich tief berühren: beſticht mich aber beim großen Gott nicht. Schlechter würd’ ich’s nur empfinden, wäre es nicht vortrefflichſt gemacht. Bravo donc! du plus profond du coeur! — Varnhagen ſetzt zu allem hier Stehen- den ſeinen Namen. Euer Glück entzückt und tröſtet mich über alles an- dere! Gott geleite Mama ſanft! innigſter Wunſch. In acht Tagen reiſt Dr. Gans nach Paris über euch. Der bringt große Briefſchaften über alles mit: woran ich nach und nach III. 13

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/201>, abgerufen am 08.05.2024.