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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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von Fleiß und Gedanken herrührt, Nahrung für die. Also
Erholung, von der mein Körper, den ich dort erst wieder als
solchen kennen lernte, noch lebt. -- Ich freue mich, daß Sie
so vergnügt sind: genießen Sie ja die Luftsorten recht! Ich
weiß nichts Besseres. Lernen Sie recht schön Italiänisch spre-
chen! Daß Sie Menschen und Dinge gehörig sehn, das weiß
ich. Ich konnte bei all meinem Geiz Ihnen doch vom Mini-
ster von Reden keine dünneren Briefe schaffen: ich sagte es,
und schrieb's den andern Tag: vergeblich. Schleiermacher
war schon gewitzigter, also auch weichöhriger. Nicht wahr,
ich bin expeditiv? Ritsch ratsch; in zwei Tagen hatte ich meine
Briefe: eine Migraine dazwischen von einem in Rosenöl ge-
tränkten Brief von Frau von Zielinski; die mir definitiv ab-
schreiben mußte. Ein Fest war es für mich, sie wie in Abra-
hams Schooß Einmal ohne Wirthshaus, Lärm, Kosten, mit
Bequemlichkeit bei mir ruhen zu lassen. Alles stand drei
Wochen eingerichtet: heute wird es demolirt. Ich habe die
reiche Gabe vom Himmel zur Mitgift: daß ich Menschen
durchschaue; und da liebe ich vor Vielen, auch Viele. Die
Z. hat an mir ihren Mann gefunden. Ein versatiler, vege-
tation- und kombinationsreicher Kopf. Wahrhaft in Selbst-
untersuchung; noch zu viel Meinung von Andern. Sie ist
besser und eben so gut: das müßte sie wissen; und im sich
Gleichstellen, würde sie mit Eins fester, und fest stehn. Sie
ist eine intellektuelle Büßerin; ganz ohne Sünde: d. h. nur
mit unser Aller. -- Bettine verführt mich, so wie ich sie
sehe: ich sehe sie jetzt nicht. -- Viel Glück! und meinen be-
sten Segen! --



von Fleiß und Gedanken herrührt, Nahrung für die. Alſo
Erholung, von der mein Körper, den ich dort erſt wieder als
ſolchen kennen lernte, noch lebt. — Ich freue mich, daß Sie
ſo vergnügt ſind: genießen Sie ja die Luftſorten recht! Ich
weiß nichts Beſſeres. Lernen Sie recht ſchön Italiäniſch ſpre-
chen! Daß Sie Menſchen und Dinge gehörig ſehn, das weiß
ich. Ich konnte bei all meinem Geiz Ihnen doch vom Mini-
ſter von Reden keine dünneren Briefe ſchaffen: ich ſagte es,
und ſchrieb’s den andern Tag: vergeblich. Schleiermacher
war ſchon gewitzigter, alſo auch weichöhriger. Nicht wahr,
ich bin expeditiv? Ritſch ratſch; in zwei Tagen hatte ich meine
Briefe: eine Migraine dazwiſchen von einem in Roſenöl ge-
tränkten Brief von Frau von Zielinski; die mir definitiv ab-
ſchreiben mußte. Ein Feſt war es für mich, ſie wie in Abra-
hams Schooß Einmal ohne Wirthshaus, Lärm, Koſten, mit
Bequemlichkeit bei mir ruhen zu laſſen. Alles ſtand drei
Wochen eingerichtet: heute wird es demolirt. Ich habe die
reiche Gabe vom Himmel zur Mitgift: daß ich Menſchen
durchſchaue; und da liebe ich vor Vielen, auch Viele. Die
Z. hat an mir ihren Mann gefunden. Ein verſatiler, vege-
tation- und kombinationsreicher Kopf. Wahrhaft in Selbſt-
unterſuchung; noch zu viel Meinung von Andern. Sie iſt
beſſer und eben ſo gut: das müßte ſie wiſſen; und im ſich
Gleichſtellen, würde ſie mit Eins feſter, und feſt ſtehn. Sie
iſt eine intellektuelle Büßerin; ganz ohne Sünde: d. h. nur
mit unſer Aller. — Bettine verführt mich, ſo wie ich ſie
ſehe: ich ſehe ſie jetzt nicht. — Viel Glück! und meinen be-
ſten Segen! —



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[347/0355] von Fleiß und Gedanken herrührt, Nahrung für die. Alſo Erholung, von der mein Körper, den ich dort erſt wieder als ſolchen kennen lernte, noch lebt. — Ich freue mich, daß Sie ſo vergnügt ſind: genießen Sie ja die Luftſorten recht! Ich weiß nichts Beſſeres. Lernen Sie recht ſchön Italiäniſch ſpre- chen! Daß Sie Menſchen und Dinge gehörig ſehn, das weiß ich. Ich konnte bei all meinem Geiz Ihnen doch vom Mini- ſter von Reden keine dünneren Briefe ſchaffen: ich ſagte es, und ſchrieb’s den andern Tag: vergeblich. Schleiermacher war ſchon gewitzigter, alſo auch weichöhriger. Nicht wahr, ich bin expeditiv? Ritſch ratſch; in zwei Tagen hatte ich meine Briefe: eine Migraine dazwiſchen von einem in Roſenöl ge- tränkten Brief von Frau von Zielinski; die mir definitiv ab- ſchreiben mußte. Ein Feſt war es für mich, ſie wie in Abra- hams Schooß Einmal ohne Wirthshaus, Lärm, Koſten, mit Bequemlichkeit bei mir ruhen zu laſſen. Alles ſtand drei Wochen eingerichtet: heute wird es demolirt. Ich habe die reiche Gabe vom Himmel zur Mitgift: daß ich Menſchen durchſchaue; und da liebe ich vor Vielen, auch Viele. Die Z. hat an mir ihren Mann gefunden. Ein verſatiler, vege- tation- und kombinationsreicher Kopf. Wahrhaft in Selbſt- unterſuchung; noch zu viel Meinung von Andern. Sie iſt beſſer und eben ſo gut: das müßte ſie wiſſen; und im ſich Gleichſtellen, würde ſie mit Eins feſter, und feſt ſtehn. Sie iſt eine intellektuelle Büßerin; ganz ohne Sünde: d. h. nur mit unſer Aller. — Bettine verführt mich, ſo wie ich ſie ſehe: ich ſehe ſie jetzt nicht. — Viel Glück! und meinen be- ſten Segen! —

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/355>, abgerufen am 05.05.2024.