brochene Lage, in der Weise, dass an der unteren Seite der Speckhaut kleine Häufchen oder Knötchen haften. Daher hat Piorry, welcher zuerst diese Beobachtung machte, aber sie ganz falsch deutete, indem er sie auf eine Entzündung des Blutes selbst (Haemitis) bezog und darauf die Doctrin der Pyämie begründete, diese Form von Speckhaut als Crusta granulosa bezeichnet. Es ist dies nichts weiter, als eine massenhafte Anhäufung der farblosen Blutkörperchen.
Unter allen Verhältnissen gleicht diese Schicht dem Aus- sehen nach dem Eiter, und da nun, wie wir vorher gesehen haben, auch die einzelnen farblosen Blutkörperchen dem Ei- ter gleichen, so sehen Sie, dass man nicht bloss bei einem ge- sunden Menschen in die Lage kommen kann, ein farbloses Blutkörper-chen für ein Eiterkörperchen zu halten, sondern noch mehr bei pathologischen Zuständen, wo das Blut oder andere Theile voll von diesen Elementen sind. Sie begreifen, dass man auf die Frage kommen kann, wie sie hier und da ernsthaft aufgeworfen ist, ob die Eiterkörperchen nicht bloss einfach extravasirte farblose Blutkörperchen seien, oder umge- kehrt, ob die innerhalb der Gefässe gefundenen farblosen Blut- körperchen nicht von aussen her in sie aufgenommene Eiter- körperchen seien. Hier stossen wir zum ersten Male auf die praktische Anwendung der Gesichtspunkte, welche ich in Be- ziehung auf die Specificität und Heterologie der Elemente aufgestellt habe (S. 57). Ein Eiterkörperchen kann sich durch nichts, als durch die Art seiner Entstehung von einem farblosen Blutkör- perchen unterscheiden. Wenn Sie nicht wissen, woher es ge- kommen, so können Sie auch nicht sagen, was es ist; Sie können in die grössten Zweifel gerathen, ob Sie ein Gebilde der Art für ein Eiter- oder ein farbloses Blutkörperchen hal- ten sollen. In jedem Falle ist die Frage zu discutiren, wohin gehört das Ding? wo ist seine Heimath? Liegt diese ausser- halb des Blutes, so können Sie mit Sicherheit daraus schlies- sen, dass es Eiter sei; ist dies nicht der Fall, so handelt es sich um Elemente des Blutes.
Siebente Vorlesung.
brochene Lage, in der Weise, dass an der unteren Seite der Speckhaut kleine Häufchen oder Knötchen haften. Daher hat Piorry, welcher zuerst diese Beobachtung machte, aber sie ganz falsch deutete, indem er sie auf eine Entzündung des Blutes selbst (Haemitis) bezog und darauf die Doctrin der Pyämie begründete, diese Form von Speckhaut als Crusta granulosa bezeichnet. Es ist dies nichts weiter, als eine massenhafte Anhäufung der farblosen Blutkörperchen.
Unter allen Verhältnissen gleicht diese Schicht dem Aus- sehen nach dem Eiter, und da nun, wie wir vorher gesehen haben, auch die einzelnen farblosen Blutkörperchen dem Ei- ter gleichen, so sehen Sie, dass man nicht bloss bei einem ge- sunden Menschen in die Lage kommen kann, ein farbloses Blutkörper-chen für ein Eiterkörperchen zu halten, sondern noch mehr bei pathologischen Zuständen, wo das Blut oder andere Theile voll von diesen Elementen sind. Sie begreifen, dass man auf die Frage kommen kann, wie sie hier und da ernsthaft aufgeworfen ist, ob die Eiterkörperchen nicht bloss einfach extravasirte farblose Blutkörperchen seien, oder umge- kehrt, ob die innerhalb der Gefässe gefundenen farblosen Blut- körperchen nicht von aussen her in sie aufgenommene Eiter- körperchen seien. Hier stossen wir zum ersten Male auf die praktische Anwendung der Gesichtspunkte, welche ich in Be- ziehung auf die Specificität und Heterologie der Elemente aufgestellt habe (S. 57). Ein Eiterkörperchen kann sich durch nichts, als durch die Art seiner Entstehung von einem farblosen Blutkör- perchen unterscheiden. Wenn Sie nicht wissen, woher es ge- kommen, so können Sie auch nicht sagen, was es ist; Sie können in die grössten Zweifel gerathen, ob Sie ein Gebilde der Art für ein Eiter- oder ein farbloses Blutkörperchen hal- ten sollen. In jedem Falle ist die Frage zu discutiren, wohin gehört das Ding? wo ist seine Heimath? Liegt diese ausser- halb des Blutes, so können Sie mit Sicherheit daraus schlies- sen, dass es Eiter sei; ist dies nicht der Fall, so handelt es sich um Elemente des Blutes.
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Siebente Vorlesung.
brochene Lage, in der Weise, dass an der unteren Seite
der Speckhaut kleine Häufchen oder Knötchen haften. Daher
hat Piorry, welcher zuerst diese Beobachtung machte, aber
sie ganz falsch deutete, indem er sie auf eine Entzündung des
Blutes selbst (Haemitis) bezog und darauf die Doctrin der
Pyämie begründete, diese Form von Speckhaut als Crusta
granulosa bezeichnet. Es ist dies nichts weiter, als eine
massenhafte Anhäufung der farblosen Blutkörperchen.
Unter allen Verhältnissen gleicht diese Schicht dem Aus-
sehen nach dem Eiter, und da nun, wie wir vorher gesehen
haben, auch die einzelnen farblosen Blutkörperchen dem Ei-
ter gleichen, so sehen Sie, dass man nicht bloss bei einem ge-
sunden Menschen in die Lage kommen kann, ein farbloses
Blutkörper-chen für ein Eiterkörperchen zu halten, sondern
noch mehr bei pathologischen Zuständen, wo das Blut
oder andere Theile voll von diesen Elementen sind. Sie
begreifen, dass man auf die Frage kommen kann, wie sie hier und
da ernsthaft aufgeworfen ist, ob die Eiterkörperchen nicht bloss
einfach extravasirte farblose Blutkörperchen seien, oder umge-
kehrt, ob die innerhalb der Gefässe gefundenen farblosen Blut-
körperchen nicht von aussen her in sie aufgenommene Eiter-
körperchen seien. Hier stossen wir zum ersten Male auf die
praktische Anwendung der Gesichtspunkte, welche ich in Be-
ziehung auf die Specificität und Heterologie der Elemente aufgestellt
habe (S. 57). Ein Eiterkörperchen kann sich durch nichts, als
durch die Art seiner Entstehung von einem farblosen Blutkör-
perchen unterscheiden. Wenn Sie nicht wissen, woher es ge-
kommen, so können Sie auch nicht sagen, was es ist; Sie
können in die grössten Zweifel gerathen, ob Sie ein Gebilde
der Art für ein Eiter- oder ein farbloses Blutkörperchen hal-
ten sollen. In jedem Falle ist die Frage zu discutiren, wohin
gehört das Ding? wo ist seine Heimath? Liegt diese ausser-
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/162>, abgerufen am 15.09.2024.
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