schwülsten selbst beruhen mag. Indessen gibt es auch hier viele Thatsachen, welche für die Infection durch wirklich los- gelöste Zellen sehr wenig sprechen, z. B. den Umstand, dass gewisse Prozesse gegen den Lauf der Lymphströmung fort- schreiten, dass nach einem Brustkrebs eine Erkrankung der Leber stattfindet, während die Lunge frei bleibt. Hier scheint es ziemlich wahrscheinlich zu sein, dass Säfte aufgenommen werden, welche die weitere Verbreitung bedingen.
Erlauben Sie, dass ich noch zwei Worte über ein Thema hinzufüge, welches sich hier sofort erledigen lässt, nämlich über den sogenannten Parasitismus der Neubil- dungen.
Es versteht sich von selbst, dass der Gesichtspunkt des Parasitismus, den die Alten für einen grossen Theil der Neu- bildungen festhielten, vollkommen gerechtfertigt ist, und dass in der That jede Neubildung, welche dem Körper keine brauch- baren Gebilde zuführt, als ein parasitisches Element am Kör- per betrachtet werden muss. Erinnern Sie sich nur, dass der Begriff des Parasiten nur graduell etwas Anderes de- deutet, als der Begriff der Autonomie jedes Theiles des Kör- pers, dass jede einzelne Epithelial- und Muskelzelle im Ver- hältniss zu dem übrigen Körper eine Art von Parasitenexistenz führt, so gut wie jede einzelne Zelle eines Baumes im Ver- hältniss zu den andern eine besondere, ihr allein zugehörende Existenz hat und den übrigen Elementen gewisse Stoffe ent- zieht. Der Parasitismus, im engeren Sinne des Wortes, ent- wickelt sich aus diesem Begriffe von der Selbständigkeit der einzelnen Theile. So lange das Bedürfniss der übrigen Theile die Existenz eines Theiles voraussetzt, so lange dieser Theil in irgend einer Weise den anderen Theilen nützlich wird, so lange spricht man nicht von einem Parasiten; er wird es aber von dem Augenblicke an, wo er dem Körper fremd oder schädlich wird. Der Begriff des Parasiten ist aber nicht zu beschränken auf eine einzelne Reihe von Geschwülsten, sondern er gehört allen heteroplastischen Formen an, welche nicht in ihrer weiteren Umbildung homologe Producte erzeu- gen, sondern Neubildungen hervorbringen, welche in der Zu-
Neunzehnte Vorlesung.
schwülsten selbst beruhen mag. Indessen gibt es auch hier viele Thatsachen, welche für die Infection durch wirklich los- gelöste Zellen sehr wenig sprechen, z. B. den Umstand, dass gewisse Prozesse gegen den Lauf der Lymphströmung fort- schreiten, dass nach einem Brustkrebs eine Erkrankung der Leber stattfindet, während die Lunge frei bleibt. Hier scheint es ziemlich wahrscheinlich zu sein, dass Säfte aufgenommen werden, welche die weitere Verbreitung bedingen.
Erlauben Sie, dass ich noch zwei Worte über ein Thema hinzufüge, welches sich hier sofort erledigen lässt, nämlich über den sogenannten Parasitismus der Neubil- dungen.
Es versteht sich von selbst, dass der Gesichtspunkt des Parasitismus, den die Alten für einen grossen Theil der Neu- bildungen festhielten, vollkommen gerechtfertigt ist, und dass in der That jede Neubildung, welche dem Körper keine brauch- baren Gebilde zuführt, als ein parasitisches Element am Kör- per betrachtet werden muss. Erinnern Sie sich nur, dass der Begriff des Parasiten nur graduell etwas Anderes de- deutet, als der Begriff der Autonomie jedes Theiles des Kör- pers, dass jede einzelne Epithelial- und Muskelzelle im Ver- hältniss zu dem übrigen Körper eine Art von Parasitenexistenz führt, so gut wie jede einzelne Zelle eines Baumes im Ver- hältniss zu den andern eine besondere, ihr allein zugehörende Existenz hat und den übrigen Elementen gewisse Stoffe ent- zieht. Der Parasitismus, im engeren Sinne des Wortes, ent- wickelt sich aus diesem Begriffe von der Selbständigkeit der einzelnen Theile. So lange das Bedürfniss der übrigen Theile die Existenz eines Theiles voraussetzt, so lange dieser Theil in irgend einer Weise den anderen Theilen nützlich wird, so lange spricht man nicht von einem Parasiten; er wird es aber von dem Augenblicke an, wo er dem Körper fremd oder schädlich wird. Der Begriff des Parasiten ist aber nicht zu beschränken auf eine einzelne Reihe von Geschwülsten, sondern er gehört allen heteroplastischen Formen an, welche nicht in ihrer weiteren Umbildung homologe Producte erzeu- gen, sondern Neubildungen hervorbringen, welche in der Zu-
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[408/0430]
Neunzehnte Vorlesung.
schwülsten selbst beruhen mag. Indessen gibt es auch hier
viele Thatsachen, welche für die Infection durch wirklich los-
gelöste Zellen sehr wenig sprechen, z. B. den Umstand, dass
gewisse Prozesse gegen den Lauf der Lymphströmung fort-
schreiten, dass nach einem Brustkrebs eine Erkrankung der
Leber stattfindet, während die Lunge frei bleibt. Hier scheint
es ziemlich wahrscheinlich zu sein, dass Säfte aufgenommen
werden, welche die weitere Verbreitung bedingen.
Erlauben Sie, dass ich noch zwei Worte über ein
Thema hinzufüge, welches sich hier sofort erledigen lässt,
nämlich über den sogenannten Parasitismus der Neubil-
dungen.
Es versteht sich von selbst, dass der Gesichtspunkt des
Parasitismus, den die Alten für einen grossen Theil der Neu-
bildungen festhielten, vollkommen gerechtfertigt ist, und dass
in der That jede Neubildung, welche dem Körper keine brauch-
baren Gebilde zuführt, als ein parasitisches Element am Kör-
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der Begriff des Parasiten nur graduell etwas Anderes de-
deutet, als der Begriff der Autonomie jedes Theiles des Kör-
pers, dass jede einzelne Epithelial- und Muskelzelle im Ver-
hältniss zu dem übrigen Körper eine Art von Parasitenexistenz
führt, so gut wie jede einzelne Zelle eines Baumes im Ver-
hältniss zu den andern eine besondere, ihr allein zugehörende
Existenz hat und den übrigen Elementen gewisse Stoffe ent-
zieht. Der Parasitismus, im engeren Sinne des Wortes, ent-
wickelt sich aus diesem Begriffe von der Selbständigkeit
der einzelnen Theile. So lange das Bedürfniss der übrigen
Theile die Existenz eines Theiles voraussetzt, so lange dieser
Theil in irgend einer Weise den anderen Theilen nützlich
wird, so lange spricht man nicht von einem Parasiten; er
wird es aber von dem Augenblicke an, wo er dem Körper
fremd oder schädlich wird. Der Begriff des Parasiten ist aber
nicht zu beschränken auf eine einzelne Reihe von Geschwülsten,
sondern er gehört allen heteroplastischen Formen an, welche
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/430>, abgerufen am 06.10.2024.
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