Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Linse. Pigment. Drüsenzellen.
brana capsulo-pupillaris, später atrophirt diese und lässt die
abgeschlossene Linse im Innern des Auges liegen. Die Lin-
senfasern sind also weiter nichts, wie schon C. Vogt zeigte,
als epidermoidale Elemente mit eigenthümlicher Entwicklung,
und die Regeneration derselben z B. nach Extraction der
Cataract ist nur so lange möglich, als noch Epithel an der
Capsel vorhanden ist, welches den Neubau übernimmt und
gleichsam ein dünnes Lager von Rete Malpighii darstellt.
Dies reproducirt in derselben Weise die Linse, wie das ge-
wöhnliche Rete Malpighii der Oberfläche die Epidermis. --
Unter den sonstigen Veränderungen epithelialer Gebilde wer-
den wir noch gelegentlich auf die eigenthümlichen Pigment-
Zellen zurückkommen, die an den verschiedensten Punkten
aus der directen Umwandlung von Epidermis-Elementen her-
vorgehen, indem sich der Inhalt entweder durch Imbibition
färbt oder in sich durch eine (metabolische) Umsetzung des
Inhalts Pigment erzeugt. --

An die Geschichte der eigentlichen Epithelial-Elemente
schliesst sich unmittelbar an eine besondere Art von Bildun-
gen, die bei dem Zustandekommen der Functionen des Thiers
eine sehr bedeutende Rolle spielen, nämlich die Drüsen.
Die eigentlich aktiven Elemente der Drüsen sind wesent-
liche epitheliale. Es ist eins der grössesten Verdienste von
Remak, gezeigt zu haben, dass in der normalen Entwicklung
des Embryo von den bekannten drei Keimblättern das äussere
und innere wesentlich epitheliale Gebilde hervorbringen, von
denen durch allmählige Wucherung die Drüsen-Gestaltung aus-
geht. Schon andere Forscher hatten ähnliche Beobachtungen
gemacht, z. B. Kölliker, aber die allgemeine Doctrin wurde
erst von Remak begründet, dass, wo sich Drüsen bilden, dies
als ein directer Wucherungsprozess der Epithelial-Gebilde zu
betrachten ist. Früher dachte man sich Cytoblastem-Haufen,
in denen unabhängig Drüsenmasse entstände; allein mit Aus-
nahme der Lymph- und Sexualdrüsen entstehen sämmtliche
Drüsen in der Weise, dass an einem gewissen Punkt in ähn-
licher Art, wie ich es Ihnen in der vorigen Vorlesung für den
Auswuchs der Pflanzen gezeigt habe, eine epitheliale Zelle an-
fängt sich zu theilen, sich wieder und wieder theilt, bis all-

3*

Linse. Pigment. Drüsenzellen.
brana capsulo-pupillaris, später atrophirt diese und lässt die
abgeschlossene Linse im Innern des Auges liegen. Die Lin-
senfasern sind also weiter nichts, wie schon C. Vogt zeigte,
als epidermoidale Elemente mit eigenthümlicher Entwicklung,
und die Regeneration derselben z B. nach Extraction der
Cataract ist nur so lange möglich, als noch Epithel an der
Capsel vorhanden ist, welches den Neubau übernimmt und
gleichsam ein dünnes Lager von Rete Malpighii darstellt.
Dies reproducirt in derselben Weise die Linse, wie das ge-
wöhnliche Rete Malpighii der Oberfläche die Epidermis. —
Unter den sonstigen Veränderungen epithelialer Gebilde wer-
den wir noch gelegentlich auf die eigenthümlichen Pigment-
Zellen zurückkommen, die an den verschiedensten Punkten
aus der directen Umwandlung von Epidermis-Elementen her-
vorgehen, indem sich der Inhalt entweder durch Imbibition
färbt oder in sich durch eine (metabolische) Umsetzung des
Inhalts Pigment erzeugt. —

An die Geschichte der eigentlichen Epithelial-Elemente
schliesst sich unmittelbar an eine besondere Art von Bildun-
gen, die bei dem Zustandekommen der Functionen des Thiers
eine sehr bedeutende Rolle spielen, nämlich die Drüsen.
Die eigentlich aktiven Elemente der Drüsen sind wesent-
liche epitheliale. Es ist eins der grössesten Verdienste von
Remak, gezeigt zu haben, dass in der normalen Entwicklung
des Embryo von den bekannten drei Keimblättern das äussere
und innere wesentlich epitheliale Gebilde hervorbringen, von
denen durch allmählige Wucherung die Drüsen-Gestaltung aus-
geht. Schon andere Forscher hatten ähnliche Beobachtungen
gemacht, z. B. Kölliker, aber die allgemeine Doctrin wurde
erst von Remak begründet, dass, wo sich Drüsen bilden, dies
als ein directer Wucherungsprozess der Epithelial-Gebilde zu
betrachten ist. Früher dachte man sich Cytoblastem-Haufen,
in denen unabhängig Drüsenmasse entstände; allein mit Aus-
nahme der Lymph- und Sexualdrüsen entstehen sämmtliche
Drüsen in der Weise, dass an einem gewissen Punkt in ähn-
licher Art, wie ich es Ihnen in der vorigen Vorlesung für den
Auswuchs der Pflanzen gezeigt habe, eine epitheliale Zelle an-
fängt sich zu theilen, sich wieder und wieder theilt, bis all-

3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="35"/><fw place="top" type="header">Linse. Pigment. Drüsenzellen.</fw><lb/>
brana capsulo-pupillaris, später atrophirt diese und lässt die<lb/>
abgeschlossene Linse im Innern des Auges liegen. Die Lin-<lb/>
senfasern sind also weiter nichts, wie schon C. <hi rendition="#g">Vogt</hi> zeigte,<lb/>
als epidermoidale Elemente mit eigenthümlicher Entwicklung,<lb/>
und die Regeneration derselben z B. nach Extraction der<lb/>
Cataract ist nur so lange möglich, als noch Epithel an der<lb/>
Capsel vorhanden ist, welches den Neubau übernimmt und<lb/>
gleichsam ein dünnes Lager von Rete Malpighii darstellt.<lb/>
Dies reproducirt in derselben Weise die Linse, wie das ge-<lb/>
wöhnliche Rete Malpighii der Oberfläche die Epidermis. &#x2014;<lb/>
Unter den sonstigen Veränderungen epithelialer Gebilde wer-<lb/>
den wir noch gelegentlich auf die eigenthümlichen Pigment-<lb/>
Zellen zurückkommen, die an den verschiedensten Punkten<lb/>
aus der directen Umwandlung von Epidermis-Elementen her-<lb/>
vorgehen, indem sich der Inhalt entweder durch Imbibition<lb/>
färbt oder in sich durch eine (metabolische) Umsetzung des<lb/>
Inhalts Pigment erzeugt. &#x2014;</p><lb/>
        <p>An die Geschichte der eigentlichen Epithelial-Elemente<lb/>
schliesst sich unmittelbar an eine besondere Art von Bildun-<lb/>
gen, die bei dem Zustandekommen der Functionen des Thiers<lb/>
eine sehr bedeutende Rolle spielen, nämlich die <hi rendition="#g">Drüsen</hi>.<lb/>
Die eigentlich aktiven Elemente der Drüsen sind wesent-<lb/>
liche epitheliale. Es ist eins der grössesten Verdienste von<lb/><hi rendition="#g">Remak</hi>, gezeigt zu haben, dass in der normalen Entwicklung<lb/>
des Embryo von den bekannten drei Keimblättern das äussere<lb/>
und innere wesentlich epitheliale Gebilde hervorbringen, von<lb/>
denen durch allmählige Wucherung die Drüsen-Gestaltung aus-<lb/>
geht. Schon andere Forscher hatten ähnliche Beobachtungen<lb/>
gemacht, z. B. <hi rendition="#g">Kölliker</hi>, aber die allgemeine Doctrin wurde<lb/>
erst von <hi rendition="#g">Remak</hi> begründet, dass, wo sich Drüsen bilden, dies<lb/>
als ein directer Wucherungsprozess der Epithelial-Gebilde zu<lb/>
betrachten ist. Früher dachte man sich Cytoblastem-Haufen,<lb/>
in denen unabhängig Drüsenmasse entstände; allein mit Aus-<lb/>
nahme der Lymph- und Sexualdrüsen entstehen sämmtliche<lb/>
Drüsen in der Weise, dass an einem gewissen Punkt in ähn-<lb/>
licher Art, wie ich es Ihnen in der vorigen Vorlesung für den<lb/>
Auswuchs der Pflanzen gezeigt habe, eine epitheliale Zelle an-<lb/>
fängt sich zu theilen, sich wieder und wieder theilt, bis all-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0057] Linse. Pigment. Drüsenzellen. brana capsulo-pupillaris, später atrophirt diese und lässt die abgeschlossene Linse im Innern des Auges liegen. Die Lin- senfasern sind also weiter nichts, wie schon C. Vogt zeigte, als epidermoidale Elemente mit eigenthümlicher Entwicklung, und die Regeneration derselben z B. nach Extraction der Cataract ist nur so lange möglich, als noch Epithel an der Capsel vorhanden ist, welches den Neubau übernimmt und gleichsam ein dünnes Lager von Rete Malpighii darstellt. Dies reproducirt in derselben Weise die Linse, wie das ge- wöhnliche Rete Malpighii der Oberfläche die Epidermis. — Unter den sonstigen Veränderungen epithelialer Gebilde wer- den wir noch gelegentlich auf die eigenthümlichen Pigment- Zellen zurückkommen, die an den verschiedensten Punkten aus der directen Umwandlung von Epidermis-Elementen her- vorgehen, indem sich der Inhalt entweder durch Imbibition färbt oder in sich durch eine (metabolische) Umsetzung des Inhalts Pigment erzeugt. — An die Geschichte der eigentlichen Epithelial-Elemente schliesst sich unmittelbar an eine besondere Art von Bildun- gen, die bei dem Zustandekommen der Functionen des Thiers eine sehr bedeutende Rolle spielen, nämlich die Drüsen. Die eigentlich aktiven Elemente der Drüsen sind wesent- liche epitheliale. Es ist eins der grössesten Verdienste von Remak, gezeigt zu haben, dass in der normalen Entwicklung des Embryo von den bekannten drei Keimblättern das äussere und innere wesentlich epitheliale Gebilde hervorbringen, von denen durch allmählige Wucherung die Drüsen-Gestaltung aus- geht. Schon andere Forscher hatten ähnliche Beobachtungen gemacht, z. B. Kölliker, aber die allgemeine Doctrin wurde erst von Remak begründet, dass, wo sich Drüsen bilden, dies als ein directer Wucherungsprozess der Epithelial-Gebilde zu betrachten ist. Früher dachte man sich Cytoblastem-Haufen, in denen unabhängig Drüsenmasse entstände; allein mit Aus- nahme der Lymph- und Sexualdrüsen entstehen sämmtliche Drüsen in der Weise, dass an einem gewissen Punkt in ähn- licher Art, wie ich es Ihnen in der vorigen Vorlesung für den Auswuchs der Pflanzen gezeigt habe, eine epitheliale Zelle an- fängt sich zu theilen, sich wieder und wieder theilt, bis all- 3*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/57
Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/57>, abgerufen am 29.04.2024.