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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.

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mit Farben: fast sieht man z. B. keine Schecken mehr, die im siebzehnten
Jahrhundert Mode waren und die Helden seiner blutigen Kriege trugen.
In den Pferderacen tritt zunächst ein Gegensatz des Schweren, Groben
und des Leichten, Schlanken auf. Jene können wir im Allgemeinen als
die nordische bezeichnen (flandrische, friesische, burgundische u. s. w.).
Großer Kopf, starker, kurzer Hals (Annäherung an den Sauhals),
fleischige Schultern, sehr starke Brust, breite Kruppe, stämmige Füße
zeigen die Bestimmung zum Lastzuge, in beweglicherer Ausbildung zum
schweren Reiterdienste. Ein Fuhrmannswagen mit einem Zug solcher
Hengste, Dachsfelle über das Kummet, Messingkamm am rothen Tuche
ist eine stattliche Erscheinung. Die schlanke Race stellt sich am schönsten
in den arabischen und den verwandten Racen dar. Dieses mittelgroße
Pferd mit dem geraden Profil, den feurigen Augen und weit offenen
Rüstern, dem schlanken, zwischen Hirschhals und Schwanenhals die Mitte
ziehenden Halse, dem erhabenen Widerrist, den kräftigen Lenden und Schultern,
der breiten Brust, den starken Schenkeln und leichten Unterfüßen, der
glänzenden Haut ist das ächte edle Reitpferd. Hier ist jede Bewegung
Leben und Feuer, wozu der Schweif bogenförmig hoch getragen wird.
Die Pferde am Parthenon sind orientalisch (vergl. Ruhl über die Auf-
fassung der Natur in der Pferdebildung antiker Plastik). Die Römer
hatten Pferde vom schweren Schlage. Zweierlei Zweigformen gehen von
der schlanken Race ab: das Pferd der asiatischen Steppenvölker und der
Slaven, der ausdauernde Hetzer mit dem Hirschhalse, dem langgestreckten
Leib, der gesenkten Kruppe, den sehnigen Füßen, langer Mähne und
Schweif, etwas gebogenem Kopf (halber Ramsnase): ganz das Pferd
der eigentlichen Reitervölker. Dagegen stammen von der arabischen Race
gewisse Pferdeschläge ab, welche die meisten ihrer Schönheiten, doch in
das Lange und gleichsam Weitläuftige gezogen, theilen: die eigentlichen
Zucht-Kunst-Dressur-Pferde. So das englische Vollblutpferd mit etwas
eingetieftem (dem Hechtkopf genähertem), doch edlem Kopfe, langem, vor-
gestrecktem Schwanenhals, überhaupt schlank, sehnig und langgestreckt.
Mit diesen Eigenschaften verbindet sich starke Ramsnase und stärkerer Bau
bei den holsteinischen Pferden, ähnlich bei den hochauswerfenden (fuch-
telnden) spanischen und normännischen Pferden. Alle diese Schläge haben
etwas Vornehmes, Nobles, aber auch Langweiliges, sie erinnern an den
englischen Lord, den hannöverischen Junker, den spanischen Grande. -- Es
ist nicht Raum, uns über das Seelenleben dieses edlen Thiers und seine
Affekte zu verbreiten. Die bedeutende Stufe, die es einnimmt, zeigt
besonders sein Gefühl für Feierlichkeit, sein Stolz, sein feuriger Muth,
den das Buch Hiob so gewaltig schildert, seine Liebe zu dem Herrn, seine
Trauer um ihn. -- Der Esel ist nicht sowohl dumm, als träg und störrisch,

mit Farben: faſt ſieht man z. B. keine Schecken mehr, die im ſiebzehnten
Jahrhundert Mode waren und die Helden ſeiner blutigen Kriege trugen.
In den Pferderacen tritt zunächſt ein Gegenſatz des Schweren, Groben
und des Leichten, Schlanken auf. Jene können wir im Allgemeinen als
die nordiſche bezeichnen (flandriſche, frieſiſche, burgundiſche u. ſ. w.).
Großer Kopf, ſtarker, kurzer Hals (Annäherung an den Sauhals),
fleiſchige Schultern, ſehr ſtarke Bruſt, breite Kruppe, ſtämmige Füße
zeigen die Beſtimmung zum Laſtzuge, in beweglicherer Ausbildung zum
ſchweren Reiterdienſte. Ein Fuhrmannswagen mit einem Zug ſolcher
Hengſte, Dachsfelle über das Kummet, Meſſingkamm am rothen Tuche
iſt eine ſtattliche Erſcheinung. Die ſchlanke Race ſtellt ſich am ſchönſten
in den arabiſchen und den verwandten Racen dar. Dieſes mittelgroße
Pferd mit dem geraden Profil, den feurigen Augen und weit offenen
Rüſtern, dem ſchlanken, zwiſchen Hirſchhals und Schwanenhals die Mitte
ziehenden Halſe, dem erhabenen Widerriſt, den kräftigen Lenden und Schultern,
der breiten Bruſt, den ſtarken Schenkeln und leichten Unterfüßen, der
glänzenden Haut iſt das ächte edle Reitpferd. Hier iſt jede Bewegung
Leben und Feuer, wozu der Schweif bogenförmig hoch getragen wird.
Die Pferde am Parthenon ſind orientaliſch (vergl. Ruhl über die Auf-
faſſung der Natur in der Pferdebildung antiker Plaſtik). Die Römer
hatten Pferde vom ſchweren Schlage. Zweierlei Zweigformen gehen von
der ſchlanken Race ab: das Pferd der aſiatiſchen Steppenvölker und der
Slaven, der ausdauernde Hetzer mit dem Hirſchhalſe, dem langgeſtreckten
Leib, der geſenkten Kruppe, den ſehnigen Füßen, langer Mähne und
Schweif, etwas gebogenem Kopf (halber Ramsnaſe): ganz das Pferd
der eigentlichen Reitervölker. Dagegen ſtammen von der arabiſchen Race
gewiſſe Pferdeſchläge ab, welche die meiſten ihrer Schönheiten, doch in
das Lange und gleichſam Weitläuftige gezogen, theilen: die eigentlichen
Zucht-Kunſt-Dreſſur-Pferde. So das engliſche Vollblutpferd mit etwas
eingetieftem (dem Hechtkopf genähertem), doch edlem Kopfe, langem, vor-
geſtrecktem Schwanenhals, überhaupt ſchlank, ſehnig und langgeſtreckt.
Mit dieſen Eigenſchaften verbindet ſich ſtarke Ramsnaſe und ſtärkerer Bau
bei den holſteiniſchen Pferden, ähnlich bei den hochauswerfenden (fuch-
telnden) ſpaniſchen und normänniſchen Pferden. Alle dieſe Schläge haben
etwas Vornehmes, Nobles, aber auch Langweiliges, ſie erinnern an den
engliſchen Lord, den hannöveriſchen Junker, den ſpaniſchen Grande. — Es
iſt nicht Raum, uns über das Seelenleben dieſes edlen Thiers und ſeine
Affekte zu verbreiten. Die bedeutende Stufe, die es einnimmt, zeigt
beſonders ſein Gefühl für Feierlichkeit, ſein Stolz, ſein feuriger Muth,
den das Buch Hiob ſo gewaltig ſchildert, ſeine Liebe zu dem Herrn, ſeine
Trauer um ihn. — Der Eſel iſt nicht ſowohl dumm, als träg und ſtörriſch,

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[149/0161] mit Farben: faſt ſieht man z. B. keine Schecken mehr, die im ſiebzehnten Jahrhundert Mode waren und die Helden ſeiner blutigen Kriege trugen. In den Pferderacen tritt zunächſt ein Gegenſatz des Schweren, Groben und des Leichten, Schlanken auf. Jene können wir im Allgemeinen als die nordiſche bezeichnen (flandriſche, frieſiſche, burgundiſche u. ſ. w.). Großer Kopf, ſtarker, kurzer Hals (Annäherung an den Sauhals), fleiſchige Schultern, ſehr ſtarke Bruſt, breite Kruppe, ſtämmige Füße zeigen die Beſtimmung zum Laſtzuge, in beweglicherer Ausbildung zum ſchweren Reiterdienſte. Ein Fuhrmannswagen mit einem Zug ſolcher Hengſte, Dachsfelle über das Kummet, Meſſingkamm am rothen Tuche iſt eine ſtattliche Erſcheinung. Die ſchlanke Race ſtellt ſich am ſchönſten in den arabiſchen und den verwandten Racen dar. Dieſes mittelgroße Pferd mit dem geraden Profil, den feurigen Augen und weit offenen Rüſtern, dem ſchlanken, zwiſchen Hirſchhals und Schwanenhals die Mitte ziehenden Halſe, dem erhabenen Widerriſt, den kräftigen Lenden und Schultern, der breiten Bruſt, den ſtarken Schenkeln und leichten Unterfüßen, der glänzenden Haut iſt das ächte edle Reitpferd. Hier iſt jede Bewegung Leben und Feuer, wozu der Schweif bogenförmig hoch getragen wird. Die Pferde am Parthenon ſind orientaliſch (vergl. Ruhl über die Auf- faſſung der Natur in der Pferdebildung antiker Plaſtik). Die Römer hatten Pferde vom ſchweren Schlage. Zweierlei Zweigformen gehen von der ſchlanken Race ab: das Pferd der aſiatiſchen Steppenvölker und der Slaven, der ausdauernde Hetzer mit dem Hirſchhalſe, dem langgeſtreckten Leib, der geſenkten Kruppe, den ſehnigen Füßen, langer Mähne und Schweif, etwas gebogenem Kopf (halber Ramsnaſe): ganz das Pferd der eigentlichen Reitervölker. Dagegen ſtammen von der arabiſchen Race gewiſſe Pferdeſchläge ab, welche die meiſten ihrer Schönheiten, doch in das Lange und gleichſam Weitläuftige gezogen, theilen: die eigentlichen Zucht-Kunſt-Dreſſur-Pferde. So das engliſche Vollblutpferd mit etwas eingetieftem (dem Hechtkopf genähertem), doch edlem Kopfe, langem, vor- geſtrecktem Schwanenhals, überhaupt ſchlank, ſehnig und langgeſtreckt. Mit dieſen Eigenſchaften verbindet ſich ſtarke Ramsnaſe und ſtärkerer Bau bei den holſteiniſchen Pferden, ähnlich bei den hochauswerfenden (fuch- telnden) ſpaniſchen und normänniſchen Pferden. Alle dieſe Schläge haben etwas Vornehmes, Nobles, aber auch Langweiliges, ſie erinnern an den engliſchen Lord, den hannöveriſchen Junker, den ſpaniſchen Grande. — Es iſt nicht Raum, uns über das Seelenleben dieſes edlen Thiers und ſeine Affekte zu verbreiten. Die bedeutende Stufe, die es einnimmt, zeigt beſonders ſein Gefühl für Feierlichkeit, ſein Stolz, ſein feuriger Muth, den das Buch Hiob ſo gewaltig ſchildert, ſeine Liebe zu dem Herrn, ſeine Trauer um ihn. — Der Eſel iſt nicht ſowohl dumm, als träg und ſtörriſch,

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/161>, abgerufen am 28.04.2024.