Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

die wir vor den Alten voraus haben, doch wieder naiv, daß wir objective
Menschen werden können, wie sie?

Diese Frage gährt als Drang und Sehnsucht in unserer Zeit.
Bevor sie nun von der Geschichte bejaht ist, entsteht die andere: kann
nicht dieser Drang, diese Sehnsucht selbst auch Stoff der Schönheit
werden? Sie ist bedingt zu bejahen. Der feurige Wunsch hat allerdings
auch als solcher seine objective Erscheinung. Diese Objectivität ist aber
sehr beschränkter Art. Die Kunstlehre wird zeigen, ob das Schöne solche
Gattungen hat, für welche diese subjective Erregung, die sich noch keine
Welt geschaffen hat, als Stoff ausreicht.



die wir vor den Alten voraus haben, doch wieder naiv, daß wir objective
Menſchen werden können, wie ſie?

Dieſe Frage gährt als Drang und Sehnſucht in unſerer Zeit.
Bevor ſie nun von der Geſchichte bejaht iſt, entſteht die andere: kann
nicht dieſer Drang, dieſe Sehnſucht ſelbſt auch Stoff der Schönheit
werden? Sie iſt bedingt zu bejahen. Der feurige Wunſch hat allerdings
auch als ſolcher ſeine objective Erſcheinung. Dieſe Objectivität iſt aber
ſehr beſchränkter Art. Die Kunſtlehre wird zeigen, ob das Schöne ſolche
Gattungen hat, für welche dieſe ſubjective Erregung, die ſich noch keine
Welt geſchaffen hat, als Stoff ausreicht.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0310" n="298"/>
die wir vor den Alten voraus haben, doch wieder naiv, daß wir objective<lb/>
Men&#x017F;chen werden können, wie &#x017F;ie?</hi> </p><lb/>
                    <p> <hi rendition="#et">Die&#x017F;e Frage gährt als Drang und Sehn&#x017F;ucht in un&#x017F;erer Zeit.<lb/>
Bevor &#x017F;ie nun von der Ge&#x017F;chichte bejaht i&#x017F;t, ent&#x017F;teht die andere: kann<lb/>
nicht die&#x017F;er Drang, die&#x017F;e Sehn&#x017F;ucht &#x017F;elb&#x017F;t auch Stoff der Schönheit<lb/>
werden? Sie i&#x017F;t bedingt zu bejahen. Der feurige Wun&#x017F;ch hat allerdings<lb/>
auch als &#x017F;olcher &#x017F;eine objective Er&#x017F;cheinung. Die&#x017F;e Objectivität i&#x017F;t aber<lb/>
&#x017F;ehr be&#x017F;chränkter Art. Die Kun&#x017F;tlehre wird zeigen, ob das Schöne &#x017F;olche<lb/>
Gattungen hat, für welche die&#x017F;e &#x017F;ubjective Erregung, die &#x017F;ich noch keine<lb/>
Welt ge&#x017F;chaffen hat, als Stoff ausreicht.</hi> </p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
    <back>
</back>
  </text>
</TEI>
[298/0310] die wir vor den Alten voraus haben, doch wieder naiv, daß wir objective Menſchen werden können, wie ſie? Dieſe Frage gährt als Drang und Sehnſucht in unſerer Zeit. Bevor ſie nun von der Geſchichte bejaht iſt, entſteht die andere: kann nicht dieſer Drang, dieſe Sehnſucht ſelbſt auch Stoff der Schönheit werden? Sie iſt bedingt zu bejahen. Der feurige Wunſch hat allerdings auch als ſolcher ſeine objective Erſcheinung. Dieſe Objectivität iſt aber ſehr beſchränkter Art. Die Kunſtlehre wird zeigen, ob das Schöne ſolche Gattungen hat, für welche dieſe ſubjective Erregung, die ſich noch keine Welt geſchaffen hat, als Stoff ausreicht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/310
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/310>, abgerufen am 05.05.2024.