Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Spalten des gedörrten und geborstenen Schlamms
hineinsah, etwas wie Thonscherben, ein andermal etwas
wie eine rohe Axtklinge von Stein zu bemerken. Er
war ein nachdenklicher, wißbegieriger Mann; er fieng
an, zu graben. Er hackt und hackt und stößt, nach¬
dem er einige Schuh in die Tiefe gelangt, auf größere
Scherben von Töpfen, denen gleich, die man jetzt ge¬
brauchte, aber weit roher an Form, ohne verzierendes
Glied, und wo sich ein solches findet, besteht es nur
in einer Reihe von Vertiefungen am Halse, die sicht¬
bar mit dem Nagel eingedrückt sind; der Thon gröber,
unverarbeiteter und viel schlechter gebrannt, als der
jetzige, die Rundung unförmlicher, als man sie heut¬
zutage herzustellen versteht: jetzt, heutzutage, das heißt
dazumal, als Massikomur lebte, wo die Glasur und
die Töpferscheibe auch noch nicht bekannt, aber doch
die Brennung sorgfältiger, Augenmaß und Hand in
der Formung ungleich sicherer und feiner geworden
war. Ferner finden sich Geräthe und Waffen aus
Holz, Stein, Bein, aber weit nicht so vielfältig und
weit roher als man sie jetzt zu bereiten weiß: die
Pfeil- und Lanzenspitzen aus Feuerstein durchaus nur
gespalten, nicht nach allerneuester, zwar noch seltener
Axt geschliffen; was aus weniger hartem Stein ge¬
bildet war, Aexte, Kornquetscher, Meißel von so
plumper Form, daß leicht ersichtlich: wo man den
Schleifstein anwandte, da fehlte die Geduld zu

Spalten des gedörrten und geborſtenen Schlamms
hineinſah, etwas wie Thonſcherben, ein andermal etwas
wie eine rohe Axtklinge von Stein zu bemerken. Er
war ein nachdenklicher, wißbegieriger Mann; er fieng
an, zu graben. Er hackt und hackt und ſtößt, nach¬
dem er einige Schuh in die Tiefe gelangt, auf größere
Scherben von Töpfen, denen gleich, die man jetzt ge¬
brauchte, aber weit roher an Form, ohne verzierendes
Glied, und wo ſich ein ſolches findet, beſteht es nur
in einer Reihe von Vertiefungen am Halſe, die ſicht¬
bar mit dem Nagel eingedrückt ſind; der Thon gröber,
unverarbeiteter und viel ſchlechter gebrannt, als der
jetzige, die Rundung unförmlicher, als man ſie heut¬
zutage herzuſtellen verſteht: jetzt, heutzutage, das heißt
dazumal, als Maſſikomur lebte, wo die Glaſur und
die Töpferſcheibe auch noch nicht bekannt, aber doch
die Brennung ſorgfältiger, Augenmaß und Hand in
der Formung ungleich ſicherer und feiner geworden
war. Ferner finden ſich Geräthe und Waffen aus
Holz, Stein, Bein, aber weit nicht ſo vielfältig und
weit roher als man ſie jetzt zu bereiten weiß: die
Pfeil- und Lanzenſpitzen aus Feuerſtein durchaus nur
geſpalten, nicht nach allerneueſter, zwar noch ſeltener
Axt geſchliffen; was aus weniger hartem Stein ge¬
bildet war, Aexte, Kornquetſcher, Meißel von ſo
plumper Form, daß leicht erſichtlich: wo man den
Schleifſtein anwandte, da fehlte die Geduld zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0188" n="175"/>
Spalten des gedörrten und gebor&#x017F;tenen Schlamms<lb/>
hinein&#x017F;ah, etwas wie Thon&#x017F;cherben, ein andermal etwas<lb/>
wie eine rohe Axtklinge von Stein zu bemerken. Er<lb/>
war ein nachdenklicher, wißbegieriger Mann; er fieng<lb/>
an, zu graben. Er hackt und hackt und &#x017F;tößt, nach¬<lb/>
dem er einige Schuh in die Tiefe gelangt, auf größere<lb/>
Scherben von Töpfen, denen gleich, die man jetzt ge¬<lb/>
brauchte, aber weit roher an Form, ohne verzierendes<lb/>
Glied, und wo &#x017F;ich ein &#x017F;olches findet, be&#x017F;teht es nur<lb/>
in einer Reihe von Vertiefungen am Hal&#x017F;e, die &#x017F;icht¬<lb/>
bar mit dem Nagel eingedrückt &#x017F;ind; der Thon gröber,<lb/>
unverarbeiteter und viel &#x017F;chlechter gebrannt, als der<lb/>
jetzige, die Rundung unförmlicher, als man &#x017F;ie heut¬<lb/>
zutage herzu&#x017F;tellen ver&#x017F;teht: jetzt, heutzutage, das heißt<lb/>
dazumal, als Ma&#x017F;&#x017F;ikomur lebte, wo die Gla&#x017F;ur und<lb/>
die Töpfer&#x017F;cheibe auch noch nicht bekannt, aber doch<lb/>
die Brennung &#x017F;orgfältiger, Augenmaß und Hand in<lb/>
der Formung ungleich &#x017F;icherer und feiner geworden<lb/>
war. Ferner finden &#x017F;ich Geräthe und Waffen aus<lb/>
Holz, Stein, Bein, aber weit nicht &#x017F;o vielfältig und<lb/>
weit roher als man &#x017F;ie jetzt zu bereiten weiß: die<lb/>
Pfeil- und Lanzen&#x017F;pitzen aus Feuer&#x017F;tein durchaus nur<lb/>
ge&#x017F;palten, nicht nach allerneue&#x017F;ter, zwar noch &#x017F;eltener<lb/>
Axt ge&#x017F;chliffen; was aus weniger hartem Stein ge¬<lb/>
bildet war, Aexte, Kornquet&#x017F;cher, Meißel von &#x017F;o<lb/>
plumper Form, daß leicht er&#x017F;ichtlich: wo man den<lb/>
Schleif&#x017F;tein anwandte, da fehlte die Geduld zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0188] Spalten des gedörrten und geborſtenen Schlamms hineinſah, etwas wie Thonſcherben, ein andermal etwas wie eine rohe Axtklinge von Stein zu bemerken. Er war ein nachdenklicher, wißbegieriger Mann; er fieng an, zu graben. Er hackt und hackt und ſtößt, nach¬ dem er einige Schuh in die Tiefe gelangt, auf größere Scherben von Töpfen, denen gleich, die man jetzt ge¬ brauchte, aber weit roher an Form, ohne verzierendes Glied, und wo ſich ein ſolches findet, beſteht es nur in einer Reihe von Vertiefungen am Halſe, die ſicht¬ bar mit dem Nagel eingedrückt ſind; der Thon gröber, unverarbeiteter und viel ſchlechter gebrannt, als der jetzige, die Rundung unförmlicher, als man ſie heut¬ zutage herzuſtellen verſteht: jetzt, heutzutage, das heißt dazumal, als Maſſikomur lebte, wo die Glaſur und die Töpferſcheibe auch noch nicht bekannt, aber doch die Brennung ſorgfältiger, Augenmaß und Hand in der Formung ungleich ſicherer und feiner geworden war. Ferner finden ſich Geräthe und Waffen aus Holz, Stein, Bein, aber weit nicht ſo vielfältig und weit roher als man ſie jetzt zu bereiten weiß: die Pfeil- und Lanzenſpitzen aus Feuerſtein durchaus nur geſpalten, nicht nach allerneueſter, zwar noch ſeltener Axt geſchliffen; was aus weniger hartem Stein ge¬ bildet war, Aexte, Kornquetſcher, Meißel von ſo plumper Form, daß leicht erſichtlich: wo man den Schleifſtein anwandte, da fehlte die Geduld zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/188
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/188>, abgerufen am 07.05.2024.