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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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göttliche Wesen, die wir bald näher werden kennen
lernen. Ja noch mehr: mit Schauder erzählte man sich,
ein besonders kühner junger Meister habe sich erfrecht,
Zweifel an der Vernünftigkeit des Wohnens auf Seen,
obwohl nur andeutungsweise, vorzubringen: einer Sitte,
die doch im tiefsten Zusammenhang mit der Religion
stand. Die Druiden wußten aber doch ganz gewiß,
daß diese Götter existirten und diese Wohnweise geboten
hatten; deßwegen gewiß, weil der Oberdruide, der
Coibhidruid, es gewiß zu wissen befahl, er, der ja
nicht irren konnte. Dazu waren denn überdieß die
genannten umwälzerischen Bewegungen in der Abthei¬
lung der Erfinder gekommen: Stoff genug, um zu
befürchten, zu schauern, zu hassen. Gieng das so fort,
verbreitete sich dieser neuerungssüchtige Geist, so war
zu besorgen, daß bald den Menschen nichts mehr heilig
sein und die scharfe Waffe gegen Ungläubige, der
Bann, der Fluch sich abstumpfen werde. Man mußte
sich daher nach einem Rückhalt umsehen, der geeignet
wäre, diesem geistlichen Schwert im Nothfall mit welt¬
lichen Mitteln den gehörigen Nachdruck zu geben. Es
war der Adel, der vorzugsweise kriegerische Stand,
bei dem man diese Anlehnung suchte. Allein der Adel
war in seinen Gesinnungen selbst getheilt. Die Einen
hielten stark zu den Druiden; denn ihre Ansicht war,
ein Orden, der die Götter stütze, stütze auch den Adel,
indem der feinere Menschenteig, aus welchem derselbe

göttliche Weſen, die wir bald näher werden kennen
lernen. Ja noch mehr: mit Schauder erzählte man ſich,
ein beſonders kühner junger Meiſter habe ſich erfrecht,
Zweifel an der Vernünftigkeit des Wohnens auf Seen,
obwohl nur andeutungsweiſe, vorzubringen: einer Sitte,
die doch im tiefſten Zuſammenhang mit der Religion
ſtand. Die Druiden wußten aber doch ganz gewiß,
daß dieſe Götter exiſtirten und dieſe Wohnweiſe geboten
hatten; deßwegen gewiß, weil der Oberdruide, der
Coibhidruid, es gewiß zu wiſſen befahl, er, der ja
nicht irren konnte. Dazu waren denn überdieß die
genannten umwälzeriſchen Bewegungen in der Abthei¬
lung der Erfinder gekommen: Stoff genug, um zu
befürchten, zu ſchauern, zu haſſen. Gieng das ſo fort,
verbreitete ſich dieſer neuerungsſüchtige Geiſt, ſo war
zu beſorgen, daß bald den Menſchen nichts mehr heilig
ſein und die ſcharfe Waffe gegen Ungläubige, der
Bann, der Fluch ſich abſtumpfen werde. Man mußte
ſich daher nach einem Rückhalt umſehen, der geeignet
wäre, dieſem geiſtlichen Schwert im Nothfall mit welt¬
lichen Mitteln den gehörigen Nachdruck zu geben. Es
war der Adel, der vorzugsweiſe kriegeriſche Stand,
bei dem man dieſe Anlehnung ſuchte. Allein der Adel
war in ſeinen Geſinnungen ſelbſt getheilt. Die Einen
hielten ſtark zu den Druiden; denn ihre Anſicht war,
ein Orden, der die Götter ſtütze, ſtütze auch den Adel,
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[188/0201] göttliche Weſen, die wir bald näher werden kennen lernen. Ja noch mehr: mit Schauder erzählte man ſich, ein beſonders kühner junger Meiſter habe ſich erfrecht, Zweifel an der Vernünftigkeit des Wohnens auf Seen, obwohl nur andeutungsweiſe, vorzubringen: einer Sitte, die doch im tiefſten Zuſammenhang mit der Religion ſtand. Die Druiden wußten aber doch ganz gewiß, daß dieſe Götter exiſtirten und dieſe Wohnweiſe geboten hatten; deßwegen gewiß, weil der Oberdruide, der Coibhidruid, es gewiß zu wiſſen befahl, er, der ja nicht irren konnte. Dazu waren denn überdieß die genannten umwälzeriſchen Bewegungen in der Abthei¬ lung der Erfinder gekommen: Stoff genug, um zu befürchten, zu ſchauern, zu haſſen. Gieng das ſo fort, verbreitete ſich dieſer neuerungsſüchtige Geiſt, ſo war zu beſorgen, daß bald den Menſchen nichts mehr heilig ſein und die ſcharfe Waffe gegen Ungläubige, der Bann, der Fluch ſich abſtumpfen werde. Man mußte ſich daher nach einem Rückhalt umſehen, der geeignet wäre, dieſem geiſtlichen Schwert im Nothfall mit welt¬ lichen Mitteln den gehörigen Nachdruck zu geben. Es war der Adel, der vorzugsweiſe kriegeriſche Stand, bei dem man dieſe Anlehnung ſuchte. Allein der Adel war in ſeinen Geſinnungen ſelbſt getheilt. Die Einen hielten ſtark zu den Druiden; denn ihre Anſicht war, ein Orden, der die Götter ſtütze, ſtütze auch den Adel, indem der feinere Menſchenteig, aus welchem derſelbe

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/201>, abgerufen am 29.04.2024.