gesehen habe, wo jene zwei Feinde seine Erscheinung noch nicht so sehr zermürbt und gebrochen hatten. Leicht erkennt der Leser aus dem Bisherigen, daß der Ausgangspunkt der Seltsamkeiten, die er an unserem Manne kennen gelernt hat, in einer Grundstimmung, einer Ideenrichtung liegen mußte, die dem Geiste des früh verdunkelten Dichters verwandt war, aber ebenso leicht, daß der stärkeren Männlichkeit in der Erscheinung des Ersteren etwas im Innern entsprach, was dem Zweiten ganz fremd war. Hölderlin war humorlos; ich kann mir nicht denken, daß der unglückliche Dichter aus dem Ernste jemals in solche Derbheit hätte um¬ springen können, wie A. E. es liebte. Eben an diese Derbheiten, an diese Stöße des Zorns und gröblichen Witze hatte ich schon bisher den tröstlichen Gedanken geknüpft, A. E. könne nicht der Verzweiflung, nicht dem Wahnsinn verfallen, wie der wehrlose schwäbische Sänger. Solche Umsprünge, ja Cynismen wird man nun auch mitten aus den Worten des tiefsten Seelen¬ wehs in diesem verzweifelten Selbstgespräch heraus¬ hören und ich gestehe, daß sie in jenen todesbangen Momenten mir doch eine gewisse Beruhigung gaben, es werde nichts Aeußerstes geschehen; so betröstete ich mich wenigstens bis zu dem Augenblick, wo --
Doch es ist Zeit, den rasenden Redner zu ver¬ nehmen, so weit das Brüllen des Sturmwinds, das Donnern der Wasser es uns vergönnt.
geſehen habe, wo jene zwei Feinde ſeine Erſcheinung noch nicht ſo ſehr zermürbt und gebrochen hatten. Leicht erkennt der Leſer aus dem Bisherigen, daß der Ausgangspunkt der Seltſamkeiten, die er an unſerem Manne kennen gelernt hat, in einer Grundſtimmung, einer Ideenrichtung liegen mußte, die dem Geiſte des früh verdunkelten Dichters verwandt war, aber ebenſo leicht, daß der ſtärkeren Männlichkeit in der Erſcheinung des Erſteren etwas im Innern entſprach, was dem Zweiten ganz fremd war. Hölderlin war humorlos; ich kann mir nicht denken, daß der unglückliche Dichter aus dem Ernſte jemals in ſolche Derbheit hätte um¬ ſpringen können, wie A. E. es liebte. Eben an dieſe Derbheiten, an dieſe Stöße des Zorns und gröblichen Witze hatte ich ſchon bisher den tröſtlichen Gedanken geknüpft, A. E. könne nicht der Verzweiflung, nicht dem Wahnſinn verfallen, wie der wehrloſe ſchwäbiſche Sänger. Solche Umſprünge, ja Cyniſmen wird man nun auch mitten aus den Worten des tiefſten Seelen¬ wehs in dieſem verzweifelten Selbſtgeſpräch heraus¬ hören und ich geſtehe, daß ſie in jenen todesbangen Momenten mir doch eine gewiſſe Beruhigung gaben, es werde nichts Aeußerſtes geſchehen; ſo betröſtete ich mich wenigſtens bis zu dem Augenblick, wo —
Doch es iſt Zeit, den raſenden Redner zu ver¬ nehmen, ſo weit das Brüllen des Sturmwinds, das Donnern der Waſſer es uns vergönnt.
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geſehen habe, wo jene zwei Feinde ſeine Erſcheinung
noch nicht ſo ſehr zermürbt und gebrochen hatten.
Leicht erkennt der Leſer aus dem Bisherigen, daß der
Ausgangspunkt der Seltſamkeiten, die er an unſerem
Manne kennen gelernt hat, in einer Grundſtimmung,
einer Ideenrichtung liegen mußte, die dem Geiſte des
früh verdunkelten Dichters verwandt war, aber ebenſo
leicht, daß der ſtärkeren Männlichkeit in der Erſcheinung
des Erſteren etwas im Innern entſprach, was dem
Zweiten ganz fremd war. Hölderlin war humorlos;
ich kann mir nicht denken, daß der unglückliche Dichter
aus dem Ernſte jemals in ſolche Derbheit hätte um¬
ſpringen können, wie A. E. es liebte. Eben an dieſe
Derbheiten, an dieſe Stöße des Zorns und gröblichen
Witze hatte ich ſchon bisher den tröſtlichen Gedanken
geknüpft, A. E. könne nicht der Verzweiflung, nicht
dem Wahnſinn verfallen, wie der wehrloſe ſchwäbiſche
Sänger. Solche Umſprünge, ja Cyniſmen wird man
nun auch mitten aus den Worten des tiefſten Seelen¬
wehs in dieſem verzweifelten Selbſtgeſpräch heraus¬
hören und ich geſtehe, daß ſie in jenen todesbangen
Momenten mir doch eine gewiſſe Beruhigung gaben,
es werde nichts Aeußerſtes geſchehen; ſo betröſtete ich
mich wenigſtens bis zu dem Augenblick, wo —
Doch es iſt Zeit, den raſenden Redner zu ver¬
nehmen, ſo weit das Brüllen des Sturmwinds, das
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/87>, abgerufen am 31.10.2024.
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