ist, so finden wir in dem Nervensysteme eine we- sentlich charakteristische Anordnung, die auf dem Typus fußt, welchen wir bei den höheren Ringelwürmern ausgebildet fanden. Ein knotiger Strang, dessen meist doppelte Verbindungsfäden oft seitlich ausein- ander weichen, zieht sich in der Mittellinie des Kör- pers an der Bauchfläche fort, und entsendet aus sei- nen einzelnen Knoten die Nerven der verschiedenen Organe. Je länger gestreckt der Körper erscheint, je gleichartiger die verschiedenen Ringel sind, in desto gleichmäßigeren Abständen folgen sich die Knoten dieses Bauchnervenmarkes, während beim Zusammen- schmelzen der Ringel, sowie der Körperabtheilungen, auch die einzelnen Knoten miteinander in größere Massen verschmelzen. Das ganze Bauchmark nimmt seinen Ursprung von einem oder mehreren beträcht- lichen Hirnknoten, welche in dem Kopfe über dem Schlunde liegen und zwei Verbindungsfäden nach unten schicken, die sich in den ersten Bauchknoten vereinigen. Es ist also ein förmlicher Schlundring vorhanden, der sich aber nach hinten in ein streng symmetrisches, in der Mittellinie des Körpers gelegenes Bauchmark fortsetzt. Wichtig erscheint die Lagerung dieses Bauch- markes unter allen Eingeweiden unmittelbar an der Innenfläche der äußeren Bauchbedeckungen, die der Lage des Centralnervensystemes bei den Wirbelthieren gerade entgegen gesetzt ist.
Ein wesentlicher Unterschied der Gliederthiere von allen übrigen Typen der Thierwelt besteht in der Bildung der Bewegungs- organe und in der Art und Weise, wie die bewegenden Muskeln sich zu den festeren Theilen, zum starren Gerüste des Körpers und der Glieder verhalten. Bei allen Gliederthieren ist die äußere Haut ver- hältnißmäßig weit härter und fester, als die übrigen Theile des Kör- pers, und bildet so für den Körper sowohl, wie für die Bewegungs- organe eine Folge hohler Ringe, welche bei größerer Ausdehnung förmliche Röhren darstellen, in denen die Organe eingeschlossen sind. Die bewegenden Muskeln setzen sich auf der Innenseite dieser Röhren an, sind also im Innern der Hebel eingeschlossen, deren Bewegung sie bewirken sollen. Die Glieder selbst bestehen aus einzelnen starren Stücken, welche durch Gelenke miteinander verbunden sind und nur durch diese Gelenke die ihnen zukommende Biegsamkeit besitzen. Durch diese eigenthümliche Anordnung der Bewegungsorgane, die man z. B.
[Abbildung]
Fig. 446.
Nervenſyſtem eines Gliederthieres.
iſt, ſo finden wir in dem Nervenſyſteme eine we- ſentlich charakteriſtiſche Anordnung, die auf dem Typus fußt, welchen wir bei den höheren Ringelwürmern ausgebildet fanden. Ein knotiger Strang, deſſen meiſt doppelte Verbindungsfäden oft ſeitlich ausein- ander weichen, zieht ſich in der Mittellinie des Kör- pers an der Bauchfläche fort, und entſendet aus ſei- nen einzelnen Knoten die Nerven der verſchiedenen Organe. Je länger geſtreckt der Körper erſcheint, je gleichartiger die verſchiedenen Ringel ſind, in deſto gleichmäßigeren Abſtänden folgen ſich die Knoten dieſes Bauchnervenmarkes, während beim Zuſammen- ſchmelzen der Ringel, ſowie der Körperabtheilungen, auch die einzelnen Knoten miteinander in größere Maſſen verſchmelzen. Das ganze Bauchmark nimmt ſeinen Urſprung von einem oder mehreren beträcht- lichen Hirnknoten, welche in dem Kopfe über dem Schlunde liegen und zwei Verbindungsfäden nach unten ſchicken, die ſich in den erſten Bauchknoten vereinigen. Es iſt alſo ein förmlicher Schlundring vorhanden, der ſich aber nach hinten in ein ſtreng ſymmetriſches, in der Mittellinie des Körpers gelegenes Bauchmark fortſetzt. Wichtig erſcheint die Lagerung dieſes Bauch- markes unter allen Eingeweiden unmittelbar an der Innenfläche der äußeren Bauchbedeckungen, die der Lage des Centralnervenſyſtemes bei den Wirbelthieren gerade entgegen geſetzt iſt.
Ein weſentlicher Unterſchied der Gliederthiere von allen übrigen Typen der Thierwelt beſteht in der Bildung der Bewegungs- organe und in der Art und Weiſe, wie die bewegenden Muskeln ſich zu den feſteren Theilen, zum ſtarren Gerüſte des Körpers und der Glieder verhalten. Bei allen Gliederthieren iſt die äußere Haut ver- hältnißmäßig weit härter und feſter, als die übrigen Theile des Kör- pers, und bildet ſo für den Körper ſowohl, wie für die Bewegungs- organe eine Folge hohler Ringe, welche bei größerer Ausdehnung förmliche Röhren darſtellen, in denen die Organe eingeſchloſſen ſind. Die bewegenden Muskeln ſetzen ſich auf der Innenſeite dieſer Röhren an, ſind alſo im Innern der Hebel eingeſchloſſen, deren Bewegung ſie bewirken ſollen. Die Glieder ſelbſt beſtehen aus einzelnen ſtarren Stücken, welche durch Gelenke miteinander verbunden ſind und nur durch dieſe Gelenke die ihnen zukommende Biegſamkeit beſitzen. Durch dieſe eigenthümliche Anordnung der Bewegungsorgane, die man z. B.
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[Abbildung Fig. 446.
Nervenſyſtem eines
Gliederthieres.]
iſt, ſo finden wir in dem Nervenſyſteme eine we-
ſentlich charakteriſtiſche Anordnung, die auf dem Typus
fußt, welchen wir bei den höheren Ringelwürmern
ausgebildet fanden. Ein knotiger Strang, deſſen
meiſt doppelte Verbindungsfäden oft ſeitlich ausein-
ander weichen, zieht ſich in der Mittellinie des Kör-
pers an der Bauchfläche fort, und entſendet aus ſei-
nen einzelnen Knoten die Nerven der verſchiedenen
Organe. Je länger geſtreckt der Körper erſcheint,
je gleichartiger die verſchiedenen Ringel ſind, in deſto
gleichmäßigeren Abſtänden folgen ſich die Knoten
dieſes Bauchnervenmarkes, während beim Zuſammen-
ſchmelzen der Ringel, ſowie der Körperabtheilungen,
auch die einzelnen Knoten miteinander in größere
Maſſen verſchmelzen. Das ganze Bauchmark nimmt
ſeinen Urſprung von einem oder mehreren beträcht-
lichen Hirnknoten, welche in dem Kopfe über dem
Schlunde liegen und zwei Verbindungsfäden nach
unten ſchicken, die ſich in den erſten Bauchknoten vereinigen. Es iſt
alſo ein förmlicher Schlundring vorhanden, der ſich aber nach hinten
in ein ſtreng ſymmetriſches, in der Mittellinie des Körpers gelegenes
Bauchmark fortſetzt. Wichtig erſcheint die Lagerung dieſes Bauch-
markes unter allen Eingeweiden unmittelbar an der Innenfläche der
äußeren Bauchbedeckungen, die der Lage des Centralnervenſyſtemes
bei den Wirbelthieren gerade entgegen geſetzt iſt.
Ein weſentlicher Unterſchied der Gliederthiere von allen übrigen
Typen der Thierwelt beſteht in der Bildung der Bewegungs-
organe und in der Art und Weiſe, wie die bewegenden Muskeln
ſich zu den feſteren Theilen, zum ſtarren Gerüſte des Körpers und der
Glieder verhalten. Bei allen Gliederthieren iſt die äußere Haut ver-
hältnißmäßig weit härter und feſter, als die übrigen Theile des Kör-
pers, und bildet ſo für den Körper ſowohl, wie für die Bewegungs-
organe eine Folge hohler Ringe, welche bei größerer Ausdehnung
förmliche Röhren darſtellen, in denen die Organe eingeſchloſſen ſind.
Die bewegenden Muskeln ſetzen ſich auf der Innenſeite dieſer Röhren
an, ſind alſo im Innern der Hebel eingeſchloſſen, deren Bewegung
ſie bewirken ſollen. Die Glieder ſelbſt beſtehen aus einzelnen ſtarren
Stücken, welche durch Gelenke miteinander verbunden ſind und nur
durch dieſe Gelenke die ihnen zukommende Biegſamkeit beſitzen. Durch
dieſe eigenthümliche Anordnung der Bewegungsorgane, die man z. B.
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/401>, abgerufen am 15.06.2024.
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