Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

aufgelöst wird. Oft sind die in solcher Weise aufgenommenen Gegen-
stände so groß, daß das Thier nur eine Art von gallertartigem Ueber-
zug über den in seinem Innern befindlichen Körper bildet, von wel-
chem Ueberzug hie und da sich einzelne Zacken ausstülpen und wieder
einziehen. Außer einer hellen Blase, welche sich hin und wieder zu-
sammenzieht und die man als Anfang eines Organes zur Umtreibung
der Säfte im Körper ansehen kann, und einem festen, dunkleren Kerne,
hat man noch keine innere Organisation in diesen Körpern beobach-
ten können. Sie kriechen mittelst ausstülpbarer Fortsätze ihres Kör-
pers, die bald dicker und fingerförmig, bald fein und mannigfach ver-
ästelt erscheinen, auf dem Boden der Gewässer einher und finden sich
besonders im Meere in zahllosen Mengen.

Die äußere Körperform der Rhizopoden bietet sehr mannigfache
Gestaltverhältnisse dar. Die meisten derselben besitzen einen Panzer,
der bald nur ein einziges Thier enthält, bald einen gemeinschaftlichen
Korallenstock für viele Thiere dieser Art darstellt. Durch ein oder viel-
fache Löcher dieses hornigen oder kalkigen Panzers werden die der
Bewegung dienenden Fortsätze hervorgestülpt. Die kalkige Beschaffen-
heit der Schale unterscheidet die Wurzelfüßer scharf von den Jufuso-
rien, bei welchen nur hornige oder kieselhaltige Schalen vorkommen.
Nur wenige Wurzelfüßer sind ganz nackt oder haben nur einen hor-
nigen oder lederartigen Panzer von der Form einer Büchse.

Die Wurzelfüßer leben sowohl in süßen Gewässern als beson-
ders in dem Meere und ihre Schalen sind in manchen Schichten der
Erde in so ungeheurer Zahl aufgehäuft, daß man von der Kreide
z. B. mit vollem Rechte behaupten kann, sie sei zum größten Theil
nur aus mikroskopischen Rhizopodenschalen zusammengesetzt. Auch in
unserer jetzigen Zeit besteht namentlich der feine Kalksand, welcher an
so vielen Orten den Meeresstrand bildet, seiner Hauptmasse nach aus
solchen Rhizopoden und in dem Niederschlage und dem Bodensatze
klarer Bäche, so wie an den Wasserpflanzen finden sie sich oft in
großer Anzahl.

Man theilt die Klasse der Rhizopoden in zwei Ordnungen ein.
Die erste Ordnung oder die Einleibigen (Monosomatia) um-
faßt alle diejenigen Wurzelfüßer, welche nur aus einem einzigen Thiere
bestehen und entweder nackt sind, oder in einer hornigen Kapsel stecken,
die nur eine einzige Oeffnung besitzt.

Die vollkommen nackten Formen bilden die Familie der Wechsel-
thierchen
(Proteida), Thiere unbestimmbarer Form und Größe,

Vogt. Zoologische Briefe. I. 6

aufgelöſt wird. Oft ſind die in ſolcher Weiſe aufgenommenen Gegen-
ſtände ſo groß, daß das Thier nur eine Art von gallertartigem Ueber-
zug über den in ſeinem Innern befindlichen Körper bildet, von wel-
chem Ueberzug hie und da ſich einzelne Zacken ausſtülpen und wieder
einziehen. Außer einer hellen Blaſe, welche ſich hin und wieder zu-
ſammenzieht und die man als Anfang eines Organes zur Umtreibung
der Säfte im Körper anſehen kann, und einem feſten, dunkleren Kerne,
hat man noch keine innere Organiſation in dieſen Körpern beobach-
ten können. Sie kriechen mittelſt ausſtülpbarer Fortſätze ihres Kör-
pers, die bald dicker und fingerförmig, bald fein und mannigfach ver-
äſtelt erſcheinen, auf dem Boden der Gewäſſer einher und finden ſich
beſonders im Meere in zahlloſen Mengen.

Die äußere Körperform der Rhizopoden bietet ſehr mannigfache
Geſtaltverhältniſſe dar. Die meiſten derſelben beſitzen einen Panzer,
der bald nur ein einziges Thier enthält, bald einen gemeinſchaftlichen
Korallenſtock für viele Thiere dieſer Art darſtellt. Durch ein oder viel-
fache Löcher dieſes hornigen oder kalkigen Panzers werden die der
Bewegung dienenden Fortſätze hervorgeſtülpt. Die kalkige Beſchaffen-
heit der Schale unterſcheidet die Wurzelfüßer ſcharf von den Jufuſo-
rien, bei welchen nur hornige oder kieſelhaltige Schalen vorkommen.
Nur wenige Wurzelfüßer ſind ganz nackt oder haben nur einen hor-
nigen oder lederartigen Panzer von der Form einer Büchſe.

Die Wurzelfüßer leben ſowohl in ſüßen Gewäſſern als beſon-
ders in dem Meere und ihre Schalen ſind in manchen Schichten der
Erde in ſo ungeheurer Zahl aufgehäuft, daß man von der Kreide
z. B. mit vollem Rechte behaupten kann, ſie ſei zum größten Theil
nur aus mikroſkopiſchen Rhizopodenſchalen zuſammengeſetzt. Auch in
unſerer jetzigen Zeit beſteht namentlich der feine Kalkſand, welcher an
ſo vielen Orten den Meeresſtrand bildet, ſeiner Hauptmaſſe nach aus
ſolchen Rhizopoden und in dem Niederſchlage und dem Bodenſatze
klarer Bäche, ſo wie an den Waſſerpflanzen finden ſie ſich oft in
großer Anzahl.

Man theilt die Klaſſe der Rhizopoden in zwei Ordnungen ein.
Die erſte Ordnung oder die Einleibigen (Monosomatia) um-
faßt alle diejenigen Wurzelfüßer, welche nur aus einem einzigen Thiere
beſtehen und entweder nackt ſind, oder in einer hornigen Kapſel ſtecken,
die nur eine einzige Oeffnung beſitzt.

Die vollkommen nackten Formen bilden die Familie der Wechſel-
thierchen
(Proteida), Thiere unbeſtimmbarer Form und Größe,

Vogt. Zoologiſche Briefe. I. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0087" n="81"/>
aufgelö&#x017F;t wird. Oft &#x017F;ind die in &#x017F;olcher Wei&#x017F;e aufgenommenen Gegen-<lb/>
&#x017F;tände &#x017F;o groß, daß das Thier nur eine Art von gallertartigem Ueber-<lb/>
zug über den in &#x017F;einem Innern befindlichen Körper bildet, von wel-<lb/>
chem Ueberzug hie und da &#x017F;ich einzelne Zacken aus&#x017F;tülpen und wieder<lb/>
einziehen. Außer einer hellen Bla&#x017F;e, welche &#x017F;ich hin und wieder zu-<lb/>
&#x017F;ammenzieht und die man als Anfang eines Organes zur Umtreibung<lb/>
der Säfte im Körper an&#x017F;ehen kann, und einem fe&#x017F;ten, dunkleren Kerne,<lb/>
hat man noch keine innere Organi&#x017F;ation in die&#x017F;en Körpern beobach-<lb/>
ten können. Sie kriechen mittel&#x017F;t aus&#x017F;tülpbarer Fort&#x017F;ätze ihres Kör-<lb/>
pers, die bald dicker und fingerförmig, bald fein und mannigfach ver-<lb/>
ä&#x017F;telt er&#x017F;cheinen, auf dem Boden der Gewä&#x017F;&#x017F;er einher und finden &#x017F;ich<lb/>
be&#x017F;onders im Meere in zahllo&#x017F;en Mengen.</p><lb/>
          <p>Die äußere Körperform der Rhizopoden bietet &#x017F;ehr mannigfache<lb/>
Ge&#x017F;taltverhältni&#x017F;&#x017F;e dar. Die mei&#x017F;ten der&#x017F;elben be&#x017F;itzen einen Panzer,<lb/>
der bald nur ein einziges Thier enthält, bald einen gemein&#x017F;chaftlichen<lb/>
Korallen&#x017F;tock für viele Thiere die&#x017F;er Art dar&#x017F;tellt. Durch ein oder viel-<lb/>
fache Löcher die&#x017F;es hornigen oder kalkigen Panzers werden die der<lb/>
Bewegung dienenden Fort&#x017F;ätze hervorge&#x017F;tülpt. Die kalkige Be&#x017F;chaffen-<lb/>
heit der Schale unter&#x017F;cheidet die Wurzelfüßer &#x017F;charf von den Jufu&#x017F;o-<lb/>
rien, bei welchen nur hornige oder kie&#x017F;elhaltige Schalen vorkommen.<lb/>
Nur wenige Wurzelfüßer &#x017F;ind ganz nackt oder haben nur einen hor-<lb/>
nigen oder lederartigen Panzer von der Form einer Büch&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Die Wurzelfüßer leben &#x017F;owohl in &#x017F;üßen Gewä&#x017F;&#x017F;ern als be&#x017F;on-<lb/>
ders in dem Meere und ihre Schalen &#x017F;ind in manchen Schichten der<lb/>
Erde in &#x017F;o ungeheurer Zahl aufgehäuft, daß man von der Kreide<lb/>
z. B. mit vollem Rechte behaupten kann, &#x017F;ie &#x017F;ei zum größten Theil<lb/>
nur aus mikro&#x017F;kopi&#x017F;chen Rhizopoden&#x017F;chalen zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt. Auch in<lb/>
un&#x017F;erer jetzigen Zeit be&#x017F;teht namentlich der feine Kalk&#x017F;and, welcher an<lb/>
&#x017F;o vielen Orten den Meeres&#x017F;trand bildet, &#x017F;einer Hauptma&#x017F;&#x017F;e nach aus<lb/>
&#x017F;olchen Rhizopoden und in dem Nieder&#x017F;chlage und dem Boden&#x017F;atze<lb/>
klarer Bäche, &#x017F;o wie an den Wa&#x017F;&#x017F;erpflanzen finden &#x017F;ie &#x017F;ich oft in<lb/>
großer Anzahl.</p><lb/>
          <p>Man theilt die Kla&#x017F;&#x017F;e der Rhizopoden in zwei Ordnungen ein.<lb/>
Die er&#x017F;te Ordnung oder die <hi rendition="#b">Einleibigen (<hi rendition="#aq">Monosomatia</hi>)</hi> um-<lb/>
faßt alle diejenigen Wurzelfüßer, welche nur aus einem einzigen Thiere<lb/>
be&#x017F;tehen und entweder nackt &#x017F;ind, oder in einer hornigen Kap&#x017F;el &#x017F;tecken,<lb/>
die nur eine einzige Oeffnung be&#x017F;itzt.</p><lb/>
          <p>Die vollkommen nackten Formen bilden die Familie der <hi rendition="#b">Wech&#x017F;el-<lb/>
thierchen</hi> <hi rendition="#i">(<hi rendition="#aq">Proteida</hi>)</hi>, Thiere unbe&#x017F;timmbarer Form und Größe,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Vogt. Zoologi&#x017F;che Briefe. <hi rendition="#aq">I.</hi> 6</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0087] aufgelöſt wird. Oft ſind die in ſolcher Weiſe aufgenommenen Gegen- ſtände ſo groß, daß das Thier nur eine Art von gallertartigem Ueber- zug über den in ſeinem Innern befindlichen Körper bildet, von wel- chem Ueberzug hie und da ſich einzelne Zacken ausſtülpen und wieder einziehen. Außer einer hellen Blaſe, welche ſich hin und wieder zu- ſammenzieht und die man als Anfang eines Organes zur Umtreibung der Säfte im Körper anſehen kann, und einem feſten, dunkleren Kerne, hat man noch keine innere Organiſation in dieſen Körpern beobach- ten können. Sie kriechen mittelſt ausſtülpbarer Fortſätze ihres Kör- pers, die bald dicker und fingerförmig, bald fein und mannigfach ver- äſtelt erſcheinen, auf dem Boden der Gewäſſer einher und finden ſich beſonders im Meere in zahlloſen Mengen. Die äußere Körperform der Rhizopoden bietet ſehr mannigfache Geſtaltverhältniſſe dar. Die meiſten derſelben beſitzen einen Panzer, der bald nur ein einziges Thier enthält, bald einen gemeinſchaftlichen Korallenſtock für viele Thiere dieſer Art darſtellt. Durch ein oder viel- fache Löcher dieſes hornigen oder kalkigen Panzers werden die der Bewegung dienenden Fortſätze hervorgeſtülpt. Die kalkige Beſchaffen- heit der Schale unterſcheidet die Wurzelfüßer ſcharf von den Jufuſo- rien, bei welchen nur hornige oder kieſelhaltige Schalen vorkommen. Nur wenige Wurzelfüßer ſind ganz nackt oder haben nur einen hor- nigen oder lederartigen Panzer von der Form einer Büchſe. Die Wurzelfüßer leben ſowohl in ſüßen Gewäſſern als beſon- ders in dem Meere und ihre Schalen ſind in manchen Schichten der Erde in ſo ungeheurer Zahl aufgehäuft, daß man von der Kreide z. B. mit vollem Rechte behaupten kann, ſie ſei zum größten Theil nur aus mikroſkopiſchen Rhizopodenſchalen zuſammengeſetzt. Auch in unſerer jetzigen Zeit beſteht namentlich der feine Kalkſand, welcher an ſo vielen Orten den Meeresſtrand bildet, ſeiner Hauptmaſſe nach aus ſolchen Rhizopoden und in dem Niederſchlage und dem Bodenſatze klarer Bäche, ſo wie an den Waſſerpflanzen finden ſie ſich oft in großer Anzahl. Man theilt die Klaſſe der Rhizopoden in zwei Ordnungen ein. Die erſte Ordnung oder die Einleibigen (Monosomatia) um- faßt alle diejenigen Wurzelfüßer, welche nur aus einem einzigen Thiere beſtehen und entweder nackt ſind, oder in einer hornigen Kapſel ſtecken, die nur eine einzige Oeffnung beſitzt. Die vollkommen nackten Formen bilden die Familie der Wechſel- thierchen (Proteida), Thiere unbeſtimmbarer Form und Größe, Vogt. Zoologiſche Briefe. I. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/87
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/87>, abgerufen am 27.04.2024.