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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Die Nasenhöhlen der Reptilien sind stets durch knorplige Na-
senmuscheln gestützt und unter allen Umständen in den Rachen, bald
mehr in der Mitte, bald ganz weit nach hinten, wie bei den Kroko-
dilen, geöffnet. Oft findet sich hier ein Gaumensegel, welches diese
hinteren Oeffnungen verschließen kann, und nicht minder häufig sind
auch an den vorderen Nasenöffnungen Klappenvorrichtungen ange-
bracht, durch welche dieselben beim Untertauchen vollständig geschlossen
werden können.

Die Augen sind gewöhnlich klein, zuweilen gänzlich unter der
Haut geborgen; die Augenlidbildungen oft sehr charakteristisch für
verschiedene Familien und Gruppen. Am einfachsten ist diese Bildung
bei den Schlangen, wo alle Augenlider fehlen und die Schichten der
Haut, da wo sie über den Augapfel weggehen, durchsichtig werden,
sich wölben und eine Kapsel bilden, welche wie ein Uhrglas in den
umgebenden Falz der Haut eingeschliffen ist und so den beweglichen
Apfel von vorn schützt. Die Thränenflüssigkeit füllt den Raum
zwischen dieser Kapsel und dem Augapfel aus und fließt durch einen
weiten Kanal an dem inneren Augenwinkel in die Nasenhöhle ab. Das
obere Augenlid ist bei allen übrigen Reptilien meist nur sehr wenig
ausgebildet und besteht gewöhnlich nur in einer steifen, halb knorpli-
gen Hautfalte, während das untere weit größer und beweglicher ist,
den ganzen Augapfel überziehen kann, oft von einem besonderen Kno-
chenblättchen gestützt ist und in anderen Fällen dem Sehloche gegen-
über eine durchsichtig geschliffene Stelle, einer Lorgnette ähnlich, besitzt.
Bei den meisten Eidechsen, den Schildkröten und Krokodilen tritt hierzu
noch die Nickhaut, die ebenfalls eine Knorpelplatte enthält und von
dem inneren Augenwinkel her mehr oder minder weit, zuweilen ganz
vollständig über das Auge herübergezogen werden kann. Ihre Existenz
ist stets mit derjenigen einer besonderen gelappten Drüse, der Har-
der'schen Drüse, verbunden. Vollkommen isolirt stehen die Chamäleons,
bei welchen ein kreisförmiges, dem großen vorgequollenen Augapfel
eng anliegendes Augenlid existirt, welches nur eine schmale Spalte
offen läßt. Die inneren Theile des Auges unterscheiden sich wenig
von denen der höheren Thiere und nur bei den Eidechsen kommt ein
innerer, faltenloser Vorsprung der Aderhaut vor, der sich an die Lin-
senkapsel ansetzt und dem Kamm des Vogelauges entspricht.

Das Gehörorgan zeichnet sich wesentlich vor demjenigen der
Lurche durch das erste Auftreten der Schnecke aus, die bald einen

Die Naſenhöhlen der Reptilien ſind ſtets durch knorplige Na-
ſenmuſcheln geſtützt und unter allen Umſtänden in den Rachen, bald
mehr in der Mitte, bald ganz weit nach hinten, wie bei den Kroko-
dilen, geöffnet. Oft findet ſich hier ein Gaumenſegel, welches dieſe
hinteren Oeffnungen verſchließen kann, und nicht minder häufig ſind
auch an den vorderen Naſenöffnungen Klappenvorrichtungen ange-
bracht, durch welche dieſelben beim Untertauchen vollſtändig geſchloſſen
werden können.

Die Augen ſind gewöhnlich klein, zuweilen gänzlich unter der
Haut geborgen; die Augenlidbildungen oft ſehr charakteriſtiſch für
verſchiedene Familien und Gruppen. Am einfachſten iſt dieſe Bildung
bei den Schlangen, wo alle Augenlider fehlen und die Schichten der
Haut, da wo ſie über den Augapfel weggehen, durchſichtig werden,
ſich wölben und eine Kapſel bilden, welche wie ein Uhrglas in den
umgebenden Falz der Haut eingeſchliffen iſt und ſo den beweglichen
Apfel von vorn ſchützt. Die Thränenflüſſigkeit füllt den Raum
zwiſchen dieſer Kapſel und dem Augapfel aus und fließt durch einen
weiten Kanal an dem inneren Augenwinkel in die Naſenhöhle ab. Das
obere Augenlid iſt bei allen übrigen Reptilien meiſt nur ſehr wenig
ausgebildet und beſteht gewöhnlich nur in einer ſteifen, halb knorpli-
gen Hautfalte, während das untere weit größer und beweglicher iſt,
den ganzen Augapfel überziehen kann, oft von einem beſonderen Kno-
chenblättchen geſtützt iſt und in anderen Fällen dem Sehloche gegen-
über eine durchſichtig geſchliffene Stelle, einer Lorgnette ähnlich, beſitzt.
Bei den meiſten Eidechſen, den Schildkröten und Krokodilen tritt hierzu
noch die Nickhaut, die ebenfalls eine Knorpelplatte enthält und von
dem inneren Augenwinkel her mehr oder minder weit, zuweilen ganz
vollſtändig über das Auge herübergezogen werden kann. Ihre Exiſtenz
iſt ſtets mit derjenigen einer beſonderen gelappten Drüſe, der Har-
der’ſchen Drüſe, verbunden. Vollkommen iſolirt ſtehen die Chamäleons,
bei welchen ein kreisförmiges, dem großen vorgequollenen Augapfel
eng anliegendes Augenlid exiſtirt, welches nur eine ſchmale Spalte
offen läßt. Die inneren Theile des Auges unterſcheiden ſich wenig
von denen der höheren Thiere und nur bei den Eidechſen kommt ein
innerer, faltenloſer Vorſprung der Aderhaut vor, der ſich an die Lin-
ſenkapſel anſetzt und dem Kamm des Vogelauges entſpricht.

Das Gehörorgan zeichnet ſich weſentlich vor demjenigen der
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[235/0241] Die Naſenhöhlen der Reptilien ſind ſtets durch knorplige Na- ſenmuſcheln geſtützt und unter allen Umſtänden in den Rachen, bald mehr in der Mitte, bald ganz weit nach hinten, wie bei den Kroko- dilen, geöffnet. Oft findet ſich hier ein Gaumenſegel, welches dieſe hinteren Oeffnungen verſchließen kann, und nicht minder häufig ſind auch an den vorderen Naſenöffnungen Klappenvorrichtungen ange- bracht, durch welche dieſelben beim Untertauchen vollſtändig geſchloſſen werden können. Die Augen ſind gewöhnlich klein, zuweilen gänzlich unter der Haut geborgen; die Augenlidbildungen oft ſehr charakteriſtiſch für verſchiedene Familien und Gruppen. Am einfachſten iſt dieſe Bildung bei den Schlangen, wo alle Augenlider fehlen und die Schichten der Haut, da wo ſie über den Augapfel weggehen, durchſichtig werden, ſich wölben und eine Kapſel bilden, welche wie ein Uhrglas in den umgebenden Falz der Haut eingeſchliffen iſt und ſo den beweglichen Apfel von vorn ſchützt. Die Thränenflüſſigkeit füllt den Raum zwiſchen dieſer Kapſel und dem Augapfel aus und fließt durch einen weiten Kanal an dem inneren Augenwinkel in die Naſenhöhle ab. Das obere Augenlid iſt bei allen übrigen Reptilien meiſt nur ſehr wenig ausgebildet und beſteht gewöhnlich nur in einer ſteifen, halb knorpli- gen Hautfalte, während das untere weit größer und beweglicher iſt, den ganzen Augapfel überziehen kann, oft von einem beſonderen Kno- chenblättchen geſtützt iſt und in anderen Fällen dem Sehloche gegen- über eine durchſichtig geſchliffene Stelle, einer Lorgnette ähnlich, beſitzt. Bei den meiſten Eidechſen, den Schildkröten und Krokodilen tritt hierzu noch die Nickhaut, die ebenfalls eine Knorpelplatte enthält und von dem inneren Augenwinkel her mehr oder minder weit, zuweilen ganz vollſtändig über das Auge herübergezogen werden kann. Ihre Exiſtenz iſt ſtets mit derjenigen einer beſonderen gelappten Drüſe, der Har- der’ſchen Drüſe, verbunden. Vollkommen iſolirt ſtehen die Chamäleons, bei welchen ein kreisförmiges, dem großen vorgequollenen Augapfel eng anliegendes Augenlid exiſtirt, welches nur eine ſchmale Spalte offen läßt. Die inneren Theile des Auges unterſcheiden ſich wenig von denen der höheren Thiere und nur bei den Eidechſen kommt ein innerer, faltenloſer Vorſprung der Aderhaut vor, der ſich an die Lin- ſenkapſel anſetzt und dem Kamm des Vogelauges entſpricht. Das Gehörorgan zeichnet ſich weſentlich vor demjenigen der Lurche durch das erſte Auftreten der Schnecke aus, die bald einen

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/241>, abgerufen am 29.04.2024.