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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Fledermäuse, denen man die Augen zerstört hat, vermieden im Fluge
eben so geschickt alle Arten von Hindernissen, ja selbst hängende Bind-
faden, wie solche, deren Augen unversehrt gelassen worden waren,
während die Zerstörung dieser Hautlappen den Flug der Thiere fast
unmöglich macht. Die meisten Fledermäuse nähren sich nur von
Abend- und Nachtinsekten, die sie im Fluge mit großer Geschicklichkeit
schnappen; einige südliche Arten (Phyllostoma; Glossophaga) aber
saugen wirklich das Blut lebender größerer Thiere, die sie im Schlafe
überfallen. Sie bilden zu diesem Endzwecke mit den fest aufgepreßten

[Abbildung] Fig. 1448. Fig. 1449. Fig. 1450.

Fig. 1448. Kopf des Vampyr's (Phyllostoma bastatum). Fig. 1449. Die Zähne von
vorn. Fig. 1450. Der Schädel von der Seite.

Lippen eine Art Schröpfkopf, verwunden die aufgetriebene und un-
empfindlich gewordene Haut mit den scharfen, ganz vorn im Munde
stehenden Eckzähnen und erweitern die Wunde mittelst der Zunge so,
daß eine trichterförmige Oeffnung entsteht. Bei einigen Arten dieser
Vampyre (Glossophaga) besitzt die lange Zunge sogar eine rinnenför-
mige Scheide, deren Ränder sich zu einer wahren Saugröhre zusam-
menlegen. Man kann unter den Fledermäusen mehrere Gruppen
unterscheiden: Die Vampyre mit großen Eckzähnen und einem
Nagelgliede an dem Mittelfinger der Flughaut (Phyllostoma; Glosso-
phaga; Stenoderma; Desmodus)
; die Ballenfledermäuse (Nycte-
ris)
; und die eigentlichen Fledermäuse, die beiden letzteren
ohne Nagelglieder an den Fingern. (Megaderma; Rhinolophus; Ta-
phozous; Molossus; Vespertilio)
.

Die fliegenden Hunde (Frugivora), die nur in südlichen Klima-
ten vorkommen, sind einzig nur auf Pflanzennahrung angewiesen und
zeigen eine dieser entsprechende Ausbildung der Zähne. Es finden

Fledermäuſe, denen man die Augen zerſtört hat, vermieden im Fluge
eben ſo geſchickt alle Arten von Hinderniſſen, ja ſelbſt hängende Bind-
faden, wie ſolche, deren Augen unverſehrt gelaſſen worden waren,
während die Zerſtörung dieſer Hautlappen den Flug der Thiere faſt
unmöglich macht. Die meiſten Fledermäuſe nähren ſich nur von
Abend- und Nachtinſekten, die ſie im Fluge mit großer Geſchicklichkeit
ſchnappen; einige ſüdliche Arten (Phyllostoma; Glossophaga) aber
ſaugen wirklich das Blut lebender größerer Thiere, die ſie im Schlafe
überfallen. Sie bilden zu dieſem Endzwecke mit den feſt aufgepreßten

[Abbildung] Fig. 1448. Fig. 1449. Fig. 1450.

Fig. 1448. Kopf des Vampyr’s (Phyllostoma bastatum). Fig. 1449. Die Zähne von
vorn. Fig. 1450. Der Schädel von der Seite.

Lippen eine Art Schröpfkopf, verwunden die aufgetriebene und un-
empfindlich gewordene Haut mit den ſcharfen, ganz vorn im Munde
ſtehenden Eckzähnen und erweitern die Wunde mittelſt der Zunge ſo,
daß eine trichterförmige Oeffnung entſteht. Bei einigen Arten dieſer
Vampyre (Glossophaga) beſitzt die lange Zunge ſogar eine rinnenför-
mige Scheide, deren Ränder ſich zu einer wahren Saugröhre zuſam-
menlegen. Man kann unter den Fledermäuſen mehrere Gruppen
unterſcheiden: Die Vampyre mit großen Eckzähnen und einem
Nagelgliede an dem Mittelfinger der Flughaut (Phyllostoma; Glosso-
phaga; Stenoderma; Desmodus)
; die Ballenfledermäuſe (Nycte-
ris)
; und die eigentlichen Fledermäuſe, die beiden letzteren
ohne Nagelglieder an den Fingern. (Megaderma; Rhinolophus; Ta-
phozous; Molossus; Vespertilio)
.

Die fliegenden Hunde (Frugivora), die nur in ſüdlichen Klima-
ten vorkommen, ſind einzig nur auf Pflanzennahrung angewieſen und
zeigen eine dieſer entſprechende Ausbildung der Zähne. Es finden

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[509/0515] Fledermäuſe, denen man die Augen zerſtört hat, vermieden im Fluge eben ſo geſchickt alle Arten von Hinderniſſen, ja ſelbſt hängende Bind- faden, wie ſolche, deren Augen unverſehrt gelaſſen worden waren, während die Zerſtörung dieſer Hautlappen den Flug der Thiere faſt unmöglich macht. Die meiſten Fledermäuſe nähren ſich nur von Abend- und Nachtinſekten, die ſie im Fluge mit großer Geſchicklichkeit ſchnappen; einige ſüdliche Arten (Phyllostoma; Glossophaga) aber ſaugen wirklich das Blut lebender größerer Thiere, die ſie im Schlafe überfallen. Sie bilden zu dieſem Endzwecke mit den feſt aufgepreßten [Abbildung Fig. 1448. Fig. 1449. Fig. 1450. Fig. 1448. Kopf des Vampyr’s (Phyllostoma bastatum). Fig. 1449. Die Zähne von vorn. Fig. 1450. Der Schädel von der Seite.] Lippen eine Art Schröpfkopf, verwunden die aufgetriebene und un- empfindlich gewordene Haut mit den ſcharfen, ganz vorn im Munde ſtehenden Eckzähnen und erweitern die Wunde mittelſt der Zunge ſo, daß eine trichterförmige Oeffnung entſteht. Bei einigen Arten dieſer Vampyre (Glossophaga) beſitzt die lange Zunge ſogar eine rinnenför- mige Scheide, deren Ränder ſich zu einer wahren Saugröhre zuſam- menlegen. Man kann unter den Fledermäuſen mehrere Gruppen unterſcheiden: Die Vampyre mit großen Eckzähnen und einem Nagelgliede an dem Mittelfinger der Flughaut (Phyllostoma; Glosso- phaga; Stenoderma; Desmodus); die Ballenfledermäuſe (Nycte- ris); und die eigentlichen Fledermäuſe, die beiden letzteren ohne Nagelglieder an den Fingern. (Megaderma; Rhinolophus; Ta- phozous; Molossus; Vespertilio). Die fliegenden Hunde (Frugivora), die nur in ſüdlichen Klima- ten vorkommen, ſind einzig nur auf Pflanzennahrung angewieſen und zeigen eine dieſer entſprechende Ausbildung der Zähne. Es finden

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/515>, abgerufen am 07.05.2024.