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Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

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Regungen der Insektenwelt; das Summen und Weben in Blumen und Hainen, die emsige Geschäftigkeit, die sorglose Freude in der freien Natur - jede Bewegung der Thätigkeit und des Fleißes ist ihnen verhaßt. Die Zeiten der Betäubung, des geistigen Schlafes, der physischen Depression sind die Zeiten ihrer Ernte. Leisen Schrittes verlassen sie dann ihre Schlupfwinkel; langsam und bedächtig wagen sie sich zwischen schlafende Thiere und Menschen; sorgsam spähen sie mit den langen Fühlhörnern, mit den schwarzen Augen umher; behutsam bergen sie die Krallen, indem sie sachte tastend umherschleichen. Der Strahl des Lichtes, das Geräusch des Lebens verscheucht sie; schwarzen Schatten gleich huschen sie beim ersten Blicke des jungen Tages oder beim plötzlichen Erscheinen einer Leuchte über den Boden hin, um in ihren Löchern zu verschwinden. Ihre Ausdünstung ist ekelhaft und betäubend - wo sie sich anhäufen, ziehen sich die lebenden Geschöpfe nach und nach zurück, um ihnen die Wohnung allein zu überlassen. Haben sie aber einmal Wurzel an einem Orte gefaßt, so vermehren sie sich in's Unglaubliche - denn es sind Männlein und Weiblein, die sich nur durch den Schnitt und die Form der schwarzen Kutte unterscheiden. Die Jungen sind klein, listig, gewandt, schnell, von der Form der Alten, aber weit kleiner und flügellos. Man sieht nie ein Junges allein - stets sind sie in Schwärmen zusammen, wie Ameisen, und meist ein oder zwei Alte als Anführer.

Ein gefräßig Thier! Ein zerstörend Thier! Nichts ist vor ihren starken, mit scharfen Zähnen bewaffneten Kiefern sicher. Die Vorräthe, welche andere Thiere mit Mühe und Noth sich gesammelt haben, werden von ihnen verzehrt; sie nehmen sich das Beste und beschmutzen das Uebrige; was

Regungen der Insektenwelt; das Summen und Weben in Blumen und Hainen, die emsige Geschäftigkeit, die sorglose Freude in der freien Natur – jede Bewegung der Thätigkeit und des Fleißes ist ihnen verhaßt. Die Zeiten der Betäubung, des geistigen Schlafes, der physischen Depression sind die Zeiten ihrer Ernte. Leisen Schrittes verlassen sie dann ihre Schlupfwinkel; langsam und bedächtig wagen sie sich zwischen schlafende Thiere und Menschen; sorgsam spähen sie mit den langen Fühlhörnern, mit den schwarzen Augen umher; behutsam bergen sie die Krallen, indem sie sachte tastend umherschleichen. Der Strahl des Lichtes, das Geräusch des Lebens verscheucht sie; schwarzen Schatten gleich huschen sie beim ersten Blicke des jungen Tages oder beim plötzlichen Erscheinen einer Leuchte über den Boden hin, um in ihren Löchern zu verschwinden. Ihre Ausdünstung ist ekelhaft und betäubend – wo sie sich anhäufen, ziehen sich die lebenden Geschöpfe nach und nach zurück, um ihnen die Wohnung allein zu überlassen. Haben sie aber einmal Wurzel an einem Orte gefaßt, so vermehren sie sich in’s Unglaubliche – denn es sind Männlein und Weiblein, die sich nur durch den Schnitt und die Form der schwarzen Kutte unterscheiden. Die Jungen sind klein, listig, gewandt, schnell, von der Form der Alten, aber weit kleiner und flügellos. Man sieht nie ein Junges allein – stets sind sie in Schwärmen zusammen, wie Ameisen, und meist ein oder zwei Alte als Anführer.

Ein gefräßig Thier! Ein zerstörend Thier! Nichts ist vor ihren starken, mit scharfen Zähnen bewaffneten Kiefern sicher. Die Vorräthe, welche andere Thiere mit Mühe und Noth sich gesammelt haben, werden von ihnen verzehrt; sie nehmen sich das Beste und beschmutzen das Uebrige; was

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[129/0157] Regungen der Insektenwelt; das Summen und Weben in Blumen und Hainen, die emsige Geschäftigkeit, die sorglose Freude in der freien Natur – jede Bewegung der Thätigkeit und des Fleißes ist ihnen verhaßt. Die Zeiten der Betäubung, des geistigen Schlafes, der physischen Depression sind die Zeiten ihrer Ernte. Leisen Schrittes verlassen sie dann ihre Schlupfwinkel; langsam und bedächtig wagen sie sich zwischen schlafende Thiere und Menschen; sorgsam spähen sie mit den langen Fühlhörnern, mit den schwarzen Augen umher; behutsam bergen sie die Krallen, indem sie sachte tastend umherschleichen. Der Strahl des Lichtes, das Geräusch des Lebens verscheucht sie; schwarzen Schatten gleich huschen sie beim ersten Blicke des jungen Tages oder beim plötzlichen Erscheinen einer Leuchte über den Boden hin, um in ihren Löchern zu verschwinden. Ihre Ausdünstung ist ekelhaft und betäubend – wo sie sich anhäufen, ziehen sich die lebenden Geschöpfe nach und nach zurück, um ihnen die Wohnung allein zu überlassen. Haben sie aber einmal Wurzel an einem Orte gefaßt, so vermehren sie sich in’s Unglaubliche – denn es sind Männlein und Weiblein, die sich nur durch den Schnitt und die Form der schwarzen Kutte unterscheiden. Die Jungen sind klein, listig, gewandt, schnell, von der Form der Alten, aber weit kleiner und flügellos. Man sieht nie ein Junges allein – stets sind sie in Schwärmen zusammen, wie Ameisen, und meist ein oder zwei Alte als Anführer. Ein gefräßig Thier! Ein zerstörend Thier! Nichts ist vor ihren starken, mit scharfen Zähnen bewaffneten Kiefern sicher. Die Vorräthe, welche andere Thiere mit Mühe und Noth sich gesammelt haben, werden von ihnen verzehrt; sie nehmen sich das Beste und beschmutzen das Uebrige; was

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/157>, abgerufen am 27.04.2024.