Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Seit den ältesten Zeiten ist der Bienenstaat bekannt; unzählige Beobachter haben ihren Scharfsinn daran erprobt, ihrer Phantasie bei seiner Betrachtung freien Spielraum gelassen. Ein Urtypus monarchischer Einrichtung war er schon den Griechen - und dennoch konnte die Nähe des Hymettos die Athenienser nicht überzeugen, daß die monarchische Staatsform die beste sei. Die Unglücklichen! Sie hatten wohl einen Demosthenes, aber keinen Dahlmann, der sie von der Nothwendigkeit hätte überzeugen können, daß die "alten Esel" auf den Thron ihrer Vorfahren kommen müßten. Die Athenienser aßen den süßen Honig, brannten das weiße Wachs der Bienen des Hymettos und blieben, trotz des monarchischen Beispiels, Republikaner, die ihre Staatsgeschäfte sogar auf offenem Markte und nicht wie die monarchischen Bienen, in wohl verschlossenem, dunkelem Kämmerlein abthaten.

Möge diese souveräne Verachtung des Thierbeispiels fern von unserer civilisirten Epoche bleiben. Sie würde sich furchtbar rächen, so wie sie sich an den Atheniensern oder den arkadischen Schäfern gerächt hat, die in paradiesischer Unschuld ihren schwärmenden Bienen auf der Hirtenflöte Concerte gaben, ohne die tiefe Bedeutung zu ahnen, welche in diesem Schwärmen, in dem ganzen Leben und Weben dieser unscheinbaren Thiere ihnen entgegen treten konnte.

Seit den ältesten Zeiten ist der Bienenstaat bekannt; unzählige Beobachter haben ihren Scharfsinn daran erprobt, ihrer Phantasie bei seiner Betrachtung freien Spielraum gelassen. Ein Urtypus monarchischer Einrichtung war er schon den Griechen – und dennoch konnte die Nähe des Hymettos die Athenienser nicht überzeugen, daß die monarchische Staatsform die beste sei. Die Unglücklichen! Sie hatten wohl einen Demosthenes, aber keinen Dahlmann, der sie von der Nothwendigkeit hätte überzeugen können, daß die „alten Esel“ auf den Thron ihrer Vorfahren kommen müßten. Die Athenienser aßen den süßen Honig, brannten das weiße Wachs der Bienen des Hymettos und blieben, trotz des monarchischen Beispiels, Republikaner, die ihre Staatsgeschäfte sogar auf offenem Markte und nicht wie die monarchischen Bienen, in wohl verschlossenem, dunkelem Kämmerlein abthaten.

Möge diese souveräne Verachtung des Thierbeispiels fern von unserer civilisirten Epoche bleiben. Sie würde sich furchtbar rächen, so wie sie sich an den Atheniensern oder den arkadischen Schäfern gerächt hat, die in paradiesischer Unschuld ihren schwärmenden Bienen auf der Hirtenflöte Concerte gaben, ohne die tiefe Bedeutung zu ahnen, welche in diesem Schwärmen, in dem ganzen Leben und Weben dieser unscheinbaren Thiere ihnen entgegen treten konnte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0061" n="35"/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>eit den ältesten Zeiten ist der Bienenstaat bekannt; unzählige Beobachter haben ihren Scharfsinn daran erprobt, ihrer Phantasie bei seiner Betrachtung freien Spielraum gelassen. Ein Urtypus monarchischer Einrichtung war er schon den Griechen &#x2013; und dennoch konnte die Nähe des Hymettos die Athenienser nicht überzeugen, daß die monarchische Staatsform die beste sei. Die Unglücklichen! Sie hatten wohl einen Demosthenes, aber keinen Dahlmann, der sie von der Nothwendigkeit hätte überzeugen können, daß die &#x201E;alten Esel&#x201C; auf den Thron ihrer Vorfahren kommen müßten. Die Athenienser aßen den süßen Honig, brannten das weiße Wachs der Bienen des Hymettos und blieben, trotz des monarchischen Beispiels, Republikaner, die ihre Staatsgeschäfte sogar auf offenem Markte und nicht wie die monarchischen Bienen, in wohl verschlossenem, dunkelem Kämmerlein abthaten.</p>
        <p>Möge diese souveräne Verachtung des Thierbeispiels fern von unserer civilisirten Epoche bleiben. Sie würde sich furchtbar rächen, so wie sie sich an den Atheniensern oder den arkadischen Schäfern gerächt hat, die in paradiesischer Unschuld ihren schwärmenden Bienen auf der Hirtenflöte Concerte gaben, ohne die tiefe Bedeutung zu ahnen, welche in diesem Schwärmen, in dem ganzen Leben und Weben dieser unscheinbaren Thiere ihnen entgegen treten konnte.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0061] Seit den ältesten Zeiten ist der Bienenstaat bekannt; unzählige Beobachter haben ihren Scharfsinn daran erprobt, ihrer Phantasie bei seiner Betrachtung freien Spielraum gelassen. Ein Urtypus monarchischer Einrichtung war er schon den Griechen – und dennoch konnte die Nähe des Hymettos die Athenienser nicht überzeugen, daß die monarchische Staatsform die beste sei. Die Unglücklichen! Sie hatten wohl einen Demosthenes, aber keinen Dahlmann, der sie von der Nothwendigkeit hätte überzeugen können, daß die „alten Esel“ auf den Thron ihrer Vorfahren kommen müßten. Die Athenienser aßen den süßen Honig, brannten das weiße Wachs der Bienen des Hymettos und blieben, trotz des monarchischen Beispiels, Republikaner, die ihre Staatsgeschäfte sogar auf offenem Markte und nicht wie die monarchischen Bienen, in wohl verschlossenem, dunkelem Kämmerlein abthaten. Möge diese souveräne Verachtung des Thierbeispiels fern von unserer civilisirten Epoche bleiben. Sie würde sich furchtbar rächen, so wie sie sich an den Atheniensern oder den arkadischen Schäfern gerächt hat, die in paradiesischer Unschuld ihren schwärmenden Bienen auf der Hirtenflöte Concerte gaben, ohne die tiefe Bedeutung zu ahnen, welche in diesem Schwärmen, in dem ganzen Leben und Weben dieser unscheinbaren Thiere ihnen entgegen treten konnte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/61
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/61>, abgerufen am 29.04.2024.