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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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die Heldenseele prägt die erhabenste männliche
Schönheit aus.

Auch die Seele des Tugendhaften, entgegnete
sein Lehrer. Es giebt Feinde genug in der ei¬
genen Brust zu überwinden, der Sieg über sie
ist eben so glorreich, ja vielleicht noch mehr.

Die Reise ging jetzt zu der nördlichen Pro¬
vinz hin, vor Zeiten das europäische Rußland
genannt. Man bediente sich dazu einen von den
Frachtwagen, die südliche Erzeugungen dorthin,
und nördliche nach den mittäglichen Gegenden
brachten.

Zu dem Ende waren hier, wie meistens im
ganzen Staate, herrliche Kunststraßen angelegt.
Sie hatten eine Breite von zweihundert Schu¬
hen, und waren in der Tiefe von funfzig Schu¬
hen, mit gestampftem Granit festgerammt. Je
mehr größere und kleinere Straßen der Art es
schon gab, je leichter fiel es auch, deren neue
zu bahnen und die Steine nach den Gegenden
zu schaffen, wo sie mangelten.

Auf der Straße von Konstantinopel waren
Wagen mit zwei Rädern gebräuchlich. Jedes
Rad hatte aber einen Durchmesser von funfzig
Schuhen. Jede seiner Speichen bestand aus einem

die Heldenſeele praͤgt die erhabenſte maͤnnliche
Schoͤnheit aus.

Auch die Seele des Tugendhaften, entgegnete
ſein Lehrer. Es giebt Feinde genug in der ei¬
genen Bruſt zu uͤberwinden, der Sieg uͤber ſie
iſt eben ſo glorreich, ja vielleicht noch mehr.

Die Reiſe ging jetzt zu der noͤrdlichen Pro¬
vinz hin, vor Zeiten das europaͤiſche Rußland
genannt. Man bediente ſich dazu einen von den
Frachtwagen, die ſuͤdliche Erzeugungen dorthin,
und noͤrdliche nach den mittaͤglichen Gegenden
brachten.

Zu dem Ende waren hier, wie meiſtens im
ganzen Staate, herrliche Kunſtſtraßen angelegt.
Sie hatten eine Breite von zweihundert Schu¬
hen, und waren in der Tiefe von funfzig Schu¬
hen, mit geſtampftem Granit feſtgerammt. Je
mehr groͤßere und kleinere Straßen der Art es
ſchon gab, je leichter fiel es auch, deren neue
zu bahnen und die Steine nach den Gegenden
zu ſchaffen, wo ſie mangelten.

Auf der Straße von Konſtantinopel waren
Wagen mit zwei Raͤdern gebraͤuchlich. Jedes
Rad hatte aber einen Durchmeſſer von funfzig
Schuhen. Jede ſeiner Speichen beſtand aus einem

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[77/0089] die Heldenſeele praͤgt die erhabenſte maͤnnliche Schoͤnheit aus. Auch die Seele des Tugendhaften, entgegnete ſein Lehrer. Es giebt Feinde genug in der ei¬ genen Bruſt zu uͤberwinden, der Sieg uͤber ſie iſt eben ſo glorreich, ja vielleicht noch mehr. Die Reiſe ging jetzt zu der noͤrdlichen Pro¬ vinz hin, vor Zeiten das europaͤiſche Rußland genannt. Man bediente ſich dazu einen von den Frachtwagen, die ſuͤdliche Erzeugungen dorthin, und noͤrdliche nach den mittaͤglichen Gegenden brachten. Zu dem Ende waren hier, wie meiſtens im ganzen Staate, herrliche Kunſtſtraßen angelegt. Sie hatten eine Breite von zweihundert Schu¬ hen, und waren in der Tiefe von funfzig Schu¬ hen, mit geſtampftem Granit feſtgerammt. Je mehr groͤßere und kleinere Straßen der Art es ſchon gab, je leichter fiel es auch, deren neue zu bahnen und die Steine nach den Gegenden zu ſchaffen, wo ſie mangelten. Auf der Straße von Konſtantinopel waren Wagen mit zwei Raͤdern gebraͤuchlich. Jedes Rad hatte aber einen Durchmeſſer von funfzig Schuhen. Jede ſeiner Speichen beſtand aus einem

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/89>, abgerufen am 26.04.2024.