Alles, alles, Theodor! alles ist anders. Meine ganze Seele ist voll von Einem.
Gestern wollt' ich dir schreiben. Jch konnte nicht.
Was war all' mein Wesen bisher? Ein elend unbedeutend Stümperwerk. Wem zu Lieb hab' ich gearbeitet! Hab' ich eine Empfindung gehabt, eine, so lang' ich lebe, gegen die, die jetzt wie der Aether, der ewige, unveränderliche, mich umwe- het? Alles, alles war nichts.
War mir das Leben bisher mehr als der Dia- mant, der leuchtet, aber nicht erwärmt? Ach ganz, ganz hat meine Ahnung sich enthüllt. So mußt' es kommen.
Jch träumte wohl schon von solcher Seligkeit, aber das Erwachen war mein größter Schmerz. Und das ist wirklich, wahrhaft!
Phaethon an Theodor.
Alles, alles, Theodor! alles iſt anders. Meine ganze Seele iſt voll von Einem.
Geſtern wollt’ ich dir ſchreiben. Jch konnte nicht.
Was war all’ mein Weſen bisher? Ein elend unbedeutend Stuͤmperwerk. Wem zu Lieb hab’ ich gearbeitet! Hab’ ich eine Empfindung gehabt, eine, ſo lang’ ich lebe, gegen die, die jetzt wie der Aether, der ewige, unveraͤnderliche, mich umwe- het? Alles, alles war nichts.
War mir das Leben bisher mehr als der Dia- mant, der leuchtet, aber nicht erwaͤrmt? Ach ganz, ganz hat meine Ahnung ſich enthuͤllt. So mußt’ es kommen.
Jch traͤumte wohl ſchon von ſolcher Seligkeit, aber das Erwachen war mein groͤßter Schmerz. Und das iſt wirklich, wahrhaft!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0066"n="56"/><divn="3"><head><hirendition="#g">Phaethon an Theodor.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>lles, alles, Theodor! alles iſt anders. Meine<lb/>
ganze Seele iſt voll von Einem.</p><lb/><p>Geſtern wollt’ ich dir ſchreiben. Jch konnte<lb/>
nicht.</p><lb/><p>Was war all’ mein Weſen bisher? Ein elend<lb/>
unbedeutend Stuͤmperwerk. Wem zu Lieb hab’ ich<lb/>
gearbeitet! Hab’ ich eine Empfindung gehabt, eine,<lb/>ſo lang’ ich lebe, gegen die, die jetzt wie der<lb/>
Aether, der ewige, unveraͤnderliche, mich umwe-<lb/>
het? Alles, alles war nichts.</p><lb/><p>War mir das Leben bisher mehr als der Dia-<lb/>
mant, der leuchtet, aber nicht erwaͤrmt? Ach ganz,<lb/>
ganz hat meine Ahnung ſich enthuͤllt. So mußt’<lb/>
es kommen.</p><lb/><p>Jch traͤumte wohl ſchon von ſolcher Seligkeit,<lb/>
aber das Erwachen war mein groͤßter Schmerz.<lb/>
Und das iſt wirklich, wahrhaft!</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[56/0066]
Phaethon an Theodor.
Alles, alles, Theodor! alles iſt anders. Meine
ganze Seele iſt voll von Einem.
Geſtern wollt’ ich dir ſchreiben. Jch konnte
nicht.
Was war all’ mein Weſen bisher? Ein elend
unbedeutend Stuͤmperwerk. Wem zu Lieb hab’ ich
gearbeitet! Hab’ ich eine Empfindung gehabt, eine,
ſo lang’ ich lebe, gegen die, die jetzt wie der
Aether, der ewige, unveraͤnderliche, mich umwe-
het? Alles, alles war nichts.
War mir das Leben bisher mehr als der Dia-
mant, der leuchtet, aber nicht erwaͤrmt? Ach ganz,
ganz hat meine Ahnung ſich enthuͤllt. So mußt’
es kommen.
Jch traͤumte wohl ſchon von ſolcher Seligkeit,
aber das Erwachen war mein groͤßter Schmerz.
Und das iſt wirklich, wahrhaft!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/66>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.