Cäcilie, sagt' er, und Atalanta. Mir war's, als würd' ich in das Heiligthum der Ordnung und der Schönheit treten. Den Eingang zierten ein Paar schlanke Säulen. Ein verwelkter Kranz lag an der Vase der einen. Mit jedem Tritte ward ich feyer- licher gestimmt.
Da standen wir vor einer weißen Thüre. Ca- ton öffnete sie, und -- mir raubte das Entzücken alle Sinne -- Atalanta sah mein Auge.
Geist und Gemüth, wie entzückte, liebende, sich umarmende Kinder, wirbelten hinan, küßten sich, verloren sich, wie blaue fromme, himmel- trunk'ne Augen, in unermeßlichen Fernen.
Sie saß am Fenster: ihr Köpfchen lag auf den nackten Armen. Jhre Locken flossen, wie Wellen, über den Nacken. Ein weißes Gewand umschwebte, wie eine dünne Wolke, die schönen jungen Glieder. Zu ihren Füßen stand ein Korb mit frischen Blu- men und Früchten. Sie sah sich um und erblickte mich. Theodor! dieses Engelsauge, das lieblich überrascht auf den jungen Busen sich senkte, und die sanften Worte, die wie Lautenklänge, sich schmei- chelnd in meine Sinne drängten -- und das schüch- terne Erröthen der Jungfrau auf den vollen Ju-
Caͤcilie, ſagt’ er, und Atalanta. Mir war’s, als wuͤrd’ ich in das Heiligthum der Ordnung und der Schoͤnheit treten. Den Eingang zierten ein Paar ſchlanke Saͤulen. Ein verwelkter Kranz lag an der Vaſe der einen. Mit jedem Tritte ward ich feyer- licher geſtimmt.
Da ſtanden wir vor einer weißen Thuͤre. Ca- ton oͤffnete ſie, und — mir raubte das Entzuͤcken alle Sinne — Atalanta ſah mein Auge.
Geiſt und Gemuͤth, wie entzuͤckte, liebende, ſich umarmende Kinder, wirbelten hinan, kuͤßten ſich, verloren ſich, wie blaue fromme, himmel- trunk’ne Augen, in unermeßlichen Fernen.
Sie ſaß am Fenſter: ihr Koͤpfchen lag auf den nackten Armen. Jhre Locken floſſen, wie Wellen, uͤber den Nacken. Ein weißes Gewand umſchwebte, wie eine duͤnne Wolke, die ſchoͤnen jungen Glieder. Zu ihren Fuͤßen ſtand ein Korb mit friſchen Blu- men und Fruͤchten. Sie ſah ſich um und erblickte mich. Theodor! dieſes Engelsauge, das lieblich uͤberraſcht auf den jungen Buſen ſich ſenkte, und die ſanften Worte, die wie Lautenklaͤnge, ſich ſchmei- chelnd in meine Sinne draͤngten — und das ſchuͤch- terne Erroͤthen der Jungfrau auf den vollen Ju-
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Caͤcilie, ſagt’ er, und Atalanta. Mir war’s, als
wuͤrd’ ich in das Heiligthum der Ordnung und der
Schoͤnheit treten. Den Eingang zierten ein Paar
ſchlanke Saͤulen. Ein verwelkter Kranz lag an der
Vaſe der einen. Mit jedem Tritte ward ich feyer-
licher geſtimmt.
Da ſtanden wir vor einer weißen Thuͤre. Ca-
ton oͤffnete ſie, und — mir raubte das Entzuͤcken
alle Sinne — Atalanta ſah mein Auge.
Geiſt und Gemuͤth, wie entzuͤckte, liebende,
ſich umarmende Kinder, wirbelten hinan, kuͤßten
ſich, verloren ſich, wie blaue fromme, himmel-
trunk’ne Augen, in unermeßlichen Fernen.
Sie ſaß am Fenſter: ihr Koͤpfchen lag auf den
nackten Armen. Jhre Locken floſſen, wie Wellen,
uͤber den Nacken. Ein weißes Gewand umſchwebte,
wie eine duͤnne Wolke, die ſchoͤnen jungen Glieder.
Zu ihren Fuͤßen ſtand ein Korb mit friſchen Blu-
men und Fruͤchten. Sie ſah ſich um und erblickte
mich. Theodor! dieſes Engelsauge, das lieblich
uͤberraſcht auf den jungen Buſen ſich ſenkte, und
die ſanften Worte, die wie Lautenklaͤnge, ſich ſchmei-
chelnd in meine Sinne draͤngten — und das ſchuͤch-
terne Erroͤthen der Jungfrau auf den vollen Ju-
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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/81>, abgerufen am 16.06.2024.
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