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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Hauche ... er ist's, der Gott der Liebe ist's.
Wir wandeln auf seiner Erde, die Abbilder seiner
Schönheit und Fülle und liebend drückt er uns täg-
lich an seinen Busen. Er küßt uns, der unsicht-
bare himmlische Vater, mit dem Strahle des Mon-
des und der Sonne die Wangen, wie seinen gelieb-
ten Kindern. Er spricht aus jeder Blume zu un-
serm Herzen im Geiste seiner Mäßigung und Größe.

Ja, sagte Atalanta, wir wollen nicht mehr
weinen. Er ist ja unser Vater, wir sind seine
Kinder. Wer ist es, Phaethon, der unsere
Herzen füllte mit diesem überschwänglichen Ge-
fühl, mit dieser heilig geläuterten Flamme?
Jst es nicht Gott, der sich regt in uns, wenn un-
sere Seelen beben vom Hauche der trunkenen Ahn-
ung, und streben nach einem unerklärbar seligen
Etwas, und dann in einander schwimmen, wie
quillende Lichter, ist es nicht Gott?

Gott ... stammelt' ich weinend und durchschau-
ert von ihrer Heiligkeit.

Wenn zwey Herzen sich einen, Phaethon, fuhr
sie fort, dann steigen sie auf, wie Weihrauchsäulen
zu Gott. Wir sind nur in Gott, wir lie-
ben nur in Gott.
Wir sind Eins mit ihm,

Hauche … er iſt’s, der Gott der Liebe iſt’s.
Wir wandeln auf ſeiner Erde, die Abbilder ſeiner
Schoͤnheit und Fuͤlle und liebend druͤckt er uns taͤg-
lich an ſeinen Buſen. Er kuͤßt uns, der unſicht-
bare himmliſche Vater, mit dem Strahle des Mon-
des und der Sonne die Wangen, wie ſeinen gelieb-
ten Kindern. Er ſpricht aus jeder Blume zu un-
ſerm Herzen im Geiſte ſeiner Maͤßigung und Groͤße.

Ja, ſagte Atalanta, wir wollen nicht mehr
weinen. Er iſt ja unſer Vater, wir ſind ſeine
Kinder. Wer iſt es, Phaethon, der unſere
Herzen fuͤllte mit dieſem uͤberſchwaͤnglichen Ge-
fuͤhl, mit dieſer heilig gelaͤuterten Flamme?
Jſt es nicht Gott, der ſich regt in uns, wenn un-
ſere Seelen beben vom Hauche der trunkenen Ahn-
ung, und ſtreben nach einem unerklaͤrbar ſeligen
Etwas, und dann in einander ſchwimmen, wie
quillende Lichter, iſt es nicht Gott?

Gott … ſtammelt’ ich weinend und durchſchau-
ert von ihrer Heiligkeit.

Wenn zwey Herzen ſich einen, Phaethon, fuhr
ſie fort, dann ſteigen ſie auf, wie Weihrauchſaͤulen
zu Gott. Wir ſind nur in Gott, wir lie-
ben nur in Gott.
Wir ſind Eins mit ihm,

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[73/0073] Hauche … er iſt’s, der Gott der Liebe iſt’s. Wir wandeln auf ſeiner Erde, die Abbilder ſeiner Schoͤnheit und Fuͤlle und liebend druͤckt er uns taͤg- lich an ſeinen Buſen. Er kuͤßt uns, der unſicht- bare himmliſche Vater, mit dem Strahle des Mon- des und der Sonne die Wangen, wie ſeinen gelieb- ten Kindern. Er ſpricht aus jeder Blume zu un- ſerm Herzen im Geiſte ſeiner Maͤßigung und Groͤße. Ja, ſagte Atalanta, wir wollen nicht mehr weinen. Er iſt ja unſer Vater, wir ſind ſeine Kinder. Wer iſt es, Phaethon, der unſere Herzen fuͤllte mit dieſem uͤberſchwaͤnglichen Ge- fuͤhl, mit dieſer heilig gelaͤuterten Flamme? Jſt es nicht Gott, der ſich regt in uns, wenn un- ſere Seelen beben vom Hauche der trunkenen Ahn- ung, und ſtreben nach einem unerklaͤrbar ſeligen Etwas, und dann in einander ſchwimmen, wie quillende Lichter, iſt es nicht Gott? Gott … ſtammelt’ ich weinend und durchſchau- ert von ihrer Heiligkeit. Wenn zwey Herzen ſich einen, Phaethon, fuhr ſie fort, dann ſteigen ſie auf, wie Weihrauchſaͤulen zu Gott. Wir ſind nur in Gott, wir lie- ben nur in Gott. Wir ſind Eins mit ihm,

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/73>, abgerufen am 26.04.2024.