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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Zeit gab's außer Bibel und Gesangbuch kein ander bedrucktes Papier im Hause, als den ewigen Kalender. Dafür weiß unsereins aber auch, was man werth ist, und wirft sich nicht an den Ersten Besten weg, wie's heute Brauch ist. Ich hätte schon zwanzigmal wieder freien können. Da kommt gar Mancher nach Hedeper, dem es wohl schmecken würde, Krugwirth zu werden und eine Frau, wie mich, in den Kauf zu bekommen, aber unsereins ist nicht billig. Es müßte närrisch zugehen, wenn ich noch einmal Hochzeit machen sollte, nachdem ich weiß, was die Männer taugen, und wie eine tüchtige Frau heut zu Tage im Preise steht. Ja, prosit die Mahlzeit!

Ja prosit die Mahlzeit! wiederholte der Küster, völlig überzeugt. Ich verstehe wenig von solchen Dingen, aber Ihr habt gewiß Recht. Und er begriff nicht, wie er in seinen Jahren auf so tolle Gedanken verfallen könne.

Nicht daß ich mich deßhalb verschwören will! hob die Wirthin von Neuem an, den eingeschüchterten Ton ihres Gastes gewahrend. Was Gott zusammen fügt, das soll der Mensch nicht trennen. Wir wissen Alle nicht, wie das Schicksal es noch mit uns im Sinn hat, und unsere Weisheit reicht nicht weit. Allein steht sich's im Leben auch nicht zum Besten; an zwei Bäumen zauset der Wind minder, als an einem, und wo ein Feuer auf dem Herde brennt, da lassen sich zwei Töpfe nicht schwerer unterbringen, als einer. Kommen die Tage, von denen es geschrieben steht -- -- Sie gefallen uns

Zeit gab's außer Bibel und Gesangbuch kein ander bedrucktes Papier im Hause, als den ewigen Kalender. Dafür weiß unsereins aber auch, was man werth ist, und wirft sich nicht an den Ersten Besten weg, wie's heute Brauch ist. Ich hätte schon zwanzigmal wieder freien können. Da kommt gar Mancher nach Hedeper, dem es wohl schmecken würde, Krugwirth zu werden und eine Frau, wie mich, in den Kauf zu bekommen, aber unsereins ist nicht billig. Es müßte närrisch zugehen, wenn ich noch einmal Hochzeit machen sollte, nachdem ich weiß, was die Männer taugen, und wie eine tüchtige Frau heut zu Tage im Preise steht. Ja, prosit die Mahlzeit!

Ja prosit die Mahlzeit! wiederholte der Küster, völlig überzeugt. Ich verstehe wenig von solchen Dingen, aber Ihr habt gewiß Recht. Und er begriff nicht, wie er in seinen Jahren auf so tolle Gedanken verfallen könne.

Nicht daß ich mich deßhalb verschwören will! hob die Wirthin von Neuem an, den eingeschüchterten Ton ihres Gastes gewahrend. Was Gott zusammen fügt, das soll der Mensch nicht trennen. Wir wissen Alle nicht, wie das Schicksal es noch mit uns im Sinn hat, und unsere Weisheit reicht nicht weit. Allein steht sich's im Leben auch nicht zum Besten; an zwei Bäumen zauset der Wind minder, als an einem, und wo ein Feuer auf dem Herde brennt, da lassen sich zwei Töpfe nicht schwerer unterbringen, als einer. Kommen die Tage, von denen es geschrieben steht — — Sie gefallen uns

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[0022] Zeit gab's außer Bibel und Gesangbuch kein ander bedrucktes Papier im Hause, als den ewigen Kalender. Dafür weiß unsereins aber auch, was man werth ist, und wirft sich nicht an den Ersten Besten weg, wie's heute Brauch ist. Ich hätte schon zwanzigmal wieder freien können. Da kommt gar Mancher nach Hedeper, dem es wohl schmecken würde, Krugwirth zu werden und eine Frau, wie mich, in den Kauf zu bekommen, aber unsereins ist nicht billig. Es müßte närrisch zugehen, wenn ich noch einmal Hochzeit machen sollte, nachdem ich weiß, was die Männer taugen, und wie eine tüchtige Frau heut zu Tage im Preise steht. Ja, prosit die Mahlzeit! Ja prosit die Mahlzeit! wiederholte der Küster, völlig überzeugt. Ich verstehe wenig von solchen Dingen, aber Ihr habt gewiß Recht. Und er begriff nicht, wie er in seinen Jahren auf so tolle Gedanken verfallen könne. Nicht daß ich mich deßhalb verschwören will! hob die Wirthin von Neuem an, den eingeschüchterten Ton ihres Gastes gewahrend. Was Gott zusammen fügt, das soll der Mensch nicht trennen. Wir wissen Alle nicht, wie das Schicksal es noch mit uns im Sinn hat, und unsere Weisheit reicht nicht weit. Allein steht sich's im Leben auch nicht zum Besten; an zwei Bäumen zauset der Wind minder, als an einem, und wo ein Feuer auf dem Herde brennt, da lassen sich zwei Töpfe nicht schwerer unterbringen, als einer. Kommen die Tage, von denen es geschrieben steht — — Sie gefallen uns

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/22>, abgerufen am 26.04.2024.