Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.
ren schon das Stadtgespräch, und ich unter dem Namen Goldfritzel überall bekannt. Jndem nun immer mehr von unsern Bekann- ten zusammen kamen, das Haus voll Menschen war, und eben der abgeschickte Pursche nebst dem Röhrknecht, dieser mit einer langen Leiter verse- hen, ankam, rollte der Wagen vor die Hausthür, welcher meine Eltern (denn auch der Vater war mit auf dem Lande gewesen) nach Hause brachte. Die Versammlung im Hause kündigte ihnen an, daß etwas vorgefallen war; sie forschten, wie na- türlich, sogleich, und nun war es nicht lange zu verbergen. Mein Vater wehklagte jämmerlich, aber Mutter Suschen ließ sich nicht aufs bloße Wehkla- gen ein. Sie schrie, daß es weit und breit umher erscholl, wand die Hände über den Kopf, warf sich selbst zur Erde, und laut tönten die Worte: ach mein Goldfritzel, mein Augentrost, mein einziges Leben! von der Erde raffte sie sich auf, um alle Leute zu mishandeln und Margarethen zu erwür- gen. Diese saß auf der Treppe, konnte weder mehr weinen noch sprechen, sondern erwartete, was man mit ihr vornehmen werde. Da sie meine Mutter ins Gesicht bekam, lief sie wie eine Furie auf sie zu und riß sie bei den Haaren auf. Mit dem, was sie dazu aus der Fülle ihres Herzens ausstieß, will
ren ſchon das Stadtgeſpraͤch, und ich unter dem Namen Goldfritzel uͤberall bekannt. Jndem nun immer mehr von unſern Bekann- ten zuſammen kamen, das Haus voll Menſchen war, und eben der abgeſchickte Purſche nebſt dem Roͤhrknecht, dieſer mit einer langen Leiter verſe- hen, ankam, rollte der Wagen vor die Hausthuͤr, welcher meine Eltern (denn auch der Vater war mit auf dem Lande geweſen) nach Hauſe brachte. Die Verſammlung im Hauſe kuͤndigte ihnen an, daß etwas vorgefallen war; ſie forſchten, wie na- tuͤrlich, ſogleich, und nun war es nicht lange zu verbergen. Mein Vater wehklagte jaͤmmerlich, aber Mutter Suschen ließ ſich nicht aufs bloße Wehkla- gen ein. Sie ſchrie, daß es weit und breit umher erſcholl, wand die Haͤnde uͤber den Kopf, warf ſich ſelbſt zur Erde, und laut toͤnten die Worte: ach mein Goldfritzel, mein Augentroſt, mein einziges Leben! von der Erde raffte ſie ſich auf, um alle Leute zu mishandeln und Margarethen zu erwuͤr- gen. Dieſe ſaß auf der Treppe, konnte weder mehr weinen noch ſprechen, ſondern erwartete, was man mit ihr vornehmen werde. Da ſie meine Mutter ins Geſicht bekam, lief ſie wie eine Furie auf ſie zu und riß ſie bei den Haaren auf. Mit dem, was ſie dazu aus der Fuͤlle ihres Herzens ausſtieß, will
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ren ſchon das Stadtgeſpraͤch, und ich unter dem
Namen Goldfritzel uͤberall bekannt.
Jndem nun immer mehr von unſern Bekann-
ten zuſammen kamen, das Haus voll Menſchen
war, und eben der abgeſchickte Purſche nebſt dem
Roͤhrknecht, dieſer mit einer langen Leiter verſe-
hen, ankam, rollte der Wagen vor die Hausthuͤr,
welcher meine Eltern (denn auch der Vater war
mit auf dem Lande geweſen) nach Hauſe brachte.
Die Verſammlung im Hauſe kuͤndigte ihnen an,
daß etwas vorgefallen war; ſie forſchten, wie na-
tuͤrlich, ſogleich, und nun war es nicht lange zu
verbergen. Mein Vater wehklagte jaͤmmerlich, aber
Mutter Suschen ließ ſich nicht aufs bloße Wehkla-
gen ein. Sie ſchrie, daß es weit und breit umher
erſcholl, wand die Haͤnde uͤber den Kopf, warf ſich
ſelbſt zur Erde, und laut toͤnten die Worte: ach
mein Goldfritzel, mein Augentroſt, mein einziges
Leben! von der Erde raffte ſie ſich auf, um alle
Leute zu mishandeln und Margarethen zu erwuͤr-
gen. Dieſe ſaß auf der Treppe, konnte weder mehr
weinen noch ſprechen, ſondern erwartete, was man
mit ihr vornehmen werde. Da ſie meine Mutter
ins Geſicht bekam, lief ſie wie eine Furie auf ſie
zu und riß ſie bei den Haaren auf. Mit dem,
was ſie dazu aus der Fuͤlle ihres Herzens ausſtieß,
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