Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie daran, wie es Jhrer Mutter, Jhrem Stief-
vater, ja Jhnen selbst ergangen ist, und wie das
Ende war. Sie sind immer glücklich, so davon ge-
kommen zu sein, aber erkennen Sie es, und bessern
Sie sich -- Ja ich hoffe, Sie werden es thun!
Gewiß ist das, was Sie als Zeitvertreib vornehmen
wollen, wenn Jhr Buch fertig ist, nichts anders,
als das Werk Jhrer Bekeh[r]ung, gestehn Sie es nur,
damit ich mich darüber freuen kann.

Nein in der That, Herr Schulmeister, wenn
Sie so fortfahren, so hat es nichts zu sagen, daß
Celestin todt ist. Sie ersetzen seine Stelle sehr gut!
wenn Sie recht hätten, daß ich mich zum Zeitver-
treib in einen Geistmenschen verwandeln wolle, so
könnte ich von Jhnen dabei die beste Hülfleistung
haben. Noch gesteh ich Jhnen aber nichts ein,
ich will erst sehn, wies ist, wenn ich dreißig Jahre
zurückgelegt habe und dann etwa gesünder bin als
jetzt, denn die Bekehrung eines Thiermenschen, den
die Körperschwäche dazu bringt, ist sehr verdächtig.
Zu diesem Einfall müssen Sie selbst bravo! sa-
gen und überhaupt meine Aufrichtigkeit als eine
zur gründlichen Besserung sehr nöthige Eigenschaft
loben.

Aber was Sie gestern meinten, Herr Schul-
meister, daß Sie einen kleinen Anhang zu meinem
Buche machen und alle Mütter warnen wollten,
ihre Kinder nicht zu verziehn, wie auch ihnen keine
bösen Beispiele zu geben, und alle Recensenten bit-
ten wollten, mein Buch zur Lehre und Warnung
zu empfehlen, das verbitte ich mir; ich will nicht
als ein Exempel der Warnung aufgestellt sein, und
habe zur Zeit noch zu viel Achtung für mein Jch,
als zu glauben, daß ich was versehn hätte, indem
ich mich aller erdenklichen Freiheiten bediente, da
meine Mutter ihrem Goldfritzel dieses von Kindes
Beinen an als ein ausschließendes Recht gestattete.


Sie daran, wie es Jhrer Mutter, Jhrem Stief-
vater, ja Jhnen ſelbſt ergangen iſt, und wie das
Ende war. Sie ſind immer gluͤcklich, ſo davon ge-
kommen zu ſein, aber erkennen Sie es, und beſſern
Sie ſich — Ja ich hoffe, Sie werden es thun!
Gewiß iſt das, was Sie als Zeitvertreib vornehmen
wollen, wenn Jhr Buch fertig iſt, nichts anders,
als das Werk Jhrer Bekeh[r]ung, geſtehn Sie es nur,
damit ich mich daruͤber freuen kann.

Nein in der That, Herr Schulmeiſter, wenn
Sie ſo fortfahren, ſo hat es nichts zu ſagen, daß
Celeſtin todt iſt. Sie erſetzen ſeine Stelle ſehr gut!
wenn Sie recht haͤtten, daß ich mich zum Zeitver-
treib in einen Geiſtmenſchen verwandeln wolle, ſo
koͤnnte ich von Jhnen dabei die beſte Huͤlfleiſtung
haben. Noch geſteh ich Jhnen aber nichts ein,
ich will erſt ſehn, wies iſt, wenn ich dreißig Jahre
zuruͤckgelegt habe und dann etwa geſuͤnder bin als
jetzt, denn die Bekehrung eines Thiermenſchen, den
die Koͤrperſchwaͤche dazu bringt, iſt ſehr verdaͤchtig.
Zu dieſem Einfall muͤſſen Sie ſelbſt bravo! ſa-
gen und uͤberhaupt meine Aufrichtigkeit als eine
zur gruͤndlichen Beſſerung ſehr noͤthige Eigenſchaft
loben.

Aber was Sie geſtern meinten, Herr Schul-
meiſter, daß Sie einen kleinen Anhang zu meinem
Buche machen und alle Muͤtter warnen wollten,
ihre Kinder nicht zu verziehn, wie auch ihnen keine
boͤſen Beiſpiele zu geben, und alle Recenſenten bit-
ten wollten, mein Buch zur Lehre und Warnung
zu empfehlen, das verbitte ich mir; ich will nicht
als ein Exempel der Warnung aufgeſtellt ſein, und
habe zur Zeit noch zu viel Achtung fuͤr mein Jch,
als zu glauben, daß ich was verſehn haͤtte, indem
ich mich aller erdenklichen Freiheiten bediente, da
meine Mutter ihrem Goldfritzel dieſes von Kindes
Beinen an als ein ausſchließendes Recht geſtattete.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#RIK">
          <p><pb facs="#f0498" n="494"/>
Sie daran, wie es Jhrer Mutter, Jhrem Stief-<lb/>
vater, ja Jhnen &#x017F;elb&#x017F;t ergangen i&#x017F;t, und wie das<lb/>
Ende war. Sie &#x017F;ind immer glu&#x0364;cklich, &#x017F;o davon ge-<lb/>
kommen zu &#x017F;ein, aber erkennen Sie es, und be&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Sie &#x017F;ich &#x2014; Ja ich hoffe, Sie werden es thun!<lb/>
Gewiß i&#x017F;t das, was Sie als Zeitvertreib vornehmen<lb/>
wollen, wenn Jhr Buch fertig i&#x017F;t, nichts anders,<lb/>
als das Werk Jhrer Bekeh<supplied>r</supplied>ung, ge&#x017F;tehn Sie es nur,<lb/>
damit ich mich daru&#x0364;ber freuen kann.</p><lb/>
          <p>Nein in der That, Herr Schulmei&#x017F;ter, wenn<lb/>
Sie &#x017F;o fortfahren, &#x017F;o hat es nichts zu &#x017F;agen, daß<lb/>
Cele&#x017F;tin todt i&#x017F;t. Sie er&#x017F;etzen &#x017F;eine Stelle &#x017F;ehr gut!<lb/>
wenn Sie recht ha&#x0364;tten, daß ich mich zum Zeitver-<lb/>
treib in einen Gei&#x017F;tmen&#x017F;chen verwandeln wolle, &#x017F;o<lb/>
ko&#x0364;nnte ich von Jhnen dabei die be&#x017F;te Hu&#x0364;lflei&#x017F;tung<lb/>
haben. Noch ge&#x017F;teh ich Jhnen aber nichts ein,<lb/>
ich will er&#x017F;t &#x017F;ehn, wies i&#x017F;t, wenn ich dreißig Jahre<lb/>
zuru&#x0364;ckgelegt habe und dann etwa ge&#x017F;u&#x0364;nder bin als<lb/>
jetzt, denn die Bekehrung eines Thiermen&#x017F;chen, den<lb/>
die Ko&#x0364;rper&#x017F;chwa&#x0364;che dazu bringt, i&#x017F;t &#x017F;ehr verda&#x0364;chtig.<lb/>
Zu die&#x017F;em Einfall mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#g">bravo!</hi> &#x017F;a-<lb/>
gen und u&#x0364;berhaupt meine Aufrichtigkeit als eine<lb/>
zur gru&#x0364;ndlichen Be&#x017F;&#x017F;erung &#x017F;ehr no&#x0364;thige Eigen&#x017F;chaft<lb/>
loben.</p><lb/>
          <p>Aber was Sie ge&#x017F;tern meinten, Herr Schul-<lb/>
mei&#x017F;ter, daß Sie einen kleinen Anhang zu meinem<lb/>
Buche machen und alle Mu&#x0364;tter warnen wollten,<lb/>
ihre Kinder nicht zu verziehn, wie auch ihnen keine<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;en Bei&#x017F;piele zu geben, und alle Recen&#x017F;enten bit-<lb/>
ten wollten, mein Buch zur Lehre und Warnung<lb/>
zu empfehlen, das verbitte ich mir; ich will nicht<lb/>
als ein Exempel der Warnung aufge&#x017F;tellt &#x017F;ein, und<lb/>
habe zur Zeit noch zu viel Achtung fu&#x0364;r mein Jch,<lb/>
als zu glauben, daß ich was ver&#x017F;ehn ha&#x0364;tte, indem<lb/>
ich mich aller erdenklichen Freiheiten bediente, da<lb/>
meine Mutter ihrem Goldfritzel die&#x017F;es von Kindes<lb/>
Beinen an als ein aus&#x017F;chließendes Recht ge&#x017F;tattete.</p>
        </sp>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[494/0498] Sie daran, wie es Jhrer Mutter, Jhrem Stief- vater, ja Jhnen ſelbſt ergangen iſt, und wie das Ende war. Sie ſind immer gluͤcklich, ſo davon ge- kommen zu ſein, aber erkennen Sie es, und beſſern Sie ſich — Ja ich hoffe, Sie werden es thun! Gewiß iſt das, was Sie als Zeitvertreib vornehmen wollen, wenn Jhr Buch fertig iſt, nichts anders, als das Werk Jhrer Bekehrung, geſtehn Sie es nur, damit ich mich daruͤber freuen kann. Nein in der That, Herr Schulmeiſter, wenn Sie ſo fortfahren, ſo hat es nichts zu ſagen, daß Celeſtin todt iſt. Sie erſetzen ſeine Stelle ſehr gut! wenn Sie recht haͤtten, daß ich mich zum Zeitver- treib in einen Geiſtmenſchen verwandeln wolle, ſo koͤnnte ich von Jhnen dabei die beſte Huͤlfleiſtung haben. Noch geſteh ich Jhnen aber nichts ein, ich will erſt ſehn, wies iſt, wenn ich dreißig Jahre zuruͤckgelegt habe und dann etwa geſuͤnder bin als jetzt, denn die Bekehrung eines Thiermenſchen, den die Koͤrperſchwaͤche dazu bringt, iſt ſehr verdaͤchtig. Zu dieſem Einfall muͤſſen Sie ſelbſt bravo! ſa- gen und uͤberhaupt meine Aufrichtigkeit als eine zur gruͤndlichen Beſſerung ſehr noͤthige Eigenſchaft loben. Aber was Sie geſtern meinten, Herr Schul- meiſter, daß Sie einen kleinen Anhang zu meinem Buche machen und alle Muͤtter warnen wollten, ihre Kinder nicht zu verziehn, wie auch ihnen keine boͤſen Beiſpiele zu geben, und alle Recenſenten bit- ten wollten, mein Buch zur Lehre und Warnung zu empfehlen, das verbitte ich mir; ich will nicht als ein Exempel der Warnung aufgeſtellt ſein, und habe zur Zeit noch zu viel Achtung fuͤr mein Jch, als zu glauben, daß ich was verſehn haͤtte, indem ich mich aller erdenklichen Freiheiten bediente, da meine Mutter ihrem Goldfritzel dieſes von Kindes Beinen an als ein ausſchließendes Recht geſtattete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/498
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/498>, abgerufen am 17.06.2024.