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Walther, Johann: Tempe Historica [...] Lust- und Schauplatz [...] anmuthiger und wolrichender Blumen. Jena, 1669.

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424.

Wie grausam die zween Brüder Thyestes und Atreus mit einander gehandelt.

DIe beyden Brüder Thyestes und Atreus lebten in grosser Vneinigkeit/ und trachtete einer dem andern nach Leib und Leben. Weil dann keiner des andern mächtig werden konte/ stellet sich Thyestes/ als wann er sich mit sienem Bruder gütlich vertragen wolte/ und ladet ihn zu Gaste. Atreus vermeynet/ das Hertz stimme mit dem Munde/ und erscheinet auff angesetzte Zeit mit seinem Weibe willig. Aber der Wirt schänder des Atrei Weib. Was geschicht? Atreus stellet sich/ als wüste er nichts von dem Handel/ und bitter ihn mit den Seinigen wiederumb zu sich. Da nun Thyestes kömpt/ weiset Atreus seines Brudern und Gastes Kinderlein in ein sonderlich Zimmer/ läst sie abschlachten/ ihr Fleisch kochen/ und dem Thyestae vorsetzen. Nach vollbrachter Mahlzeit werden ihm seiner abgethanen Kinder-Köpffe/ Hände und Füsse vorgeworffen/ daß er sehen möge/ womit er seinen Hunger gestillet/ und den Magen gefüllet habe:

1. O der schrecklichen That! O der unerhörten Grausamkeit! O der grossen Untreu!

424.

Wie grausam die zween Brüder Thyestes und Atreus mit einander gehandelt.

DIe beyden Brüder Thyestes und Atreus lebten in grosser Vneinigkeit/ und trachtete einer dem andern nach Leib und Leben. Weil dann keiner des andern mächtig werden konte/ stellet sich Thyestes/ als wann er sich mit sienem Bruder gütlich vertragen wolte/ und ladet ihn zu Gaste. Atreus vermeynet/ das Hertz stimme mit dem Munde/ und erscheinet auff angesetzte Zeit mit seinem Weibe willig. Aber der Wirt schänder des Atrei Weib. Was geschicht? Atreus stellet sich/ als wüste er nichts von dem Handel/ und bitter ihn mit den Seinigen wiederumb zu sich. Da nun Thyestes kömpt/ weiset Atreus seines Brudern und Gastes Kinderlein in ein sonderlich Zimmer/ läst sie abschlachten/ ihr Fleisch kochen/ und dem Thyestae vorsetzen. Nach vollbrachter Mahlzeit werden ihm seiner abgethanen Kinder-Köpffe/ Hände und Füsse vorgeworffen/ daß er sehen möge/ womit er seinen Hunger gestillet/ und den Magen gefüllet habe:

1. O der schrecklichen That! O der unerhörten Grausamkeit! O der grossen Untreu!

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[803/0823] 424. Wie grausam die zween Brüder Thyestes und Atreus mit einander gehandelt. DIe beyden Brüder Thyestes und Atreus lebten in grosser Vneinigkeit/ und trachtete einer dem andern nach Leib und Leben. Weil dann keiner des andern mächtig werden konte/ stellet sich Thyestes/ als wann er sich mit sienem Bruder gütlich vertragen wolte/ und ladet ihn zu Gaste. Atreus vermeynet/ das Hertz stimme mit dem Munde/ und erscheinet auff angesetzte Zeit mit seinem Weibe willig. Aber der Wirt schänder des Atrei Weib. Was geschicht? Atreus stellet sich/ als wüste er nichts von dem Handel/ und bitter ihn mit den Seinigen wiederumb zu sich. Da nun Thyestes kömpt/ weiset Atreus seines Brudern und Gastes Kinderlein in ein sonderlich Zimmer/ läst sie abschlachten/ ihr Fleisch kochen/ und dem Thyestae vorsetzen. Nach vollbrachter Mahlzeit werden ihm seiner abgethanen Kinder-Köpffe/ Hände und Füsse vorgeworffen/ daß er sehen möge/ womit er seinen Hunger gestillet/ und den Magen gefüllet habe: 1. O der schrecklichen That! O der unerhörten Grausamkeit! O der grossen Untreu!

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Zitationshilfe: Walther, Johann: Tempe Historica [...] Lust- und Schauplatz [...] anmuthiger und wolrichender Blumen. Jena, 1669, S. 803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walther_tempe_1669/823>, abgerufen am 07.05.2024.