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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 2. Leipzig, 1870.

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[Spaltenumbruch] 35 Hans von Jena ist in allen Gassen.

Der Volkshumor nannte jeden, der müssig herumläuft, um zu gaffen oder etwas aufzuschnappen einen "Hans (auch Schnapphans, s. d.) von Jena". Im Hoffarts Teuffel von I. Westphal (Theatrum Diabolorum, 395b) ist "Hans von Jena" mit "junger Leffel" und "Pfingstvögelin" zusammengestellt. Schnapphans oder abgekürzt, Hans von Jena ist ein Wahrzeichen der alten Universitätsstadt Jena, das sich, schon im 16. Jahrhundert zum Sprichwort geworden, am dasigen Rathausthurme auf der Marktseite befindet. Es besteht aus einem Kopfe, welcher im Frontispice des Zifferblattes der Uhr zwischen zwei auf Consolen stehenden Figuren angebracht ist. Der eherne Kopf mit ziemlich kräftigem Mundwerk sowol als die beiden Statuen dienen zum mechanischen Begleitungsspiel des Schlagwerks; der links stehende Engel signalisirt den Stundenschlag, und die Figur rechts, einen bärtigen Mann in kuttenartigem Gewande darstellend, führt mit beiden Händen einen an einem Metallstabe befestigten Apfel nach dem mit dem Ausheben des Glockenschlags sich weit öffnenden Munde des Kopfes und zieht ihn sofort wieder zurück, wenn dieser danach schnappt. Dies allstündlich sich wiederholende Schnappen hat nun dem wachsamen Volkswitze zu der Benennung "Schnapphans" oder kurzweg "Hans von Jena" Veranlassung gegeben. Schon Luther erwähnt in der dritten Predigt seiner Hauspostille über Matth. 22, 1-14 das obige Sprichwort, indem er sagt: "Wenn ein mächtiger König auf Erden Hochzeit machte, hätte die Mahlzeit herrlich bereitet und lüde viele dazu, da würde ein Zulaufen werden von allen Orten und >Hans von Jena< würde auf allen Gassen sein." Wer zu dem Namen Haus Veranlassung gegeben, ob durch den Kopf ein Uhrenbauer Hans Düringer oder nach einer Sage Klaus Narr verewigt worden ist, ist nicht erwiesen. (Vgl. den Artikel Städtewahrzeichen in der Illustrirten Zeitung, Nr. 709, S. 114, vom 31. Jan. 1857.) Anderwärts hat man übrigens auch einen Hans in allen Gassen. So heisst es bei Stoppe (Parnass, S. 240): "Drum liefen wir, wie Hans in allen Gassen." Ausser dem "Hans in allen Gassen" hat man noch einen Hans Dampf, Hans Hopp. (Weinhold, 33.)

36 Hans von Laudenbach ist mein Nom', die ersten Bücher druckt' ich zu Rom. Bitt' für meine Seel, Gott gibt dir Lohn.

Inschrift auf einem Grabstein im Augustinerkloster zu Heidelberg. (Gottfridi Chronica, 663b.)

37 Hans wär' ein Edelmann, wenn Hans französisch spräche.

Wider die französische Politur, die alle wahre innere Bildung entbehren und durch jene ersetzen zu können glaubt.

Engl.: Jack would be a gentleman, if he could but speak French.

38 Hans weiss es wol, aber Hans sagt's nicht.

Holl.: Hans weet het wel, maar Hans wil het niet zeggen. (Harrebomee, I, 284.)

39 Hans will seinen Pfarrer lehren.

Frz.: C'est Gros-Jean, qui veut instruire son cure. (Lendroy, 1299.)

Dies französische Sprichwort hat folgenden Ursprung. Gros-Jean war ein Schullehrer in einem grossen Dorfe unweit von Paris, ein ebenso redlicher und braver Mensch als tüchtiger Schulmann, sodass er für seine Amtsbrüder als Muster aufgestellt ward. Der Erzbischof befahl sogar, dass jeder Candidat, der sich um eine Lehrerstelle in seinem Sprengel bewarb, sich acht Tage zu Gros-Jean verfügen musste, um von ihm geprüft zu werden und die nöthigen Anweisungen für das Schulamt zu erhalten. Der auf diese Weise ausgezeichnete Lehrer bekam dadurch eine so hohe Meinung von sich, dass er sich erlaubte, seinem Pfarrer Verweise zu geben, wenn er glaubte, dass er nicht orthodox genug gepredigt habe. Während der Predigt stand er am Altar, hörte mit der grössten Aufmerksamkeit zu und gab durch billigende und misbilligende Zeichen des Kopfes zu verstehen, was er von der Predigt dachte. Der Geistliche, mit allen Eigenschaften eines wahren Geistlichen begabt und einer der ersten Theologen und Gelehrten, kannte die Redlichkeit, den Eifer seines Lehrers für Religion zu gut, um ihm deshalb den geringsten Vorwurf zu machen. Anders dachten aber, die Kirchkinder, die es nicht in der Ordnung fanden, dass ein Lehrer sich solche Freiheiten gegen den Geistlichen herausnahm. Eines Tags hielt der Pfarrer eine lange Rede über die Rechenschaft, welche Gott am jüngsten Tage über die ihm anvertraute Heerde von ihm fordern werde. "Was werde ich antworten", sagte er! Bei diesen Worten schwieg er, zuckte mit den Achseln und sah seinen Gros-Jean verlegen an. Dieser, in der Meinung, sein Pfarrer bleibe wirklich stecken, nahm sogleich das Wort und sprach: "Herr Pfarrer, wir werden sagen: Herr, dumm (bete) hast du sie uns gegeben, dumm (bete) geben wir sie dir wieder." Diese und ähnliche Begebenheiten gaben zu dem Sprichworte Veranlassung, um einen Menschen zu bezeichnen, der einen höher Gebildeten belehren will.

40 Hans wohnt oft im Haus und Kasper hat's gebaut.

[Spaltenumbruch] 41 Hänse, hett de Sle'erten ök Schuoken1? frauch de Baur, doa hadd'e 'nen Paenwiemel2 sluoken. (Grafschaft Mark.) - Woeste, 62, 6; Hoefer, 146.

1) Zunächst Fuss, Bein, dann, wie oben Knochen.

2) Rosskäfer (Gestrupes stercor.) Von Pfad und wiemel (eigentlich wibil = Käfer, weil er sich auf Wegen [Pfaden] bei den Excrementen der Thiere findet).

42 Hansen gilt's, Töffeln trifft's.

43 Hanss ohn fleiss wirdt nimmer weiss. - Gruter, I, 47; Petri, II, 370; Henisch, 1139, 58; Gaal, 471; Simrock, 2517.

44 Hons gib Poss, sunst setzt's Piffe. (Oberlausitz.)

45 Ich heiss' und bleibe Hans, leb' mit der wilden Gans ohn' Sorgen um die Wette, spät auf und früh zu Bette.

46 Ik wull doch leber dat min guden Hans in de Höll kamen däd; wat ward he bi so 'n Küll im Himmel frern, un he wer jümmers so vör de Warmd, sagte die Frau zum Pastor, der sie getröstet, dass ihr gestorbener Mann in den Himmel gekommen sei. - Piening, 89.

47 Jeder Hans danzt möt siner Trin. (Samland.) - Frischbier2, 1490.

48 Junker Hans von Puttputt, wo kommt er den her! (Brandenburg.)

In einer von der Oder durchströmten Gegend der Mark Brandenburg lebte ohne alle Bildung ein Landedelmann; unter dem Namen Junker Hans von Puttputt hinlänglich bekannt. Einmal jährlich verliess derselbe seinen Viehhof und kam, gewöhnlich zur Zeit des Carnevals, in die Hauptstadt, um sich mit seinen dasigen Freunden zu erlustigen, wo er noch, wenn auch gegen seine Absicht, von diesen seinen lieben Freunden recht wacker gehänselt wurde. Als er einmal auch zu dieser Zeit in der Residenz war, wurde er von dem Baron N. zu Tische geladen. Da er wusste, dass dieser einen sehr guten Weinkeller hatte, nahm er die Einladung an und fand dort eine Gesellschaft lustiger Vögel, die sich auch sogleich brüderlich über ihn hermachten, wie die Krähen über die Eule, wenn sie am Tage ihr Loch verlässt. Nachdem man sich lange Zeit mit dem Landjunker gekurzweilt hatte, machte ein Mitglied der Gesellschaft den Vorschlag, allesammt unter Maske und Domino in die Bedeute zu fahren. Zwar suchte der Junker Hans auszuweichen, allein man liess ihn nicht entwischen. Die Maskenanzüge lagen im Nebenzimmer und für den Junker Hans wurden die auffallendsten Kleider, die man in der Residenz auftreiben konnte, zusammengeholt. Auf einem Streifen Papier hatte man mit grossen Kanzleibuchstaben geschrieben: "Junker Hans von Puttputt, wo kommt denn er her?" Der Kammerdiener des Barons nähte den Zettel gerade auf den Rücken des für den Junker bestimmten Mantels. Bei der Einkleidung wurde ihm derselbe rasch umgeworfen. Man nahm ihn in die Mitte bis zu den bereitstehenden Wagen und schob ihn hinein. So langte man beim Opernhause an, und Junker Hans wurde nun von seinen guten Freunden wie vorhin, nur in umgekehrter Ordnung, erst aus dem Wagen hinaus und dann in den Tanzsaal hinein mehr geschoben als geführt. Hier verliessen ihn aber alle und er stand da, allein und verlassen unter dem bunten Gewühl. Allein, ehe er sich dessen versah, kam beinahe die ganze Versammlung zu ihm her und um ihn herum, ihm gleich alten Bekannten die Hand reichend, ihn grüssend: "Junker Hans von Puttputt, wo kommt denn er her?" Alles Nachdenkens ungeachtet konnte er sich nicht enträthseln, wie er, vermummt, in der Residenz zu so viel Bekannten komme. Als indess der Begrüssungen, wie der Gaffer und Lacher immer mehr wurden, da wurde es ihm doch etwas schwül, und hatten ihn schon beim Eintritt die vielen Masken und Lampen geblendet, so verging ihm jetzt beinahe der Athem. Der Saal fing an sich vor seinen Augen zu drehen, und er wäre zum ersten mal in seinem Leben in Ohnmacht gefallen, hätten nicht seine Freunde, die ihn aus der Ferne beobachteten, es bemerkt, ihn dem Gewühl entrissen, nach Hause geführt und mit Erfrischungen erquickt. Nachdem jedoch Junker Hans am folgenden Tage auf seinen Landsitz zurückgekehrt war, legte er sich selbst das Gelübde ab, "dass ihn der Teufel holen solle, wenn er in seinem Leben wieder in die verfluchte Redoute fahre". So wird die Entstehung der Redensart, die man anwendet, um in scherzhafter Weise Staunen, und Verwunderung auszudrücken, in Berlin oder der Preussische Hausfreund (Berlin 1810, I, Nr. 24 u. 25, S. 111 u. 115) als eine "wahre Anekdote" erzählt. Ueber Zeit und wirkliche Namen habe ich nichts Näheres finden können. In der Gegend, wo der Junker gelebt hat, sollte man doch Näheres wissen. Ist die Redensart in Brandenburg noch bekannt und wo?

49 Meister Hans von Menz und sein junger Sohn Vincenz.

[Spaltenumbruch] 35 Hans von Jena ist in allen Gassen.

Der Volkshumor nannte jeden, der müssig herumläuft, um zu gaffen oder etwas aufzuschnappen einen „Hans (auch Schnapphans, s. d.) von Jena“. Im Hoffarts Teuffel von I. Westphal (Theatrum Diabolorum, 395b) ist „Hans von Jena“ mit „junger Leffel“ und „Pfingstvögelin“ zusammengestellt. Schnapphans oder abgekürzt, Hans von Jena ist ein Wahrzeichen der alten Universitätsstadt Jena, das sich, schon im 16. Jahrhundert zum Sprichwort geworden, am dasigen Rathausthurme auf der Marktseite befindet. Es besteht aus einem Kopfe, welcher im Frontispice des Zifferblattes der Uhr zwischen zwei auf Consolen stehenden Figuren angebracht ist. Der eherne Kopf mit ziemlich kräftigem Mundwerk sowol als die beiden Statuen dienen zum mechanischen Begleitungsspiel des Schlagwerks; der links stehende Engel signalisirt den Stundenschlag, und die Figur rechts, einen bärtigen Mann in kuttenartigem Gewande darstellend, führt mit beiden Händen einen an einem Metallstabe befestigten Apfel nach dem mit dem Ausheben des Glockenschlags sich weit öffnenden Munde des Kopfes und zieht ihn sofort wieder zurück, wenn dieser danach schnappt. Dies allstündlich sich wiederholende Schnappen hat nun dem wachsamen Volkswitze zu der Benennung „Schnapphans“ oder kurzweg „Hans von Jena“ Veranlassung gegeben. Schon Luther erwähnt in der dritten Predigt seiner Hauspostille über Matth. 22, 1-14 das obige Sprichwort, indem er sagt: „Wenn ein mächtiger König auf Erden Hochzeit machte, hätte die Mahlzeit herrlich bereitet und lüde viele dazu, da würde ein Zulaufen werden von allen Orten und ›Hans von Jena‹ würde auf allen Gassen sein.“ Wer zu dem Namen Haus Veranlassung gegeben, ob durch den Kopf ein Uhrenbauer Hans Düringer oder nach einer Sage Klaus Narr verewigt worden ist, ist nicht erwiesen. (Vgl. den Artikel Städtewahrzeichen in der Illustrirten Zeitung, Nr. 709, S. 114, vom 31. Jan. 1857.) Anderwärts hat man übrigens auch einen Hans in allen Gassen. So heisst es bei Stoppe (Parnass, S. 240): „Drum liefen wir, wie Hans in allen Gassen.“ Ausser dem „Hans in allen Gassen“ hat man noch einen Hans Dampf, Hans Hopp. (Weinhold, 33.)

36 Hans von Laudenbach ist mein Nom', die ersten Bücher druckt' ich zu Rom. Bitt' für meine Seel, Gott gibt dir Lohn.

Inschrift auf einem Grabstein im Augustinerkloster zu Heidelberg. (Gottfridi Chronica, 663b.)

37 Hans wär' ein Edelmann, wenn Hans französisch spräche.

Wider die französische Politur, die alle wahre innere Bildung entbehren und durch jene ersetzen zu können glaubt.

Engl.: Jack would be a gentleman, if he could but speak French.

38 Hans weiss es wol, aber Hans sagt's nicht.

Holl.: Hans weet het wel, maar Hans wil het niet zeggen. (Harrebomée, I, 284.)

39 Hans will seinen Pfarrer lehren.

Frz.: C'est Gros-Jean, qui veut instruire son curé. (Lendroy, 1299.)

Dies französische Sprichwort hat folgenden Ursprung. Gros-Jean war ein Schullehrer in einem grossen Dorfe unweit von Paris, ein ebenso redlicher und braver Mensch als tüchtiger Schulmann, sodass er für seine Amtsbrüder als Muster aufgestellt ward. Der Erzbischof befahl sogar, dass jeder Candidat, der sich um eine Lehrerstelle in seinem Sprengel bewarb, sich acht Tage zu Gros-Jean verfügen musste, um von ihm geprüft zu werden und die nöthigen Anweisungen für das Schulamt zu erhalten. Der auf diese Weise ausgezeichnete Lehrer bekam dadurch eine so hohe Meinung von sich, dass er sich erlaubte, seinem Pfarrer Verweise zu geben, wenn er glaubte, dass er nicht orthodox genug gepredigt habe. Während der Predigt stand er am Altar, hörte mit der grössten Aufmerksamkeit zu und gab durch billigende und misbilligende Zeichen des Kopfes zu verstehen, was er von der Predigt dachte. Der Geistliche, mit allen Eigenschaften eines wahren Geistlichen begabt und einer der ersten Theologen und Gelehrten, kannte die Redlichkeit, den Eifer seines Lehrers für Religion zu gut, um ihm deshalb den geringsten Vorwurf zu machen. Anders dachten aber, die Kirchkinder, die es nicht in der Ordnung fanden, dass ein Lehrer sich solche Freiheiten gegen den Geistlichen herausnahm. Eines Tags hielt der Pfarrer eine lange Rede über die Rechenschaft, welche Gott am jüngsten Tage über die ihm anvertraute Heerde von ihm fordern werde. „Was werde ich antworten“, sagte er! Bei diesen Worten schwieg er, zuckte mit den Achseln und sah seinen Gros-Jean verlegen an. Dieser, in der Meinung, sein Pfarrer bleibe wirklich stecken, nahm sogleich das Wort und sprach: „Herr Pfarrer, wir werden sagen: Herr, dumm (bête) hast du sie uns gegeben, dumm (bête) geben wir sie dir wieder.“ Diese und ähnliche Begebenheiten gaben zu dem Sprichworte Veranlassung, um einen Menschen zu bezeichnen, der einen höher Gebildeten belehren will.

40 Hans wohnt oft im Haus und Kasper hat's gebaut.

[Spaltenumbruch] 41 Hänse, hett de Sle'erten ök Schuoken1? frauch de Bûr, doa hadd'e 'nen Paenwiemel2 sluoken. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 62, 6; Hoefer, 146.

1) Zunächst Fuss, Bein, dann, wie oben Knochen.

2) Rosskäfer (Gestrupes stercor.) Von Pfad und wiemel (eigentlich wibil = Käfer, weil er sich auf Wegen [Pfaden] bei den Excrementen der Thiere findet).

42 Hansen gilt's, Töffeln trifft's.

43 Hanss ohn fleiss wirdt nimmer weiss.Gruter, I, 47; Petri, II, 370; Henisch, 1139, 58; Gaal, 471; Simrock, 2517.

44 Hons gib Poss, sunst setzt's Piffe. (Oberlausitz.)

45 Ich heiss' und bleibe Hans, leb' mit der wilden Gans ohn' Sorgen um die Wette, spät auf und früh zu Bette.

46 Ik wull doch lêber dat min guden Hans in de Höll kamen däd; wat ward he bi so 'n Küll im Himmel frêrn, un he wêr jümmers so vör de Warmd, sagte die Frau zum Pastor, der sie getröstet, dass ihr gestorbener Mann in den Himmel gekommen sei.Piening, 89.

47 Jeder Hans danzt möt siner Trin. (Samland.) – Frischbier2, 1490.

48 Junker Hans von Puttputt, wo kommt er den her! (Brandenburg.)

In einer von der Oder durchströmten Gegend der Mark Brandenburg lebte ohne alle Bildung ein Landedelmann; unter dem Namen Junker Hans von Puttputt hinlänglich bekannt. Einmal jährlich verliess derselbe seinen Viehhof und kam, gewöhnlich zur Zeit des Carnevals, in die Hauptstadt, um sich mit seinen dasigen Freunden zu erlustigen, wo er noch, wenn auch gegen seine Absicht, von diesen seinen lieben Freunden recht wacker gehänselt wurde. Als er einmal auch zu dieser Zeit in der Residenz war, wurde er von dem Baron N. zu Tische geladen. Da er wusste, dass dieser einen sehr guten Weinkeller hatte, nahm er die Einladung an und fand dort eine Gesellschaft lustiger Vögel, die sich auch sogleich brüderlich über ihn hermachten, wie die Krähen über die Eule, wenn sie am Tage ihr Loch verlässt. Nachdem man sich lange Zeit mit dem Landjunker gekurzweilt hatte, machte ein Mitglied der Gesellschaft den Vorschlag, allesammt unter Maske und Domino in die Bedeute zu fahren. Zwar suchte der Junker Hans auszuweichen, allein man liess ihn nicht entwischen. Die Maskenanzüge lagen im Nebenzimmer und für den Junker Hans wurden die auffallendsten Kleider, die man in der Residenz auftreiben konnte, zusammengeholt. Auf einem Streifen Papier hatte man mit grossen Kanzleibuchstaben geschrieben: „Junker Hans von Puttputt, wo kommt denn er her?“ Der Kammerdiener des Barons nähte den Zettel gerade auf den Rücken des für den Junker bestimmten Mantels. Bei der Einkleidung wurde ihm derselbe rasch umgeworfen. Man nahm ihn in die Mitte bis zu den bereitstehenden Wagen und schob ihn hinein. So langte man beim Opernhause an, und Junker Hans wurde nun von seinen guten Freunden wie vorhin, nur in umgekehrter Ordnung, erst aus dem Wagen hinaus und dann in den Tanzsaal hinein mehr geschoben als geführt. Hier verliessen ihn aber alle und er stand da, allein und verlassen unter dem bunten Gewühl. Allein, ehe er sich dessen versah, kam beinahe die ganze Versammlung zu ihm her und um ihn herum, ihm gleich alten Bekannten die Hand reichend, ihn grüssend: „Junker Hans von Puttputt, wo kommt denn er her?“ Alles Nachdenkens ungeachtet konnte er sich nicht enträthseln, wie er, vermummt, in der Residenz zu so viel Bekannten komme. Als indess der Begrüssungen, wie der Gaffer und Lacher immer mehr wurden, da wurde es ihm doch etwas schwül, und hatten ihn schon beim Eintritt die vielen Masken und Lampen geblendet, so verging ihm jetzt beinahe der Athem. Der Saal fing an sich vor seinen Augen zu drehen, und er wäre zum ersten mal in seinem Leben in Ohnmacht gefallen, hätten nicht seine Freunde, die ihn aus der Ferne beobachteten, es bemerkt, ihn dem Gewühl entrissen, nach Hause geführt und mit Erfrischungen erquickt. Nachdem jedoch Junker Hans am folgenden Tage auf seinen Landsitz zurückgekehrt war, legte er sich selbst das Gelübde ab, „dass ihn der Teufel holen solle, wenn er in seinem Leben wieder in die verfluchte Redoute fahre“. So wird die Entstehung der Redensart, die man anwendet, um in scherzhafter Weise Staunen, und Verwunderung auszudrücken, in Berlin oder der Preussische Hausfreund (Berlin 1810, I, Nr. 24 u. 25, S. 111 u. 115) als eine „wahre Anekdote“ erzählt. Ueber Zeit und wirkliche Namen habe ich nichts Näheres finden können. In der Gegend, wo der Junker gelebt hat, sollte man doch Näheres wissen. Ist die Redensart in Brandenburg noch bekannt und wo?

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          <p rendition="#et">In einer von der Oder durchströmten Gegend der Mark Brandenburg lebte ohne alle Bildung ein Landedelmann; unter dem Namen Junker Hans von Puttputt hinlänglich bekannt. Einmal jährlich verliess derselbe seinen Viehhof und kam, gewöhnlich zur Zeit des Carnevals, in die Hauptstadt, um sich mit seinen dasigen Freunden zu erlustigen, wo er noch, wenn auch gegen seine Absicht, von diesen seinen lieben Freunden recht wacker gehänselt wurde. Als er einmal auch zu dieser Zeit in der Residenz war, wurde er von dem Baron N. zu Tische geladen. Da er wusste, dass dieser einen sehr guten Weinkeller hatte, nahm er die Einladung an und fand dort eine Gesellschaft lustiger Vögel, die sich auch sogleich brüderlich über ihn hermachten, wie die Krähen über die Eule, wenn sie am Tage ihr Loch verlässt. Nachdem man sich lange Zeit mit dem Landjunker gekurzweilt hatte, machte ein Mitglied der Gesellschaft den Vorschlag, allesammt unter Maske und Domino in die Bedeute zu fahren. Zwar suchte der Junker Hans auszuweichen, allein man liess ihn nicht entwischen. Die Maskenanzüge lagen im Nebenzimmer und für den Junker Hans wurden die auffallendsten Kleider, die man in der Residenz auftreiben konnte, zusammengeholt. Auf einem Streifen Papier hatte man mit grossen Kanzleibuchstaben geschrieben: &#x201E;Junker Hans von Puttputt, wo kommt denn er her?&#x201C; Der Kammerdiener des Barons nähte den Zettel gerade auf den Rücken des für den Junker bestimmten Mantels. Bei der Einkleidung wurde ihm derselbe rasch umgeworfen. Man nahm ihn in die Mitte bis zu den bereitstehenden Wagen und schob ihn hinein. So langte man beim Opernhause an, und Junker Hans wurde nun von seinen guten Freunden wie vorhin, nur in umgekehrter Ordnung, erst aus dem Wagen hinaus und dann in den Tanzsaal hinein mehr geschoben als geführt. Hier verliessen ihn aber alle und er stand da, allein und verlassen unter dem bunten Gewühl. Allein, ehe er sich dessen versah, kam beinahe die ganze Versammlung zu ihm her und um ihn herum, ihm gleich alten Bekannten die Hand reichend, ihn grüssend: &#x201E;Junker Hans von Puttputt, wo kommt denn er her?&#x201C; Alles Nachdenkens ungeachtet konnte er sich nicht enträthseln, wie er, vermummt, in der Residenz zu so viel Bekannten komme. Als indess der Begrüssungen, wie der Gaffer und Lacher immer mehr wurden, da wurde es ihm doch etwas schwül, und hatten ihn schon beim Eintritt die vielen Masken und Lampen geblendet, so verging ihm jetzt beinahe der Athem. Der Saal fing an sich vor seinen Augen zu drehen, und er wäre zum ersten mal in seinem Leben in Ohnmacht gefallen, hätten nicht seine Freunde, die ihn aus der Ferne beobachteten, es bemerkt, ihn dem Gewühl entrissen, nach Hause geführt und mit Erfrischungen erquickt. Nachdem jedoch Junker Hans am folgenden Tage auf seinen Landsitz zurückgekehrt war, legte er sich selbst das Gelübde ab, &#x201E;dass ihn der Teufel holen solle, wenn er in seinem Leben wieder in die verfluchte Redoute fahre&#x201C;. So wird die Entstehung der Redensart, die man anwendet, um in scherzhafter Weise Staunen, und Verwunderung auszudrücken, in <hi rendition="#i">Berlin oder der Preussische Hausfreund</hi> (Berlin 1810, I, Nr. 24 u. 25, S. 111 u. 115) als eine &#x201E;wahre Anekdote&#x201C; erzählt. Ueber Zeit und wirkliche Namen habe ich nichts Näheres finden können. In der Gegend, wo der Junker gelebt hat, sollte man doch Näheres wissen. Ist die Redensart in Brandenburg noch bekannt und wo?</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">49 Meister Hans von Menz und sein junger Sohn Vincenz.</hi> </p><lb/>
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[[177]/0183] 35 Hans von Jena ist in allen Gassen. Der Volkshumor nannte jeden, der müssig herumläuft, um zu gaffen oder etwas aufzuschnappen einen „Hans (auch Schnapphans, s. d.) von Jena“. Im Hoffarts Teuffel von I. Westphal (Theatrum Diabolorum, 395b) ist „Hans von Jena“ mit „junger Leffel“ und „Pfingstvögelin“ zusammengestellt. Schnapphans oder abgekürzt, Hans von Jena ist ein Wahrzeichen der alten Universitätsstadt Jena, das sich, schon im 16. Jahrhundert zum Sprichwort geworden, am dasigen Rathausthurme auf der Marktseite befindet. Es besteht aus einem Kopfe, welcher im Frontispice des Zifferblattes der Uhr zwischen zwei auf Consolen stehenden Figuren angebracht ist. Der eherne Kopf mit ziemlich kräftigem Mundwerk sowol als die beiden Statuen dienen zum mechanischen Begleitungsspiel des Schlagwerks; der links stehende Engel signalisirt den Stundenschlag, und die Figur rechts, einen bärtigen Mann in kuttenartigem Gewande darstellend, führt mit beiden Händen einen an einem Metallstabe befestigten Apfel nach dem mit dem Ausheben des Glockenschlags sich weit öffnenden Munde des Kopfes und zieht ihn sofort wieder zurück, wenn dieser danach schnappt. Dies allstündlich sich wiederholende Schnappen hat nun dem wachsamen Volkswitze zu der Benennung „Schnapphans“ oder kurzweg „Hans von Jena“ Veranlassung gegeben. Schon Luther erwähnt in der dritten Predigt seiner Hauspostille über Matth. 22, 1-14 das obige Sprichwort, indem er sagt: „Wenn ein mächtiger König auf Erden Hochzeit machte, hätte die Mahlzeit herrlich bereitet und lüde viele dazu, da würde ein Zulaufen werden von allen Orten und ›Hans von Jena‹ würde auf allen Gassen sein.“ Wer zu dem Namen Haus Veranlassung gegeben, ob durch den Kopf ein Uhrenbauer Hans Düringer oder nach einer Sage Klaus Narr verewigt worden ist, ist nicht erwiesen. (Vgl. den Artikel Städtewahrzeichen in der Illustrirten Zeitung, Nr. 709, S. 114, vom 31. Jan. 1857.) Anderwärts hat man übrigens auch einen Hans in allen Gassen. So heisst es bei Stoppe (Parnass, S. 240): „Drum liefen wir, wie Hans in allen Gassen.“ Ausser dem „Hans in allen Gassen“ hat man noch einen Hans Dampf, Hans Hopp. (Weinhold, 33.) 36 Hans von Laudenbach ist mein Nom', die ersten Bücher druckt' ich zu Rom. Bitt' für meine Seel, Gott gibt dir Lohn. Inschrift auf einem Grabstein im Augustinerkloster zu Heidelberg. (Gottfridi Chronica, 663b.) 37 Hans wär' ein Edelmann, wenn Hans französisch spräche. Wider die französische Politur, die alle wahre innere Bildung entbehren und durch jene ersetzen zu können glaubt. Engl.: Jack would be a gentleman, if he could but speak French. 38 Hans weiss es wol, aber Hans sagt's nicht. Holl.: Hans weet het wel, maar Hans wil het niet zeggen. (Harrebomée, I, 284.) 39 Hans will seinen Pfarrer lehren. Frz.: C'est Gros-Jean, qui veut instruire son curé. (Lendroy, 1299.) Dies französische Sprichwort hat folgenden Ursprung. Gros-Jean war ein Schullehrer in einem grossen Dorfe unweit von Paris, ein ebenso redlicher und braver Mensch als tüchtiger Schulmann, sodass er für seine Amtsbrüder als Muster aufgestellt ward. Der Erzbischof befahl sogar, dass jeder Candidat, der sich um eine Lehrerstelle in seinem Sprengel bewarb, sich acht Tage zu Gros-Jean verfügen musste, um von ihm geprüft zu werden und die nöthigen Anweisungen für das Schulamt zu erhalten. Der auf diese Weise ausgezeichnete Lehrer bekam dadurch eine so hohe Meinung von sich, dass er sich erlaubte, seinem Pfarrer Verweise zu geben, wenn er glaubte, dass er nicht orthodox genug gepredigt habe. Während der Predigt stand er am Altar, hörte mit der grössten Aufmerksamkeit zu und gab durch billigende und misbilligende Zeichen des Kopfes zu verstehen, was er von der Predigt dachte. Der Geistliche, mit allen Eigenschaften eines wahren Geistlichen begabt und einer der ersten Theologen und Gelehrten, kannte die Redlichkeit, den Eifer seines Lehrers für Religion zu gut, um ihm deshalb den geringsten Vorwurf zu machen. Anders dachten aber, die Kirchkinder, die es nicht in der Ordnung fanden, dass ein Lehrer sich solche Freiheiten gegen den Geistlichen herausnahm. Eines Tags hielt der Pfarrer eine lange Rede über die Rechenschaft, welche Gott am jüngsten Tage über die ihm anvertraute Heerde von ihm fordern werde. „Was werde ich antworten“, sagte er! Bei diesen Worten schwieg er, zuckte mit den Achseln und sah seinen Gros-Jean verlegen an. Dieser, in der Meinung, sein Pfarrer bleibe wirklich stecken, nahm sogleich das Wort und sprach: „Herr Pfarrer, wir werden sagen: Herr, dumm (bête) hast du sie uns gegeben, dumm (bête) geben wir sie dir wieder.“ Diese und ähnliche Begebenheiten gaben zu dem Sprichworte Veranlassung, um einen Menschen zu bezeichnen, der einen höher Gebildeten belehren will. 40 Hans wohnt oft im Haus und Kasper hat's gebaut. 41 Hänse, hett de Sle'erten ök Schuoken1? frauch de Bûr, doa hadd'e 'nen Paenwiemel2 sluoken. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 62, 6; Hoefer, 146. 1) Zunächst Fuss, Bein, dann, wie oben Knochen. 2) Rosskäfer (Gestrupes stercor.) Von Pfad und wiemel (eigentlich wibil = Käfer, weil er sich auf Wegen [Pfaden] bei den Excrementen der Thiere findet). 42 Hansen gilt's, Töffeln trifft's. 43 Hanss ohn fleiss wirdt nimmer weiss. – Gruter, I, 47; Petri, II, 370; Henisch, 1139, 58; Gaal, 471; Simrock, 2517. 44 Hons gib Poss, sunst setzt's Piffe. (Oberlausitz.) 45 Ich heiss' und bleibe Hans, leb' mit der wilden Gans ohn' Sorgen um die Wette, spät auf und früh zu Bette. 46 Ik wull doch lêber dat min guden Hans in de Höll kamen däd; wat ward he bi so 'n Küll im Himmel frêrn, un he wêr jümmers so vör de Warmd, sagte die Frau zum Pastor, der sie getröstet, dass ihr gestorbener Mann in den Himmel gekommen sei. – Piening, 89. 47 Jeder Hans danzt möt siner Trin. (Samland.) – Frischbier2, 1490. 48 Junker Hans von Puttputt, wo kommt er den her! (Brandenburg.) In einer von der Oder durchströmten Gegend der Mark Brandenburg lebte ohne alle Bildung ein Landedelmann; unter dem Namen Junker Hans von Puttputt hinlänglich bekannt. Einmal jährlich verliess derselbe seinen Viehhof und kam, gewöhnlich zur Zeit des Carnevals, in die Hauptstadt, um sich mit seinen dasigen Freunden zu erlustigen, wo er noch, wenn auch gegen seine Absicht, von diesen seinen lieben Freunden recht wacker gehänselt wurde. Als er einmal auch zu dieser Zeit in der Residenz war, wurde er von dem Baron N. zu Tische geladen. Da er wusste, dass dieser einen sehr guten Weinkeller hatte, nahm er die Einladung an und fand dort eine Gesellschaft lustiger Vögel, die sich auch sogleich brüderlich über ihn hermachten, wie die Krähen über die Eule, wenn sie am Tage ihr Loch verlässt. Nachdem man sich lange Zeit mit dem Landjunker gekurzweilt hatte, machte ein Mitglied der Gesellschaft den Vorschlag, allesammt unter Maske und Domino in die Bedeute zu fahren. Zwar suchte der Junker Hans auszuweichen, allein man liess ihn nicht entwischen. Die Maskenanzüge lagen im Nebenzimmer und für den Junker Hans wurden die auffallendsten Kleider, die man in der Residenz auftreiben konnte, zusammengeholt. Auf einem Streifen Papier hatte man mit grossen Kanzleibuchstaben geschrieben: „Junker Hans von Puttputt, wo kommt denn er her?“ Der Kammerdiener des Barons nähte den Zettel gerade auf den Rücken des für den Junker bestimmten Mantels. Bei der Einkleidung wurde ihm derselbe rasch umgeworfen. Man nahm ihn in die Mitte bis zu den bereitstehenden Wagen und schob ihn hinein. So langte man beim Opernhause an, und Junker Hans wurde nun von seinen guten Freunden wie vorhin, nur in umgekehrter Ordnung, erst aus dem Wagen hinaus und dann in den Tanzsaal hinein mehr geschoben als geführt. Hier verliessen ihn aber alle und er stand da, allein und verlassen unter dem bunten Gewühl. Allein, ehe er sich dessen versah, kam beinahe die ganze Versammlung zu ihm her und um ihn herum, ihm gleich alten Bekannten die Hand reichend, ihn grüssend: „Junker Hans von Puttputt, wo kommt denn er her?“ Alles Nachdenkens ungeachtet konnte er sich nicht enträthseln, wie er, vermummt, in der Residenz zu so viel Bekannten komme. Als indess der Begrüssungen, wie der Gaffer und Lacher immer mehr wurden, da wurde es ihm doch etwas schwül, und hatten ihn schon beim Eintritt die vielen Masken und Lampen geblendet, so verging ihm jetzt beinahe der Athem. Der Saal fing an sich vor seinen Augen zu drehen, und er wäre zum ersten mal in seinem Leben in Ohnmacht gefallen, hätten nicht seine Freunde, die ihn aus der Ferne beobachteten, es bemerkt, ihn dem Gewühl entrissen, nach Hause geführt und mit Erfrischungen erquickt. Nachdem jedoch Junker Hans am folgenden Tage auf seinen Landsitz zurückgekehrt war, legte er sich selbst das Gelübde ab, „dass ihn der Teufel holen solle, wenn er in seinem Leben wieder in die verfluchte Redoute fahre“. So wird die Entstehung der Redensart, die man anwendet, um in scherzhafter Weise Staunen, und Verwunderung auszudrücken, in Berlin oder der Preussische Hausfreund (Berlin 1810, I, Nr. 24 u. 25, S. 111 u. 115) als eine „wahre Anekdote“ erzählt. Ueber Zeit und wirkliche Namen habe ich nichts Näheres finden können. In der Gegend, wo der Junker gelebt hat, sollte man doch Näheres wissen. Ist die Redensart in Brandenburg noch bekannt und wo? 49 Meister Hans von Menz und sein junger Sohn Vincenz.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 2. Leipzig, 1870, S. [177]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon02_1870/183>, abgerufen am 29.04.2024.