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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.

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[Spaltenumbruch] 5 Nothwehr - Todwehr.

"Zu hoch gürten sprengt die Gurt, eim flüchtigen mag in der flucht auss scham vnd notdringlichkeit wider der not wachsen vnd auss Nohtwehr ein Todtwehr machen." (Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 434.)

6 Was ist so kühn, das Nothwehr nicht entschuldigt?


Nothvendig.

*1 Des ist so nothwendig, wie beim Bettelmann d' Kornschaufel. (Rottenburg.) - Birlinger, 684.

*2 Er braucht's so nothwenig, wie den Arsch in der Brautnacht.

*3 Er braucht's so nothwendig, wie ein armer Mann eine Fleischgabel.

Holl.: Hij heeft zoo noodig als een arm man eene fleeschgaffel. (Harrebomee, II, 60a.)

*4 Er hat's nothwendig wie der Rath zu Leipzig. - Klix, 51.

*5 Es ist nicht nothwendig, der Sonne mit Fackeln zu helfen.

*6 Si hat sou noathwendi1, wi di Katz im Kindbett. (Franken.) - Frommann, VI, 318, 219.

1) Eilig. (S. Hill.)


Nothwendigkeit.

Gegen die Nothwendigkeit kämpfen selbst die Götter vergebens.

It.: Necessita fa forza anco ai piu prodi.

Lat.: Adversus necessitatem ne Dii quidem resistunt. (Binder II, 78; Faselius, 7; Schamelius, III, 100; Wiegand, 786.) - Necessitati nec Deus ipse repugnat. - Paretur necessitati quam ne Dii quidem superant. (Livius.) (Faselius, 7.)


Nothwendigstes.

1 Nimm stets das nothwendigst herfür, so du z'mal hast vil gschafft für dir.

Frz.: Fays premier le necessaire, puis ce qui est a plaisir fault faire. (Bovill, III, 76.)

Lat.: Cum tibi sit cura patrare negocia plura, tu primo cura, cuius mora plus nocitura. (Loci comm., 39.) - Quod necesse est primum fac, postea quod ad voluptatem aut oblectationem. (Bovill, III, 76.)

2 Wer das Nothwendigste hat, der hat viel.

It.: Egli e un aver molto l'aver il bisognevole.


Nothzüchtigen.

* Etwas nothzüchtigen.

Im sprichwörtlichen Sinne: misbrauchen, z. B. ein Instrument, eine Geige, ein Klavier, auch durch schlechte Musik die Ohren.


Nöttens.

*1 De mut na Nöttens und seggen de Keselefern an. - Hauskalender, IV.

*2 Ga na Nöttens un lehr 't Gosewaren. - Eichwald, 1415; Bueren, 474; Frommann, V, 430, 475; Kern, 68.

Gehe nach Nöttens (eine aus zwei Häusern bestehende Ortschaft im Kirchspiel Wittmund, Bezirk Aurich, Amt Harlingen) und lerne das Gänsehüten. Leider geben die ostfriesischen Sprichwörtersammlungen die dort für diesen Zweck bestehenden Anstalten, Lehrweisen und Schulregulative nicht an.


November.

1 Ein heller (kalter, trockener) November gibt Regen und milde Luft im Januar. - Orakel, 860.

2 Fällt im November das Laub sehr früh zur Erden, soll ein feiner Sommer werden. - Boebel, 111.

3 Hat im November die Buche noch ihren Saft, so wird der Regen stärker als der Sonne Kraft. (Westpreuss.) - Boebel, 110.

4 Im November viel Nass, auf den Wiesen viel Gras. (Masuren.) - Boebel, 109.

5 Im November Wässerung ist der Wiesen Besserung. - Boebel, 110.

6 Ist im November die Buche starr und fest, sich grosse Kält' erwarten lässt. - Boebel, 110.

7 Wenn der November regnet und frostet, dies der Saat ihr Leben kostet.

"Wenn es in den November hinein, besonders in der letzten Hälfte desselben regnet und bald darauf ein Frost einfällt, so soll dies der Saat merklichen Schaden thun und Theuerung verursachen." (Orakel, 862.)

8 Wenn es im November donnert, so soll dies ein fruchtbar Jahr bedeuten. - Orakel, 863.

Man will auch noch bemerkt haben, dass das Getreide in Gebirgen gut, in Thälern aber schlecht gerathe, wenn das Gewitter bei Vollmond eintrete. (Orakel, 864.)

[Spaltenumbruch] 9 Wenn im November noch sitzt an den Bäumen das Laub, so kommt ein harter Winter, das glaub'.

10 Wer im November die Felder nicht gestürzt, der wird im nächsten Jahr verkürzt.

11 Wie der November, so der (nächste) März. - Boebel, 110; Orakel, 857.

Nach andern: der nächste Mai.

12 Wie der November (in der letzten Hälfte) wittert, so wird es auch im künftigen März wittern. - Orakel, 858.


Novemberschnee.

Novemberschnee thut der Saat wohl, nicht weh. (Schles.) - Boebel, 110.


Nözcher.

* Wat sin dat för Nöözcher1 vun Kruschteie2. (Köln.) - Firmenich, I, 477, 260.

1) Kleine Dinger.

2) Kastanie.


Nu.

1 In einem Nu geschieht, das man im Jahr sich nicht versieht.

Lat.: Accidit in puncto quod non speratur in anno. (Seybold, 3.)

*2 Es geschah im Nu.

Lat.: Dum loqueris. - Inter manum et mentem. - Inter os et offam. (Binder II, 870 u. 1535.)

*3 Nu - darfen (bedürfen, brauchen) Jüden Blüt. (Podolien.)

Wenn die Grundlosigkeit einer Anklage klar und zur Genüge dargethan, wie diejenige vom Blutgebrauche der Juden zu ihren Osterbroten. Wie viel Judenblut hat es aber durch das ganze Mittelalter bis in die neueste Zeit gekostet, ehe die Ueberzeugung durchgedrungen, dass zu Osterbroten, die schon bereitet wurden, ehe es noch Christen gab, kein (Christen-)Blut erforderlich ist und verwandt wird. Mit der Dummheit und dem blinden Glauben kämpfen aber sogar die Götter vergebens. Doch ist der blinde Glaube der Juden um kein Haar besser, als der blinde Glaube der Christen.

*4 Nu - is eine (nicht) Meküdejsches (angetraut). (Jüd.-deutsch. Warschau.)

Von rückgängigen Geschäften; gleichsam von einer Braut, deren Partie aufgelöst wurde: "Nun bist du also nicht verlobt."

*5 Nu - is halb gebruten. (Jüd.-deutsch. Warschau.)

In 2 Mos. 12, 9 wird die Zubereitung des Osterlamms vorgeschrieben und gesagt, es müsse halb gar sein (= nu). Bedient sich nun jemand des Wörtchens "nu", um sich aus einer Verlegenheit zu ziehen, so wird ihm scherzhaft zugerufen: "Ja, nu heisst halb gar."

*6 Nu, nu - mach Mojze. (Jüd.-deutsch. Warschau.)

Mojze machen heisst über ein Stück Brot vor jeder Mahlzeit den Segen sprechen, welchem das Händewaschen vorangeht. Zwischen dem Händewaschen bis zur Mojze darf nicht gesprochen werden, um den Segen nicht zu unterbrechen. Ist man jedoch gezwungen, während dieser Zeit auf irgendetwas, wie z. B. auf das Fehlen des Salzes aufmerksam zu machen, so hilft man sich mit dem Ausruf: Nu, nu! Der Volkswitz bedient sich dieser Redensart als Zuruf an jemand, der sich durch "Nu, nu", aus einer Verlegenheit ziehen will.

*7 Nu, rüf mich Beigelchapper. (Podolien.)

Nenne mich Brezeldieb, ich achte es nicht.

*8 Nu, rüf mich Knacknüssel. (Jüd.-deutsch. Podolien.)

Nenne mich immerhin Nussknacker, es ist mir gleich, welchen Spottnamen du mir nachrufst. Um auszudrücken, was kannst du mir thun, ich habe keine Furcht. Darüber, warum Nussknacker eine Beleidigung enthält, fehlt die Erklärung.

*9 Nu, rüf mich Pischer. (Jüd.-deutsch. Podolien.)

In demselben Sinne.


Nüchtern.

1 Gode (auch: jeden) Morge nöchter, e holwet Kalw to Liew. - Frischbier2, 2804.

2 Niemals nüchtern und niemals voll thut in Sterbens Läuften wohl. - Simrock, 7599; Pistor., VIII, 39.

3 Nimmer nüchtern, allzeit foll, bekombt weder Leib noch Seel wol. - Gruter, III, 73; Lehmann II, 434, 69; Chaos, 207.

4 Nüchter ut de Harbarg ess dat erschte Onglück. (Grosser Werder.) - Frischbier2, 2805.

Dän.: Ondt at drage fasten af bye, aerelös fra ting, og ugudelig fra kirken. (Prov. dan., 158.)

5 Nüchtern gedacht, voll gesagt. - Eiselein, 496.

Lat.: Quod in animo sobrii, id est in lingua ebrii. (Eiselein, 496; Henisch, 678, 65; Seybold, 506.)

[Spaltenumbruch] 5 Nothwehr – Todwehr.

„Zu hoch gürten sprengt die Gurt, eim flüchtigen mag in der flucht auss scham vnd notdringlichkeit wider der not wachsen vnd auss Nohtwehr ein Todtwehr machen.“ (Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 434.)

6 Was ist so kühn, das Nothwehr nicht entschuldigt?


Nothvendig.

*1 Des ist so nothwendig, wie beim Bettelmann d' Kornschaufel. (Rottenburg.) – Birlinger, 684.

*2 Er braucht's so nothwenig, wie den Arsch in der Brautnacht.

*3 Er braucht's so nothwendig, wie ein armer Mann eine Fleischgabel.

Holl.: Hij heeft zoo noodig als een arm man eene fleeschgaffel. (Harrebomée, II, 60a.)

*4 Er hat's nothwendig wie der Rath zu Leipzig.Klix, 51.

*5 Es ist nicht nothwendig, der Sonne mit Fackeln zu helfen.

*6 Si hat sou noathwendi1, wi di Katz im Kindbett. (Franken.) – Frommann, VI, 318, 219.

1) Eilig. (S. Hill.)


Nothwendigkeit.

Gegen die Nothwendigkeit kämpfen selbst die Götter vergebens.

It.: Necessità fa forza anco ai piu prodi.

Lat.: Adversus necessitatem ne Dii quidem resistunt. (Binder II, 78; Faselius, 7; Schamelius, III, 100; Wiegand, 786.) – Necessitati nec Deus ipse repugnat. – Paretur necessitati quam ne Dii quidem superant. (Livius.) (Faselius, 7.)


Nothwendigstes.

1 Nimm stets das nothwendigst herfür, so du z'mal hast vil gschafft für dir.

Frz.: Fays premier le necessaire, puis ce qui est a plaisir fault faire. (Bovill, III, 76.)

Lat.: Cum tibi sit cura patrare negocia plura, tu primo cura, cuius mora plus nocitura. (Loci comm., 39.) – Quod necesse est primum fac, postea quod ad voluptatem aut oblectationem. (Bovill, III, 76.)

2 Wer das Nothwendigste hat, der hat viel.

It.: Egli è un aver molto l'aver il bisognevole.


Nothzüchtigen.

* Etwas nothzüchtigen.

Im sprichwörtlichen Sinne: misbrauchen, z. B. ein Instrument, eine Geige, ein Klavier, auch durch schlechte Musik die Ohren.


Nöttens.

*1 De mut na Nöttens und seggen de Keselefern an.Hauskalender, IV.

*2 Ga na Nöttens un lehr 't Gosewaren.Eichwald, 1415; Bueren, 474; Frommann, V, 430, 475; Kern, 68.

Gehe nach Nöttens (eine aus zwei Häusern bestehende Ortschaft im Kirchspiel Wittmund, Bezirk Aurich, Amt Harlingen) und lerne das Gänsehüten. Leider geben die ostfriesischen Sprichwörtersammlungen die dort für diesen Zweck bestehenden Anstalten, Lehrweisen und Schulregulative nicht an.


November.

1 Ein heller (kalter, trockener) November gibt Regen und milde Luft im Januar.Orakel, 860.

2 Fällt im November das Laub sehr früh zur Erden, soll ein feiner Sommer werden.Boebel, 111.

3 Hat im November die Buche noch ihren Saft, so wird der Regen stärker als der Sonne Kraft. (Westpreuss.) – Boebel, 110.

4 Im November viel Nass, auf den Wiesen viel Gras. (Masuren.) – Boebel, 109.

5 Im November Wässerung ist der Wiesen Besserung.Boebel, 110.

6 Ist im November die Buche starr und fest, sich grosse Kält' erwarten lässt.Boebel, 110.

7 Wenn der November regnet und frostet, dies der Saat ihr Leben kostet.

„Wenn es in den November hinein, besonders in der letzten Hälfte desselben regnet und bald darauf ein Frost einfällt, so soll dies der Saat merklichen Schaden thun und Theuerung verursachen.“ (Orakel, 862.)

8 Wenn es im November donnert, so soll dies ein fruchtbar Jahr bedeuten.Orakel, 863.

Man will auch noch bemerkt haben, dass das Getreide in Gebirgen gut, in Thälern aber schlecht gerathe, wenn das Gewitter bei Vollmond eintrete. (Orakel, 864.)

[Spaltenumbruch] 9 Wenn im November noch sitzt an den Bäumen das Laub, so kommt ein harter Winter, das glaub'.

10 Wer im November die Felder nicht gestürzt, der wird im nächsten Jahr verkürzt.

11 Wie der November, so der (nächste) März.Boebel, 110; Orakel, 857.

Nach andern: der nächste Mai.

12 Wie der November (in der letzten Hälfte) wittert, so wird es auch im künftigen März wittern.Orakel, 858.


Novemberschnee.

Novemberschnee thut der Saat wohl, nicht weh. (Schles.) – Boebel, 110.


Nözcher.

* Wat sin dat för Nöözcher1 vun Kruschteie2. (Köln.) – Firmenich, I, 477, 260.

1) Kleine Dinger.

2) Kastanie.


Nu.

1 In einem Nu geschieht, das man im Jahr sich nicht versieht.

Lat.: Accidit in puncto quod non speratur in anno. (Seybold, 3.)

*2 Es geschah im Nu.

Lat.: Dum loqueris. – Inter manum et mentem. – Inter os et offam. (Binder II, 870 u. 1535.)

*3 Nu – darfen (bedürfen, brauchen) Jüden Blüt. (Podolien.)

Wenn die Grundlosigkeit einer Anklage klar und zur Genüge dargethan, wie diejenige vom Blutgebrauche der Juden zu ihren Osterbroten. Wie viel Judenblut hat es aber durch das ganze Mittelalter bis in die neueste Zeit gekostet, ehe die Ueberzeugung durchgedrungen, dass zu Osterbroten, die schon bereitet wurden, ehe es noch Christen gab, kein (Christen-)Blut erforderlich ist und verwandt wird. Mit der Dummheit und dem blinden Glauben kämpfen aber sogar die Götter vergebens. Doch ist der blinde Glaube der Juden um kein Haar besser, als der blinde Glaube der Christen.

*4 Nu – is eine (nicht) Meküdejsches (angetraut). (Jüd.-deutsch. Warschau.)

Von rückgängigen Geschäften; gleichsam von einer Braut, deren Partie aufgelöst wurde: „Nun bist du also nicht verlobt.“

*5 Nu – is halb gebruten. (Jüd.-deutsch. Warschau.)

In 2 Mos. 12, 9 wird die Zubereitung des Osterlamms vorgeschrieben und gesagt, es müsse halb gar sein (= nu). Bedient sich nun jemand des Wörtchens „nu“, um sich aus einer Verlegenheit zu ziehen, so wird ihm scherzhaft zugerufen: „Ja, nu heisst halb gar.“

*6 Nu, nu – mach Mojze. (Jüd.-deutsch. Warschau.)

Mojze machen heisst über ein Stück Brot vor jeder Mahlzeit den Segen sprechen, welchem das Händewaschen vorangeht. Zwischen dem Händewaschen bis zur Mojze darf nicht gesprochen werden, um den Segen nicht zu unterbrechen. Ist man jedoch gezwungen, während dieser Zeit auf irgendetwas, wie z. B. auf das Fehlen des Salzes aufmerksam zu machen, so hilft man sich mit dem Ausruf: Nu, nu! Der Volkswitz bedient sich dieser Redensart als Zuruf an jemand, der sich durch „Nu, nu“, aus einer Verlegenheit ziehen will.

*7 Nu, rüf mich Beigelchapper. (Podolien.)

Nenne mich Brezeldieb, ich achte es nicht.

*8 Nu, rüf mich Knacknüssel. (Jüd.-deutsch. Podolien.)

Nenne mich immerhin Nussknacker, es ist mir gleich, welchen Spottnamen du mir nachrufst. Um auszudrücken, was kannst du mir thun, ich habe keine Furcht. Darüber, warum Nussknacker eine Beleidigung enthält, fehlt die Erklärung.

*9 Nu, rüf mich Pischer. (Jüd.-deutsch. Podolien.)

In demselben Sinne.


Nüchtern.

1 Gode (auch: jeden) Morge nöchter, e holwet Kalw to Liew.Frischbier2, 2804.

2 Niemals nüchtern und niemals voll thut in Sterbens Läuften wohl.Simrock, 7599; Pistor., VIII, 39.

3 Nimmer nüchtern, allzeit foll, bekombt weder Leib noch Seel wol.Gruter, III, 73; Lehmann II, 434, 69; Chaos, 207.

4 Nüchter ut de Harbarg ess dat erschte Onglück. (Grosser Werder.) – Frischbier2, 2805.

Dän.: Ondt at drage fasten af bye, æreløs fra ting, og ugudelig fra kirken. (Prov. dan., 158.)

5 Nüchtern gedacht, voll gesagt.Eiselein, 496.

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[[533]/0547] 5 Nothwehr – Todwehr. „Zu hoch gürten sprengt die Gurt, eim flüchtigen mag in der flucht auss scham vnd notdringlichkeit wider der not wachsen vnd auss Nohtwehr ein Todtwehr machen.“ (Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 434.) 6 Was ist so kühn, das Nothwehr nicht entschuldigt? Nothvendig. *1 Des ist so nothwendig, wie beim Bettelmann d' Kornschaufel. (Rottenburg.) – Birlinger, 684. *2 Er braucht's so nothwenig, wie den Arsch in der Brautnacht. *3 Er braucht's so nothwendig, wie ein armer Mann eine Fleischgabel. Holl.: Hij heeft zoo noodig als een arm man eene fleeschgaffel. (Harrebomée, II, 60a.) *4 Er hat's nothwendig wie der Rath zu Leipzig. – Klix, 51. *5 Es ist nicht nothwendig, der Sonne mit Fackeln zu helfen. *6 Si hat sou noathwendi1, wi di Katz im Kindbett. (Franken.) – Frommann, VI, 318, 219. 1) Eilig. (S. Hill.) Nothwendigkeit. Gegen die Nothwendigkeit kämpfen selbst die Götter vergebens. It.: Necessità fa forza anco ai piu prodi. Lat.: Adversus necessitatem ne Dii quidem resistunt. (Binder II, 78; Faselius, 7; Schamelius, III, 100; Wiegand, 786.) – Necessitati nec Deus ipse repugnat. – Paretur necessitati quam ne Dii quidem superant. (Livius.) (Faselius, 7.) Nothwendigstes. 1 Nimm stets das nothwendigst herfür, so du z'mal hast vil gschafft für dir. Frz.: Fays premier le necessaire, puis ce qui est a plaisir fault faire. (Bovill, III, 76.) Lat.: Cum tibi sit cura patrare negocia plura, tu primo cura, cuius mora plus nocitura. (Loci comm., 39.) – Quod necesse est primum fac, postea quod ad voluptatem aut oblectationem. (Bovill, III, 76.) 2 Wer das Nothwendigste hat, der hat viel. It.: Egli è un aver molto l'aver il bisognevole. Nothzüchtigen. * Etwas nothzüchtigen. Im sprichwörtlichen Sinne: misbrauchen, z. B. ein Instrument, eine Geige, ein Klavier, auch durch schlechte Musik die Ohren. Nöttens. *1 De mut na Nöttens und seggen de Keselefern an. – Hauskalender, IV. *2 Ga na Nöttens un lehr 't Gosewaren. – Eichwald, 1415; Bueren, 474; Frommann, V, 430, 475; Kern, 68. Gehe nach Nöttens (eine aus zwei Häusern bestehende Ortschaft im Kirchspiel Wittmund, Bezirk Aurich, Amt Harlingen) und lerne das Gänsehüten. Leider geben die ostfriesischen Sprichwörtersammlungen die dort für diesen Zweck bestehenden Anstalten, Lehrweisen und Schulregulative nicht an. November. 1 Ein heller (kalter, trockener) November gibt Regen und milde Luft im Januar. – Orakel, 860. 2 Fällt im November das Laub sehr früh zur Erden, soll ein feiner Sommer werden. – Boebel, 111. 3 Hat im November die Buche noch ihren Saft, so wird der Regen stärker als der Sonne Kraft. (Westpreuss.) – Boebel, 110. 4 Im November viel Nass, auf den Wiesen viel Gras. (Masuren.) – Boebel, 109. 5 Im November Wässerung ist der Wiesen Besserung. – Boebel, 110. 6 Ist im November die Buche starr und fest, sich grosse Kält' erwarten lässt. – Boebel, 110. 7 Wenn der November regnet und frostet, dies der Saat ihr Leben kostet. „Wenn es in den November hinein, besonders in der letzten Hälfte desselben regnet und bald darauf ein Frost einfällt, so soll dies der Saat merklichen Schaden thun und Theuerung verursachen.“ (Orakel, 862.) 8 Wenn es im November donnert, so soll dies ein fruchtbar Jahr bedeuten. – Orakel, 863. Man will auch noch bemerkt haben, dass das Getreide in Gebirgen gut, in Thälern aber schlecht gerathe, wenn das Gewitter bei Vollmond eintrete. (Orakel, 864.) 9 Wenn im November noch sitzt an den Bäumen das Laub, so kommt ein harter Winter, das glaub'. 10 Wer im November die Felder nicht gestürzt, der wird im nächsten Jahr verkürzt. 11 Wie der November, so der (nächste) März. – Boebel, 110; Orakel, 857. Nach andern: der nächste Mai. 12 Wie der November (in der letzten Hälfte) wittert, so wird es auch im künftigen März wittern. – Orakel, 858. Novemberschnee. Novemberschnee thut der Saat wohl, nicht weh. (Schles.) – Boebel, 110. Nözcher. * Wat sin dat för Nöözcher1 vun Kruschteie2. (Köln.) – Firmenich, I, 477, 260. 1) Kleine Dinger. 2) Kastanie. Nu. 1 In einem Nu geschieht, das man im Jahr sich nicht versieht. Lat.: Accidit in puncto quod non speratur in anno. (Seybold, 3.) *2 Es geschah im Nu. Lat.: Dum loqueris. – Inter manum et mentem. – Inter os et offam. (Binder II, 870 u. 1535.) *3 Nu – darfen (bedürfen, brauchen) Jüden Blüt. (Podolien.) Wenn die Grundlosigkeit einer Anklage klar und zur Genüge dargethan, wie diejenige vom Blutgebrauche der Juden zu ihren Osterbroten. Wie viel Judenblut hat es aber durch das ganze Mittelalter bis in die neueste Zeit gekostet, ehe die Ueberzeugung durchgedrungen, dass zu Osterbroten, die schon bereitet wurden, ehe es noch Christen gab, kein (Christen-)Blut erforderlich ist und verwandt wird. Mit der Dummheit und dem blinden Glauben kämpfen aber sogar die Götter vergebens. Doch ist der blinde Glaube der Juden um kein Haar besser, als der blinde Glaube der Christen. *4 Nu – is eine (nicht) Meküdejsches (angetraut). (Jüd.-deutsch. Warschau.) Von rückgängigen Geschäften; gleichsam von einer Braut, deren Partie aufgelöst wurde: „Nun bist du also nicht verlobt.“ *5 Nu – is halb gebruten. (Jüd.-deutsch. Warschau.) In 2 Mos. 12, 9 wird die Zubereitung des Osterlamms vorgeschrieben und gesagt, es müsse halb gar sein (= nu). Bedient sich nun jemand des Wörtchens „nu“, um sich aus einer Verlegenheit zu ziehen, so wird ihm scherzhaft zugerufen: „Ja, nu heisst halb gar.“ *6 Nu, nu – mach Mojze. (Jüd.-deutsch. Warschau.) Mojze machen heisst über ein Stück Brot vor jeder Mahlzeit den Segen sprechen, welchem das Händewaschen vorangeht. Zwischen dem Händewaschen bis zur Mojze darf nicht gesprochen werden, um den Segen nicht zu unterbrechen. Ist man jedoch gezwungen, während dieser Zeit auf irgendetwas, wie z. B. auf das Fehlen des Salzes aufmerksam zu machen, so hilft man sich mit dem Ausruf: Nu, nu! Der Volkswitz bedient sich dieser Redensart als Zuruf an jemand, der sich durch „Nu, nu“, aus einer Verlegenheit ziehen will. *7 Nu, rüf mich Beigelchapper. (Podolien.) Nenne mich Brezeldieb, ich achte es nicht. *8 Nu, rüf mich Knacknüssel. (Jüd.-deutsch. Podolien.) Nenne mich immerhin Nussknacker, es ist mir gleich, welchen Spottnamen du mir nachrufst. Um auszudrücken, was kannst du mir thun, ich habe keine Furcht. Darüber, warum Nussknacker eine Beleidigung enthält, fehlt die Erklärung. *9 Nu, rüf mich Pischer. (Jüd.-deutsch. Podolien.) In demselben Sinne. Nüchtern. 1 Gode (auch: jeden) Morge nöchter, e holwet Kalw to Liew. – Frischbier2, 2804. 2 Niemals nüchtern und niemals voll thut in Sterbens Läuften wohl. – Simrock, 7599; Pistor., VIII, 39. 3 Nimmer nüchtern, allzeit foll, bekombt weder Leib noch Seel wol. – Gruter, III, 73; Lehmann II, 434, 69; Chaos, 207. 4 Nüchter ut de Harbarg ess dat erschte Onglück. (Grosser Werder.) – Frischbier2, 2805. Dän.: Ondt at drage fasten af bye, æreløs fra ting, og ugudelig fra kirken. (Prov. dan., 158.) 5 Nüchtern gedacht, voll gesagt. – Eiselein, 496. Lat.: Quod in animo sobrii, id est in lingua ebrii. (Eiselein, 496; Henisch, 678, 65; Seybold, 506.)

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873, S. [533]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/547>, abgerufen am 30.04.2024.