Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
[Spaltenumbruch]

98 Sei säu (sieh so, so recht), dat ruimed, sach de Biur, doa was hai vanner Ledder fallen. (Hemer in der Grafschaft Mark.) - Frommann, III, 260, 25.

99 Siegst, hat de Fink g'sagt und hat ön Spaz'n d' Augng ausg'hackt. (Oberösterreich.) - Baumgarten, 91.

Erwiderung dessen, der eine abschnappende Rede hören musste, im Gespräch a'trumpft worden ist.

100 Sieh auf dich und die Deinen, dann bessere (schilt) mich und die Meinen. - Haug, Lichtensteiner, 245; Simrock, 1557.

101 Sieh dich an und beurtheil' mich, findest dich ohne Schuld, dann straf' mich. - Körte, 5552. ist von Goethe, Zahme Xenien (Hempel, II, 368), die andere Zeile lautet: "Darum ward Gott so oft zu Spott".

102 Sieh für dich und sieh hinter dich, und handle ja fürsichtiglich; das soltu lern bey dem Gedicht, dass Janus hat zwei Angesicht. - Hertz, 63.

103 Sieh hinter dich, sieh vor dich, die Welt, die ist sehr wunderlich; die Falschheit ist gemein, die Treue aber allein. - J. G. Kohl, Nordwestdeutsche Skizzen (Bremen 1864), II, 214; Hertz, 36.

Ein westfälischer Fensterspruch (s. Leiden, Verb., 47), dessen letzte Zeile wol die glatte Höflichkeit der Menschen charakterisiren, und warnen will, sich von ihr täuschen zu lassen.

Dän.: See dig for, see dig bag, din taersker ei bedrager dig. (Prov. dan., 493.)

104 Sieh nicht auf mich, sondern auf dich; thu' ich unrecht, dafür hüte dich. - Körte, 5551.

105 Sieh nicht über dich, sondern unter dich. - Simrock, 9458; Körte, 5853; Braun, I, 4100.

Nicht auf die Glücklichern, sondern auf die, denen es weniger gut geht als dir.

106 Sieh recht, hör' recht, red' recht; so geht's in aller Welt recht.

107 Sieh selbst nach deinen Dingen, wenn sie sollen wohlgelingen.

Bekümmere dich selbst um dein Hauswesen, dein Geschäft u. s. w., und verlass dich nicht auf Miethlinge.

108 Sieh vor in dein eigen Hauss, dann sih auf mich zum Fenster aus. - Chaos, 156.

109 Sieh, wer du bist, der tod gwus ist; ungwus die stund, redt gotes mund.

Dieser Spruch steht auf einer, wie man vermuthet, von Jakob Stampfer auf den züricher Maler Johann Asper verfertigten Medaille vom Jahre 1540. Alfred von Sallet hat Im neuen Reich (1873, Nr. 42, S. 609-613) Deutsche Sinnsprüche auf Medaillen des 16. Jahrhunderts, die sich im berliner Museum befinden, veröffentlicht, zu denen der obige gehört. Er hebt dabei diesen schönen Brauch unserer Vorfahren hervor, indem er sagt: "Wenn wir unser Porträt verschenken, dann wird die Gabe höchstens von einer kurzen Widmung nebst Datum und Unterschrift begleitet. Unsere Vorfahren waren aber damit nicht zufrieden; der Patricier des 16. Jahrhunderts liess von geschickter Hand sein Bildniss in Stein oder Holz schneiden und von diesem als Modell Abgüsse in edeln und unedeln Metallen verfertigen, deren Rückseite ausser dem Wappen oder einer sinnigen Allegorie, meist kurze, treffende Devisen enthielt. Ein solches, sauber vom Künstler ciselirtes Schaustück war freilich ein solideres und erfreulicheres Andenken als unsere heutigen Photographien; es war kein todtmechanischer Abklatsch der Persönlichkeit, es war ein wahres Abbild des Dargestellten. Wie diese meisterhaften Kunstwerke, so verdienen auch die sie begleitenden Unterschriften, die Sinnsprüche, wie man sie in der Zeit selbst nannte, Beachtung, vor allem natürlich diejenigen, welche nicht in der todten Gelehrtensprache jener Zeit abgefasst, sondern in der neu auflebenden deutschen Sprache gedichtet sind, nicht aus früherer Zeit überkommen, sondern frisch und grün in der Zeit selbst entstanden." A. von Sallet lässt nun eine Anzahl dieser Sinnsprüche, wortgetreu den Originalen des berliner Museums entnommen, folgen, die im Deutschen Sprichwörter-Lexikon unter den betreffenden Stichwörtern ihren Platz finden werden.

110 Sieh zuerst in dein Haus, danach hinaus. (S. Schüssel 18.) - Sailer, 77.

111 Sieh zuvor, so darfst du nachher nicht klagen. - Graf, 423, 173.

Bezieht sich auf Vorsicht bei abzuschliessenden Vergleichen, weil man nach ungünstigem Vergleich nicht mehr den Rechtsweg verfolgen kann. Auf Rügen: Sehe tho thovor, so darffst du namahlen nicht klagen. (Normann, 208, 165.)


[Spaltenumbruch]

112 Siehe auff dich vnd nicht auff mich; thue ich vnrecht, so hüte dich! - Gruter, III, 81; Lehmann, II, 577, 79; Zinkgref, IV, 374.

Lat.: Officium alterius multis narrare memento, atque aliis, cum tu benefeceris, ipse sileto. (Chaos, 152.)

113 Siehn düt gedenken. (Meurs.) - Firmenich, I, 406, 352.

114 Sihe für dich, trew ist misslich. - Agricola I, 15; Gruter, I, 65; III, 81.

115 Sihe (vor) in dein eygen spil. - Franck, II, 120a.

116 Sihe in dein hauss, danach darauss. - Franck, II, 120b; Gruter, III, 81.

117 Siehet mans, so spile ichs; sihet mans nit, so stile ichs. - Franck, II, 85b; Tappius, 109a; Gruter, I, 65; Lehmann, 91, 44 u. 104, 16; Schottel, 1145b; Eiselein, 573; Körte, 5554; Simrock, 9709; Braun, I, 4202.

"Werd ich gesehen von stund ich spiel; bin ich verborgen, alsdan ich stiel."

Holl.: Siet ment, so speel ic, siet ment niet, so steel ic. (Tunn., 22, 15.)

Lat.: Si uideor, ludo; si non, tunc furta recludo. (Loci comm., 74.)

118 So wat mag ik nich sen, säd' de Ertehersch, da sett't se sick de Brill up de Näs'. (Hamburg.) - Hoefer, 259.

119 Viel sehen, hören, wenig sagen ist gut und nützt in allen Tagen.

Engl.: Wide ears and short tongue is best.

It.: Il poco mangiar e poco parlare non fece mai male. - Testa savia rende la bocca stretta.

Lat.: Audi, cerne, tace, si vis cum vivere pace. - Nil malius vere, quam cum ratione tacere. (Masson, 283.)

120 Viel sehen, viel hören vnd wenig sagen, das gehört zu fried (zur Gunst) vnnd guten Tagen. - Lehmann, 711, 8; Wirth, II, 422.

Lat.: Loqui et non cogitare est jaculari et non collimare. (Chaos, 805.)

121 Viel sehen, wenig sagen, das gehört zu guten Tagen. - Lehmann, II, 790, 67; Henisch, 1440, 19.

Dän.: Meget see og höre, men lidet tale giver god dag. (Prov. dan., 493.)

122 Viele sehen mehr als einer.

Lat.: Oculi plus vident, quam oculus. (Philippi, II, 61; Schonheim, O, 3.)

123 Vom Sehen kommt man zum Denken, vom Denken zum Gefallen, vom Gefallen zum Wöllen, vom Wollen kommt man zur Höllen. - Parömiakon, 454.

Entwickelungsgeschichte der Sünde mit ihren Folgen.

124 Von oben ist gut sehen, im Thale gut gehen.

Böhm.: S vrchu dobre hledeti, po rovine dobre jiti. (Celakovsky, 179.)

125 Wann man nicht recht sieht, ist das Greifen erlaubt. (Amberg.)

126 Wann siht ein Mensch andere saur Ding essen, so ilgern (?) ihm die Zäne. - Eiselein, 654.

127 Was einer gern sihet, das glaubet er auch gern. - Pauli, Postilla, I, 635b.

128 Was ich sehe, das glaube ich.

Lat.: Visus fidelior auditu. (Seybold, 640.)

129 Was man am andern sihet, das muss man selber auch gewertig sein. - Henisch, 1594, 62.

130 Was man nicht gesehen hat, kann man nicht malen.

Was einer nicht selbst erfahren hat, davon kann er nicht zeugen.

Böhm.: Kdo co nevidel, neumi to dobre malovati; kdo co nezkusil, neumi o tom povidati. (Celakovsky, 215.)

131 Was man nicht gesehen hat, soll man nicht fest für Wahrheit halten.

Bei Tunnicius (759): Dat men nicht gesein heft, sal men nicht vast vor de warheit holden. (Quae non visa tibi, noli affirmare frequenter.)

132 Was man nicht sieht, das will man nicht haben.

Böhm.: Co se nevidi, to se nekrade. (Celakovsky, 144.)

Kroat.: Kadega ni videti, niga nit kaj vzeti. - Ooci jsou svudkyne. (Celakovsky, 144.)

133 Was man nicht sieht, macht einem keine Sorge.

Will sagen, man soll nicht gar zu neugierig in alle Ecken sehen, um zu erforschen, was unser Gesinde u. s. w. sagt und thut, man mache sich sonst unnöthigen Kummer.

Engl.: What the eye sees not, the eye rues not.

[Spaltenumbruch]

98 Sî säu (sieh so, so recht), dat ruimed, sach de Biur, doa was hai vanner Ledder fallen. (Hemer in der Grafschaft Mark.) – Frommann, III, 260, 25.

99 Siegst, hat de Fink g'sagt und hat ön Spaz'n d' Augng ausg'hackt. (Oberösterreich.) – Baumgarten, 91.

Erwiderung dessen, der eine abschnappende Rede hören musste, im Gespräch a'trumpft worden ist.

100 Sieh auf dich und die Deinen, dann bessere (schilt) mich und die Meinen.Haug, Lichtensteiner, 245; Simrock, 1557.

101 Sieh dich an und beurtheil' mich, findest dich ohne Schuld, dann straf' mich.Körte, 5552. ist von Goethe, Zahme Xenien (Hempel, II, 368), die andere Zeile lautet: „Darum ward Gott so oft zu Spott“.

102 Sieh für dich und sieh hinter dich, und handle ja fürsichtiglich; das soltu lern bey dem Gedicht, dass Janus hat zwei Angesicht.Hertz, 63.

103 Sieh hinter dich, sieh vor dich, die Welt, die ist sehr wunderlich; die Falschheit ist gemein, die Treue aber allein.J. G. Kohl, Nordwestdeutsche Skizzen (Bremen 1864), II, 214; Hertz, 36.

Ein westfälischer Fensterspruch (s. Leiden, Verb., 47), dessen letzte Zeile wol die glatte Höflichkeit der Menschen charakterisiren, und warnen will, sich von ihr täuschen zu lassen.

Dän.: See dig for, see dig bag, din taersker ei bedrager dig. (Prov. dan., 493.)

104 Sieh nicht auf mich, sondern auf dich; thu' ich unrecht, dafür hüte dich.Körte, 5551.

105 Sieh nicht über dich, sondern unter dich.Simrock, 9458; Körte, 5853; Braun, I, 4100.

Nicht auf die Glücklichern, sondern auf die, denen es weniger gut geht als dir.

106 Sieh recht, hör' recht, red' recht; so geht's in aller Welt recht.

107 Sieh selbst nach deinen Dingen, wenn sie sollen wohlgelingen.

Bekümmere dich selbst um dein Hauswesen, dein Geschäft u. s. w., und verlass dich nicht auf Miethlinge.

108 Sieh vor in dein eigen Hauss, dann sih auf mich zum Fenster aus.Chaos, 156.

109 Sieh, wer du bist, der tod gwus ist; ungwus die stund, redt gotes mund.

Dieser Spruch steht auf einer, wie man vermuthet, von Jakob Stampfer auf den züricher Maler Johann Asper verfertigten Medaille vom Jahre 1540. Alfred von Sallet hat Im neuen Reich (1873, Nr. 42, S. 609-613) Deutsche Sinnsprüche auf Medaillen des 16. Jahrhunderts, die sich im berliner Museum befinden, veröffentlicht, zu denen der obige gehört. Er hebt dabei diesen schönen Brauch unserer Vorfahren hervor, indem er sagt: „Wenn wir unser Porträt verschenken, dann wird die Gabe höchstens von einer kurzen Widmung nebst Datum und Unterschrift begleitet. Unsere Vorfahren waren aber damit nicht zufrieden; der Patricier des 16. Jahrhunderts liess von geschickter Hand sein Bildniss in Stein oder Holz schneiden und von diesem als Modell Abgüsse in edeln und unedeln Metallen verfertigen, deren Rückseite ausser dem Wappen oder einer sinnigen Allegorie, meist kurze, treffende Devisen enthielt. Ein solches, sauber vom Künstler ciselirtes Schaustück war freilich ein solideres und erfreulicheres Andenken als unsere heutigen Photographien; es war kein todtmechanischer Abklatsch der Persönlichkeit, es war ein wahres Abbild des Dargestellten. Wie diese meisterhaften Kunstwerke, so verdienen auch die sie begleitenden Unterschriften, die Sinnsprüche, wie man sie in der Zeit selbst nannte, Beachtung, vor allem natürlich diejenigen, welche nicht in der todten Gelehrtensprache jener Zeit abgefasst, sondern in der neu auflebenden deutschen Sprache gedichtet sind, nicht aus früherer Zeit überkommen, sondern frisch und grün in der Zeit selbst entstanden.“ A. von Sallet lässt nun eine Anzahl dieser Sinnsprüche, wortgetreu den Originalen des berliner Museums entnommen, folgen, die im Deutschen Sprichwörter-Lexikon unter den betreffenden Stichwörtern ihren Platz finden werden.

110 Sieh zuerst in dein Haus, danach hinaus. (S. Schüssel 18.) – Sailer, 77.

111 Sieh zuvor, so darfst du nachher nicht klagen.Graf, 423, 173.

Bezieht sich auf Vorsicht bei abzuschliessenden Vergleichen, weil man nach ungünstigem Vergleich nicht mehr den Rechtsweg verfolgen kann. Auf Rügen: Sehe tho thovor, so darffst du namahlen nicht klagen. (Normann, 208, 165.)


[Spaltenumbruch]

112 Siehe auff dich vnd nicht auff mich; thue ich vnrecht, so hüte dich!Gruter, III, 81; Lehmann, II, 577, 79; Zinkgref, IV, 374.

Lat.: Officium alterius multis narrare memento, atque aliis, cum tu benefeceris, ipse sileto. (Chaos, 152.)

113 Siehn düt gedenken. (Meurs.) – Firmenich, I, 406, 352.

114 Sihe für dich, trew ist misslich.Agricola I, 15; Gruter, I, 65; III, 81.

115 Sihe (vor) in dein eygen spil.Franck, II, 120a.

116 Sihe in dein hauss, danach darauss.Franck, II, 120b; Gruter, III, 81.

117 Siehet mans, so spile ichs; sihet mans nit, so stile ichs.Franck, II, 85b; Tappius, 109a; Gruter, I, 65; Lehmann, 91, 44 u. 104, 16; Schottel, 1145b; Eiselein, 573; Körte, 5554; Simrock, 9709; Braun, I, 4202.

„Werd ich gesehen von stund ich spiel; bin ich verborgen, alsdan ich stiel.“

Holl.: Siet ment, so speel ic, siet ment niet, so steel ic. (Tunn., 22, 15.)

Lat.: Si uideor, ludo; si non, tunc furta recludo. (Loci comm., 74.)

118 So wat mag ik nich sên, säd' de Ertehersch, da sett't se sick de Brill up de Näs'. (Hamburg.) – Hoefer, 259.

119 Viel sehen, hören, wenig sagen ist gut und nützt in allen Tagen.

Engl.: Wide ears and short tongue is best.

It.: Il poco mangiar e poco parlare non fece mai male. – Testa savia rende la bocca stretta.

Lat.: Audi, cerne, tace, si vis cum vivere pace. – Nil malius vere, quam cum ratione tacere. (Masson, 283.)

120 Viel sehen, viel hören vnd wenig sagen, das gehört zu fried (zur Gunst) vnnd guten Tagen.Lehmann, 711, 8; Wirth, II, 422.

Lat.: Loqui et non cogitare est jaculari et non collimare. (Chaos, 805.)

121 Viel sehen, wenig sagen, das gehört zu guten Tagen.Lehmann, II, 790, 67; Henisch, 1440, 19.

Dän.: Meget see og høre, men lidet tale giver god dag. (Prov. dan., 493.)

122 Viele sehen mehr als einer.

Lat.: Oculi plus vident, quam oculus. (Philippi, II, 61; Schonheim, O, 3.)

123 Vom Sehen kommt man zum Denken, vom Denken zum Gefallen, vom Gefallen zum Wöllen, vom Wollen kommt man zur Höllen.Parömiakon, 454.

Entwickelungsgeschichte der Sünde mit ihren Folgen.

124 Von oben ist gut sehen, im Thale gut gehen.

Böhm.: S vrchu dobře hledĕtí, po rovinĕ dobře jíti. (Čelakovsky, 179.)

125 Wann man nicht recht sieht, ist das Greifen erlaubt. (Amberg.)

126 Wann siht ein Mensch andere sûr Ding essen, so ilgern (?) ihm die Zäne.Eiselein, 654.

127 Was einer gern sihet, das glaubet er auch gern.Pauli, Postilla, I, 635b.

128 Was ich sehe, das glaube ich.

Lat.: Visus fidelior auditu. (Seybold, 640.)

129 Was man am andern sihet, das muss man selber auch gewertig sein.Henisch, 1594, 62.

130 Was man nicht gesehen hat, kann man nicht malen.

Was einer nicht selbst erfahren hat, davon kann er nicht zeugen.

Böhm.: Kdo co nevidĕl, neumí to dobře malovati; kdo co nezkusil, neumí o tom povídati. (Čelakovsky, 215.)

131 Was man nicht gesehen hat, soll man nicht fest für Wahrheit halten.

Bei Tunnicius (759): Dat men nicht gesein heft, sal men nicht vast vor de wârheit holden. (Quae non visa tibi, noli affirmare frequenter.)

132 Was man nicht sieht, das will man nicht haben.

Böhm.: Co se nevidí, to se nekrade. (Čelakovsky, 144.)

Kroat.: Kadégâ ni vidéti, nigâ nit kaj vzetí. – Ooči jsou svůdkynĕ. (Čelakovsky, 144.)

133 Was man nicht sieht, macht einem keine Sorge.

Will sagen, man soll nicht gar zu neugierig in alle Ecken sehen, um zu erforschen, was unser Gesinde u. s. w. sagt und thut, man mache sich sonst unnöthigen Kummer.

Engl.: What the eye sees not, the eye rues not.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <pb facs="#f0259" n="[253]"/>
          <cb n="505"/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">98 Sî säu (sieh so, so recht), dat ruimed, sach de Biur, doa was hai vanner Ledder fallen.</hi> (<hi rendition="#i">Hemer in der Grafschaft Mark.</hi>) &#x2013; <hi rendition="#i">Frommann, III, 260, 25.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">99 Siegst, hat de Fink g'sagt und hat ön Spaz'n d' Augng ausg'hackt.</hi> (<hi rendition="#i">Oberösterreich.</hi>) &#x2013; <hi rendition="#i">Baumgarten, 91.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Erwiderung dessen, der eine abschnappende Rede hören musste, im Gespräch a'trumpft worden ist.</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">100 Sieh auf dich und die Deinen, dann bessere (schilt) mich und die Meinen.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Haug, Lichtensteiner, 245; Simrock, 1557.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">101 Sieh dich an und beurtheil' mich, findest dich ohne Schuld, dann straf' mich.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Körte, 5552.</hi> ist von Goethe, Zahme Xenien (Hempel, II, 368), die andere Zeile lautet: &#x201E;Darum ward Gott so oft zu Spott&#x201C;.</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">102 Sieh für dich und sieh hinter dich, und handle ja fürsichtiglich; das soltu lern bey dem Gedicht, dass Janus hat zwei Angesicht.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Hertz, 63.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">103 Sieh hinter dich, sieh vor dich, die Welt, die ist sehr wunderlich; die Falschheit ist gemein, die Treue aber allein.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">J. G. Kohl, Nordwestdeutsche Skizzen (Bremen 1864), II, 214; Hertz, 36.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Ein westfälischer Fensterspruch (<hi rendition="#i">s. Leiden, Verb., 47</hi>), dessen letzte Zeile wol die glatte Höflichkeit der Menschen charakterisiren, und warnen will, sich von ihr täuschen zu lassen.</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Dän.</hi>: See dig for, see dig bag, din taersker ei bedrager dig. (<hi rendition="#i">Prov. dan., 493.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">104 Sieh nicht auf mich, sondern auf dich; thu' ich unrecht, dafür hüte dich.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Körte, 5551.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">105 Sieh nicht über dich, sondern unter dich.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Simrock, 9458; Körte, 5853; Braun, I, 4100.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Nicht auf die Glücklichern, sondern auf die, denen es weniger gut geht als dir.</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">106 Sieh recht, hör' recht, red' recht; so geht's in aller Welt recht.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">107 Sieh selbst nach deinen Dingen, wenn sie sollen wohlgelingen.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Bekümmere dich selbst um dein Hauswesen, dein Geschäft u. s. w., und verlass dich nicht auf Miethlinge.</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">108 Sieh vor in dein eigen Hauss, dann sih auf mich zum Fenster aus.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Chaos, 156.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">109 Sieh, wer du bist, der tod gwus ist; ungwus die stund, redt gotes mund.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Dieser Spruch steht auf einer, wie man vermuthet, von Jakob Stampfer auf den züricher Maler Johann Asper verfertigten Medaille vom Jahre 1540. <hi rendition="#i">Alfred von Sallet hat Im neuen Reich (1873, Nr. 42, S. 609-613) Deutsche Sinnsprüche auf Medaillen des 16. Jahrhunderts,</hi> die sich im berliner Museum befinden, veröffentlicht, zu denen der obige gehört. Er hebt dabei diesen schönen Brauch unserer Vorfahren hervor, indem er sagt: &#x201E;Wenn wir unser Porträt verschenken, dann wird die Gabe höchstens von einer kurzen Widmung nebst Datum und Unterschrift begleitet. Unsere Vorfahren waren aber damit nicht zufrieden; der Patricier des 16. Jahrhunderts liess von geschickter Hand sein Bildniss in Stein oder Holz schneiden und von diesem als Modell Abgüsse in edeln und unedeln Metallen verfertigen, deren Rückseite ausser dem Wappen oder einer sinnigen Allegorie, meist kurze, treffende Devisen enthielt. Ein solches, sauber vom Künstler ciselirtes Schaustück war freilich ein solideres und erfreulicheres Andenken als unsere heutigen Photographien; es war kein todtmechanischer Abklatsch der Persönlichkeit, es war ein wahres Abbild des Dargestellten. Wie diese meisterhaften Kunstwerke, so verdienen auch die sie begleitenden Unterschriften, die Sinnsprüche, wie man sie in der Zeit selbst nannte, Beachtung, vor allem natürlich diejenigen, welche nicht in der todten Gelehrtensprache jener Zeit abgefasst, sondern in der neu auflebenden deutschen Sprache gedichtet sind, nicht aus früherer Zeit überkommen, sondern frisch und grün in der Zeit selbst entstanden.&#x201C; <hi rendition="#i">A. von Sallet</hi> lässt nun eine Anzahl dieser Sinnsprüche, wortgetreu den Originalen des berliner Museums entnommen, folgen, die im <hi rendition="#i">Deutschen Sprichwörter-Lexikon</hi> unter den betreffenden Stichwörtern ihren Platz finden werden.</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">110 Sieh zuerst in dein Haus, danach hinaus.</hi> (S.  Schüssel 18.) &#x2013; <hi rendition="#i">Sailer, 77.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">111 Sieh zuvor, so darfst du nachher nicht klagen.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Graf, 423, 173.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Bezieht sich auf Vorsicht bei abzuschliessenden Vergleichen, weil man nach ungünstigem Vergleich nicht mehr den Rechtsweg verfolgen kann. Auf Rügen: Sehe tho thovor, so darffst du namahlen nicht klagen. (<hi rendition="#i">Normann, 208, 165.</hi>)</p><lb/>
          <cb n="506"/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">112 Siehe auff dich vnd nicht auff mich; thue ich vnrecht, so hüte dich!</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Gruter, III, 81; Lehmann, II, 577, 79; Zinkgref, IV, 374.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Officium alterius multis narrare memento, atque aliis, cum tu benefeceris, ipse sileto. (<hi rendition="#i">Chaos, 152.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">113 Siehn düt gedenken.</hi> (<hi rendition="#i">Meurs.</hi>) &#x2013; <hi rendition="#i">Firmenich, I, 406, 352.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">114 Sihe für dich, trew ist misslich.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Agricola I, 15; Gruter, I, 65; III, 81.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">115 Sihe (vor) in dein eygen spil.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Franck, II, 120<hi rendition="#sup">a</hi>.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">116 Sihe in dein hauss, danach darauss.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Franck, II, 120<hi rendition="#sup">b</hi>; Gruter, III, 81.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">117 Siehet mans, so spile ichs; sihet mans nit, so stile ichs.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Franck, II, 85<hi rendition="#sup">b</hi>; Tappius, 109<hi rendition="#sup">a</hi>; Gruter, I, 65; Lehmann, 91, 44 u. 104, 16; Schottel, 1145<hi rendition="#sup">b</hi>; Eiselein, 573; Körte, 5554; Simrock, 9709; Braun, I, 4202.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">&#x201E;Werd ich gesehen von stund ich spiel; bin ich verborgen, alsdan ich stiel.&#x201C;</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Holl.</hi>: Siet ment, so speel ic, siet ment niet, so steel ic. (<hi rendition="#i">Tunn., 22, 15.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Si uideor, ludo; si non, tunc furta recludo. (<hi rendition="#i">Loci comm., 74.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">118 So wat mag ik nich sên, säd' de Ertehersch, da sett't se sick de Brill up de Näs'.</hi> (<hi rendition="#i">Hamburg.</hi>) &#x2013; <hi rendition="#i">Hoefer, 259.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">119 Viel sehen, hören, wenig sagen ist gut und nützt in allen Tagen.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Engl.</hi>: Wide ears and short tongue is best.</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">It.</hi>: Il poco mangiar e poco parlare non fece mai male. &#x2013; Testa savia rende la bocca stretta.</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Audi, cerne, tace, si vis cum vivere pace. &#x2013; Nil malius vere, quam cum ratione tacere. (<hi rendition="#i">Masson, 283.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">120 Viel sehen, viel hören vnd wenig sagen, das gehört zu fried (zur Gunst) vnnd guten Tagen.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Lehmann, 711, 8; Wirth, II, 422.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Loqui et non cogitare est jaculari et non collimare. (<hi rendition="#i">Chaos, 805.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">121 Viel sehen, wenig sagen, das gehört zu guten Tagen.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Lehmann, II, 790, 67; Henisch, 1440, 19.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Dän.</hi>: Meget see og høre, men lidet tale giver god dag. (<hi rendition="#i">Prov. dan., 493.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">122 Viele sehen mehr als einer.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Oculi plus vident, quam oculus. (<hi rendition="#i">Philippi, II, 61; Schonheim, O, 3.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">123 Vom Sehen kommt man zum Denken, vom Denken zum Gefallen, vom Gefallen zum Wöllen, vom Wollen kommt man zur Höllen.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Parömiakon, 454.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Entwickelungsgeschichte der Sünde mit ihren Folgen.</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">124 Von oben ist gut sehen, im Thale gut gehen.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Böhm.</hi>: S vrchu dob&#x0159;e hled&#x0115;tí, po rovin&#x0115; dob&#x0159;e jíti. (<hi rendition="#i">&#x010C;elakovsky, 179.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">125 Wann man nicht recht sieht, ist das Greifen erlaubt.</hi> (<hi rendition="#i">Amberg.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">126 Wann siht ein Mensch andere sûr Ding essen, so ilgern (?) ihm die Zäne.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Eiselein, 654.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">127 Was einer gern sihet, das glaubet er auch gern.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Pauli, Postilla, I, 635<hi rendition="#sup">b</hi>.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">128 Was ich sehe, das glaube ich.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Visus fidelior auditu. (<hi rendition="#i">Seybold, 640.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">129 Was man am andern sihet, das muss man selber auch gewertig sein.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Henisch, 1594, 62.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">130 Was man nicht gesehen hat, kann man nicht malen.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Was einer nicht selbst erfahren hat, davon kann er nicht zeugen.</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Böhm.</hi>: Kdo co nevid&#x0115;l, neumí to dob&#x0159;e malovati; kdo co nezkusil, neumí o tom povídati. (<hi rendition="#i">&#x010C;elakovsky, 215.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">131 Was man nicht gesehen hat, soll man nicht fest für Wahrheit halten.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Bei <hi rendition="#i">Tunnicius (759)</hi>: Dat men nicht gesein heft, sal men nicht vast vor de wârheit holden. (Quae non visa tibi, noli affirmare frequenter.)</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">132 Was man nicht sieht, das will man nicht haben.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Böhm.</hi>: Co se nevidí, to se nekrade. (<hi rendition="#i">&#x010C;elakovsky, 144.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Kroat.</hi>: Kadégâ ni vidéti, nigâ nit kaj vzetí. &#x2013; Oo&#x010D;i jsou sv&#x016F;dkyn&#x0115;. (<hi rendition="#i">&#x010C;elakovsky, 144.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">133 Was man nicht sieht, macht einem keine Sorge.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Will sagen, man soll nicht gar zu neugierig in alle Ecken sehen, um zu erforschen, was unser Gesinde u. s. w. sagt und thut, man mache sich sonst unnöthigen Kummer.</p><lb/>
          <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Engl.</hi>: What the eye sees not, the eye rues not.</p><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">
</hi> </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[253]/0259] 98 Sî säu (sieh so, so recht), dat ruimed, sach de Biur, doa was hai vanner Ledder fallen. (Hemer in der Grafschaft Mark.) – Frommann, III, 260, 25. 99 Siegst, hat de Fink g'sagt und hat ön Spaz'n d' Augng ausg'hackt. (Oberösterreich.) – Baumgarten, 91. Erwiderung dessen, der eine abschnappende Rede hören musste, im Gespräch a'trumpft worden ist. 100 Sieh auf dich und die Deinen, dann bessere (schilt) mich und die Meinen. – Haug, Lichtensteiner, 245; Simrock, 1557. 101 Sieh dich an und beurtheil' mich, findest dich ohne Schuld, dann straf' mich. – Körte, 5552. ist von Goethe, Zahme Xenien (Hempel, II, 368), die andere Zeile lautet: „Darum ward Gott so oft zu Spott“. 102 Sieh für dich und sieh hinter dich, und handle ja fürsichtiglich; das soltu lern bey dem Gedicht, dass Janus hat zwei Angesicht. – Hertz, 63. 103 Sieh hinter dich, sieh vor dich, die Welt, die ist sehr wunderlich; die Falschheit ist gemein, die Treue aber allein. – J. G. Kohl, Nordwestdeutsche Skizzen (Bremen 1864), II, 214; Hertz, 36. Ein westfälischer Fensterspruch (s. Leiden, Verb., 47), dessen letzte Zeile wol die glatte Höflichkeit der Menschen charakterisiren, und warnen will, sich von ihr täuschen zu lassen. Dän.: See dig for, see dig bag, din taersker ei bedrager dig. (Prov. dan., 493.) 104 Sieh nicht auf mich, sondern auf dich; thu' ich unrecht, dafür hüte dich. – Körte, 5551. 105 Sieh nicht über dich, sondern unter dich. – Simrock, 9458; Körte, 5853; Braun, I, 4100. Nicht auf die Glücklichern, sondern auf die, denen es weniger gut geht als dir. 106 Sieh recht, hör' recht, red' recht; so geht's in aller Welt recht. 107 Sieh selbst nach deinen Dingen, wenn sie sollen wohlgelingen. Bekümmere dich selbst um dein Hauswesen, dein Geschäft u. s. w., und verlass dich nicht auf Miethlinge. 108 Sieh vor in dein eigen Hauss, dann sih auf mich zum Fenster aus. – Chaos, 156. 109 Sieh, wer du bist, der tod gwus ist; ungwus die stund, redt gotes mund. Dieser Spruch steht auf einer, wie man vermuthet, von Jakob Stampfer auf den züricher Maler Johann Asper verfertigten Medaille vom Jahre 1540. Alfred von Sallet hat Im neuen Reich (1873, Nr. 42, S. 609-613) Deutsche Sinnsprüche auf Medaillen des 16. Jahrhunderts, die sich im berliner Museum befinden, veröffentlicht, zu denen der obige gehört. Er hebt dabei diesen schönen Brauch unserer Vorfahren hervor, indem er sagt: „Wenn wir unser Porträt verschenken, dann wird die Gabe höchstens von einer kurzen Widmung nebst Datum und Unterschrift begleitet. Unsere Vorfahren waren aber damit nicht zufrieden; der Patricier des 16. Jahrhunderts liess von geschickter Hand sein Bildniss in Stein oder Holz schneiden und von diesem als Modell Abgüsse in edeln und unedeln Metallen verfertigen, deren Rückseite ausser dem Wappen oder einer sinnigen Allegorie, meist kurze, treffende Devisen enthielt. Ein solches, sauber vom Künstler ciselirtes Schaustück war freilich ein solideres und erfreulicheres Andenken als unsere heutigen Photographien; es war kein todtmechanischer Abklatsch der Persönlichkeit, es war ein wahres Abbild des Dargestellten. Wie diese meisterhaften Kunstwerke, so verdienen auch die sie begleitenden Unterschriften, die Sinnsprüche, wie man sie in der Zeit selbst nannte, Beachtung, vor allem natürlich diejenigen, welche nicht in der todten Gelehrtensprache jener Zeit abgefasst, sondern in der neu auflebenden deutschen Sprache gedichtet sind, nicht aus früherer Zeit überkommen, sondern frisch und grün in der Zeit selbst entstanden.“ A. von Sallet lässt nun eine Anzahl dieser Sinnsprüche, wortgetreu den Originalen des berliner Museums entnommen, folgen, die im Deutschen Sprichwörter-Lexikon unter den betreffenden Stichwörtern ihren Platz finden werden. 110 Sieh zuerst in dein Haus, danach hinaus. (S. Schüssel 18.) – Sailer, 77. 111 Sieh zuvor, so darfst du nachher nicht klagen. – Graf, 423, 173. Bezieht sich auf Vorsicht bei abzuschliessenden Vergleichen, weil man nach ungünstigem Vergleich nicht mehr den Rechtsweg verfolgen kann. Auf Rügen: Sehe tho thovor, so darffst du namahlen nicht klagen. (Normann, 208, 165.) 112 Siehe auff dich vnd nicht auff mich; thue ich vnrecht, so hüte dich! – Gruter, III, 81; Lehmann, II, 577, 79; Zinkgref, IV, 374. Lat.: Officium alterius multis narrare memento, atque aliis, cum tu benefeceris, ipse sileto. (Chaos, 152.) 113 Siehn düt gedenken. (Meurs.) – Firmenich, I, 406, 352. 114 Sihe für dich, trew ist misslich. – Agricola I, 15; Gruter, I, 65; III, 81. 115 Sihe (vor) in dein eygen spil. – Franck, II, 120a. 116 Sihe in dein hauss, danach darauss. – Franck, II, 120b; Gruter, III, 81. 117 Siehet mans, so spile ichs; sihet mans nit, so stile ichs. – Franck, II, 85b; Tappius, 109a; Gruter, I, 65; Lehmann, 91, 44 u. 104, 16; Schottel, 1145b; Eiselein, 573; Körte, 5554; Simrock, 9709; Braun, I, 4202. „Werd ich gesehen von stund ich spiel; bin ich verborgen, alsdan ich stiel.“ Holl.: Siet ment, so speel ic, siet ment niet, so steel ic. (Tunn., 22, 15.) Lat.: Si uideor, ludo; si non, tunc furta recludo. (Loci comm., 74.) 118 So wat mag ik nich sên, säd' de Ertehersch, da sett't se sick de Brill up de Näs'. (Hamburg.) – Hoefer, 259. 119 Viel sehen, hören, wenig sagen ist gut und nützt in allen Tagen. Engl.: Wide ears and short tongue is best. It.: Il poco mangiar e poco parlare non fece mai male. – Testa savia rende la bocca stretta. Lat.: Audi, cerne, tace, si vis cum vivere pace. – Nil malius vere, quam cum ratione tacere. (Masson, 283.) 120 Viel sehen, viel hören vnd wenig sagen, das gehört zu fried (zur Gunst) vnnd guten Tagen. – Lehmann, 711, 8; Wirth, II, 422. Lat.: Loqui et non cogitare est jaculari et non collimare. (Chaos, 805.) 121 Viel sehen, wenig sagen, das gehört zu guten Tagen. – Lehmann, II, 790, 67; Henisch, 1440, 19. Dän.: Meget see og høre, men lidet tale giver god dag. (Prov. dan., 493.) 122 Viele sehen mehr als einer. Lat.: Oculi plus vident, quam oculus. (Philippi, II, 61; Schonheim, O, 3.) 123 Vom Sehen kommt man zum Denken, vom Denken zum Gefallen, vom Gefallen zum Wöllen, vom Wollen kommt man zur Höllen. – Parömiakon, 454. Entwickelungsgeschichte der Sünde mit ihren Folgen. 124 Von oben ist gut sehen, im Thale gut gehen. Böhm.: S vrchu dobře hledĕtí, po rovinĕ dobře jíti. (Čelakovsky, 179.) 125 Wann man nicht recht sieht, ist das Greifen erlaubt. (Amberg.) 126 Wann siht ein Mensch andere sûr Ding essen, so ilgern (?) ihm die Zäne. – Eiselein, 654. 127 Was einer gern sihet, das glaubet er auch gern. – Pauli, Postilla, I, 635b. 128 Was ich sehe, das glaube ich. Lat.: Visus fidelior auditu. (Seybold, 640.) 129 Was man am andern sihet, das muss man selber auch gewertig sein. – Henisch, 1594, 62. 130 Was man nicht gesehen hat, kann man nicht malen. Was einer nicht selbst erfahren hat, davon kann er nicht zeugen. Böhm.: Kdo co nevidĕl, neumí to dobře malovati; kdo co nezkusil, neumí o tom povídati. (Čelakovsky, 215.) 131 Was man nicht gesehen hat, soll man nicht fest für Wahrheit halten. Bei Tunnicius (759): Dat men nicht gesein heft, sal men nicht vast vor de wârheit holden. (Quae non visa tibi, noli affirmare frequenter.) 132 Was man nicht sieht, das will man nicht haben. Böhm.: Co se nevidí, to se nekrade. (Čelakovsky, 144.) Kroat.: Kadégâ ni vidéti, nigâ nit kaj vzetí. – Ooči jsou svůdkynĕ. (Čelakovsky, 144.) 133 Was man nicht sieht, macht einem keine Sorge. Will sagen, man soll nicht gar zu neugierig in alle Ecken sehen, um zu erforschen, was unser Gesinde u. s. w. sagt und thut, man mache sich sonst unnöthigen Kummer. Engl.: What the eye sees not, the eye rues not.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-09-18T08:39:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-09-18T08:39:19Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein

Verzeichnisse im Vorspann wurden nicht transkribiert. Errata aus den Berichtigungen im Nachspann wurden stillschweigend integriert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/259
Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [253]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/259>, abgerufen am 02.05.2024.