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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

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[Spaltenumbruch] 5 Aus Stiefeln macht man leicht Pantoffeln. - Simrock, 9896; Körte, 5739; Braun, I, 4296.

Die Anwendung dieses Sprichworts ist sehr mannigfach. In Götz von Berlichingen beginnt der letzte Auftritt des 4. Acts damit, dass Götz sagt: "Glück zu, braver Jäger!" Und Georg erwidert: "Das sind wir aus Reitern geworden. Aus Stiefeln machen sich leicht Pantoffeln."

Frz.: Jamais ne fut si beau soulier qui ne devint laide sabate.

6 Der Stiefel ist des Schmuzes Bruder. (Lit.)

7 Der Stiefel muss sich den Koth gefallen lassen.

8 Die Stiefeln halten dem am besten (längsten), der barfuss geht.

Böhm.: Koupil boty, a nepozbyl bosoty. (Celakovsky, 292.)

9 Die Stiefeln sind nicht zu klein, aber der Fuss ist zu gross, sagte der Schusterbub zum Bauern.

10 Gewixte Stiefeln und 'n Frack und kein Kreuzer Geld im Sack. - Birlinger, 781.

11 Grosse Stiefeln fordern weite Hosen. (Friesland.)

12 In grossen Stieffeln schreitet man weit. - Petri, II, 404.

13 Jeder weiss, wo ihn der Stiefel druckt. - Hügel, 157.

Er kennt am besten seine Sorgen und Verlegenheiten.

14 Man kommt nicht mit Stiefeln und Sporen in den Himmel. - Parömiakon, 2988.

15 Man sieht wol an dem Stiefel, wo das Bein zerbrochen ist. (S. Hosen 13.)

Bei Tunnicius (730): Men süt wol an der hosen war dat bein tebroken is. (Crus ubi dis tortum, prae se fert ocrea semper.)

16 Mancher hat zwar Stiefeln an, und ist doch nicht fertig.

Frz.: Tel est botte, qui n'est pas pret. (Kritzinger, 80b.)

17 Stiefeln anhaben und nicht reiten, schickt sich nicht wohl bei den Leuten.

Frz.: Le botter et n'avoir cheval, est chose qui s'accorde mal. (Kritzinger, 80b.)

18 Welche rohte Stiffel tragen, vor den lauffen die Kühe; sind es schwartze, so laufft alles Vieh, sowol die Bawren als die Küh. - Gruter, III, 102; Lehmann, II, 868, 119.

19 Wenn der Stiefel (Mann) mit der Latsche (Frau) streitet, hat diese Recht (oder: das letzte Wort). (Leipzig.)

20 Wenn man die Stiefeln eines Faulen an den Ofen stellt, so sagt er, man habe sie ihm verbrannt.

Frz.: Graissez les bottes d'un vilain, il dira qu'on les braule. (Cahier, 1817.)

Holl.: Smeer de laarzen van een' vuil mensch aan het vuur, hij zegt, dat gij ze brandt. (Harrebomee, II, 2a.)

*21 Wenn man sich auf die Stiefeln pisst, ist's Zeit, dass man all Buhlschaft misst.

Holl.: Zoo iemand op zijn laarzen p ..., is 't tijd, dat hij zijn boeltje mist. (Harrebomee, II, 2.)

22 Wer auf Stiefeln wartet aus der Gemein, der wird lange barfuss sein.

Böhm.: Bos chodiva, komu cela ves kupuje. (Skola, 39.)

23 Wer keinen Stiefel hat, muss in Pantoffeln (Schuhen) gehen.

Ung.: Kinek czizmeja nincsen, bocskort kössen. (Gaal, 1259.)

24 Wer keinen Stiefel vertragen kann, der ist kein braver Mann.

25 Wer mit goldenen Stiefeln geht, kann Weiberschritte machen.

26 Wo am Stiebel klebt der Koth, da ist um Kollatsch keine Noth. (Heilsberg.) - Boebel, 131.

*27 A kon en gute Stieffel sauffen. - Robinson, 365.

*28 Das möchte ich nicht in meine Stiefeln giessen. (S. Schuh 169.)

Holl.: Ik wil het nog niet eens in mijne laarzen hebben, last staan in mijn lijf. (Harrebomee, II, 1.)

*29 Deam seine Stiefel hend au Durst. - Birlinger, 724.

Sie sind zerrissen.

*30 Der kann stehend in seinen Stiefeln sterben. (Nürnberg.) - Frommann, III, 358.

Von jemand, der sehr breite Füsse hat, auf denen er so blockfest steht, dass er sogar sterbend nicht umfallen würde.

[Spaltenumbruch] *31 Der red't an Stief'l z'samm. - Hügel, 157a.

D. h. viel dummes Zeug.

*32 Der Stiefel passt nicht.

"Wer alle arbeitenden Klassen über Einen Leisten schlägt, darf sich nicht wundern wenn es bald wieder heisst, wie vom Gewerbegesetz 1845: Der Stiefel passt nicht." (Märk. Kirchenblatt, Berlin 1865, Nr. 8.)

*33 Der wird sich die Stiefeln einschöpfen. (Görlitz.)

Wird gesagt, wenn einer zu tief ins Glas geguckt hat und weiter will.

*34 Die Stiefeln sind noch nicht bezahlt.

Wird gesagt, wenn sie knarren.

*35 Du wasst an Stiefel. - Hügel, 157a.

Will sagen: Du weisst nichts.

*36 Ein Paar Stiefeln ablaufen, um ein Paar Schuhe zu verdienen.

*37 Einem spanische Stiefeln anziehen.

Seine Freiheit durch Zwangsmassregeln beschränken.

Frz.: Donner les brodequins a un criminel. (Kritzinger, 95a.)

*38 Einen guten Stiefel arbeiten (laufen, predigen, winken). - Körte, 5790c; Braun, I, 4293.

*39 Einen guten Stiefel reden. - Wurzbach II, 328; Eiselein, 579.

Mit Stiefel scheint man früher jede weite Röhre, jeden tiefen, hohlen Raum bezeichnet zu haben. Wie man nun sagte: "Einen Stiefeltrinken", d. h. wacker zechen, so dehnte man später diese Redensart auch auf andere Fertigkeiten aus; man sagte: Einen guten Stiefel arbeiten, einen Stiefel reden. Das mittlere lateinische estiva, und unser Stauf, Stübchen (Bezeichnung für grosse Trinkgeschirre) sind sicher verwandt. (Vgl. Adelung, Wb.) Man gebraucht die Redensart von jemand, um zu sagen, er habe so lang und so breit, so schwülstig und verworren geredet, dass wir es gar nicht zu überschauen vermöchten; um zu erklären, dass seine Rede nicht nur gehaltlos sei, sondern dass sie auch infolge ihrer Form, ihrer Weitschweifigkeit keine Beachtung verdiene, dass sie die Wirkung des Confusen und Albernen auf uns mache. Karl XII. von Schweden sandte seinen Räthen nach einem ihm wenig zusagenden Beschluss einen Stiefel, um ihnen zu verstehen zu geben, dass sie so etwa Aehnliches zusammengeredet.

*40 Er fällt mit Stiefeln drein. - Körte, 5739a.

*41 Er felt mit Stifeln drein wie ein Saw in ein Rüben Acker. - Eyering, II, 230.

*42 Er hat einen Stiefel.

Ist betrunken.

*43 Er hat sich die Stiefeln zur letzten Reise schmieren lassen. - Der Gradaus, Philadelphia vom 19. März 1853.

Es geht zu Ende mit seinem Leben, er hat die letzte Oelung empfangen.

*44 Er ist wie ein polnischer Stiefel rechts und links gewöhnt. - Eiselein, 366.

*45 Er kann einen guten Stiefel vertragen (trinken). - Körte, 5740b; Braun, I, 4292; Tappert, 6; Wurzbach II, 329; Lohrengel, II, 527-528.

Unsere Vorfahren sollen bei ihren Saufgelagen Trinkgeschirre in Form eines Stiefels gehabt haben, welche Form, nur in einem zierlichern Masstabe, in unsern Tagen wieder auflebt. Der Stiefel als Behälter ist alt. In Ruodlieb, einem lateinischen Gedicht aus dem 10. oder 11. Jahrhundert, werden ein paar, wie es scheint lederne Weinflaschen (lagenae), die scherzweise auch Stiefel (ocreae) genannt, lobpreisend dargeboten. Nach Schmeller bedeutet betta, bota, botte, woraus botiglia, botella, bouteile, eins wie das andere. (Vgl. Schwabenspiegel, 18.) Die modernsten Trinkgläser, die ich vor kurzem gesehen, waren Stiefeln, Kunstbeweise der Glasschleiferei. - Wie der Berliner Freimüthige (1806, Nr. 71) erzählt, soll die Redensart folgenden Ursprung haben: August der zweite, Kurfürst von Sachsen und erster König von Polen, der Starke genannt, hielt gewöhnlich alle Wochen zweimal ein Trinkgelage, wozu alle diejenigen eingeladen wurden, die sich im Trinken berühmt gemacht hatten, von welchem Stande sie auch waren. Zu dieser Ehre kam denn sehr oft ein Geistlicher, welcher nicht weit von Dresden wohnte, und ungewöhnlich viel vertragen konnte. Als einst alle Anwesenden unter den Tisch getrunken waren, sass dieser Herr noch ziemlich wohlbehalten auf seinem Stuhle, und sagte zum Kammerdiener, er möchte ihm seine Stiefeln ausziehen. Nachdem es geschehen war, befahl er ihm, einen davon mit Wein zu füllen. Der Kammerdiener reichte ihm den gefüllten Stiefel, den der geistliche Herr ebenfalls noch austrank, ungeachtet er vorher schon viel getrunken hatte, worauf er sich niederlegte und einschlief. Demnach wäre die Zeit bestimmt, wann die Redensart entstanden, und zugleich gezeigt, dass Stiefel nicht, wie der Berliner Freimüthige (1806, Nr. 48) vermuthet, aus Stauflin, wie Becherlein, durch Misverstand entstanden

[Spaltenumbruch] 5 Aus Stiefeln macht man leicht Pantoffeln.Simrock, 9896; Körte, 5739; Braun, I, 4296.

Die Anwendung dieses Sprichworts ist sehr mannigfach. In Götz von Berlichingen beginnt der letzte Auftritt des 4. Acts damit, dass Götz sagt: „Glück zu, braver Jäger!“ Und Georg erwidert: „Das sind wir aus Reitern geworden. Aus Stiefeln machen sich leicht Pantoffeln.“

Frz.: Jamais ne fut si beau soulier qui ne devint laide sabate.

6 Der Stiefel ist des Schmuzes Bruder. (Lit.)

7 Der Stiefel muss sich den Koth gefallen lassen.

8 Die Stiefeln halten dem am besten (längsten), der barfuss geht.

Böhm.: Koupil boty, a nepozbyl bosoty. (Čelakovský, 292.)

9 Die Stiefeln sind nicht zu klein, aber der Fuss ist zu gross, sagte der Schusterbub zum Bauern.

10 Gewixte Stiefeln und 'n Frack und kein Kreuzer Geld im Sack.Birlinger, 781.

11 Grosse Stiefeln fordern weite Hosen. (Friesland.)

12 In grossen Stieffeln schreitet man weit.Petri, II, 404.

13 Jeder weiss, wo ihn der Stiefel druckt.Hügel, 157.

Er kennt am besten seine Sorgen und Verlegenheiten.

14 Man kommt nicht mit Stiefeln und Sporen in den Himmel.Parömiakon, 2988.

15 Man sieht wol an dem Stiefel, wo das Bein zerbrochen ist. (S. Hosen 13.)

Bei Tunnicius (730): Men süt wol an der hosen wâr dat bein tebroken is. (Crus ubi dis tortum, prae se fert ocrea semper.)

16 Mancher hat zwar Stiefeln an, und ist doch nicht fertig.

Frz.: Tel est botté, qui n'est pas prêt. (Kritzinger, 80b.)

17 Stiefeln anhaben und nicht reiten, schickt sich nicht wohl bei den Leuten.

Frz.: Le botter et n'avoir cheval, est chose qui s'accorde mal. (Kritzinger, 80b.)

18 Welche rohte Stiffel tragen, vor den lauffen die Kühe; sind es schwartze, so laufft alles Vieh, sowol die Bawren als die Küh.Gruter, III, 102; Lehmann, II, 868, 119.

19 Wenn der Stiefel (Mann) mit der Latsche (Frau) streitet, hat diese Recht (oder: das letzte Wort). (Leipzig.)

20 Wenn man die Stiefeln eines Faulen an den Ofen stellt, so sagt er, man habe sie ihm verbrannt.

Frz.: Graissez les bottes d'un vilain, il dira qu'on les brûle. (Cahier, 1817.)

Holl.: Smeer de laarzen van een' vuil mensch aan het vuur, hij zegt, dat gij ze brandt. (Harrebomée, II, 2a.)

*21 Wenn man sich auf die Stiefeln pisst, ist's Zeit, dass man all Buhlschaft misst.

Holl.: Zoo iemand op zijn laarzen p ..., is 't tijd, dat hij zijn boeltje mist. (Harrebomée, II, 2.)

22 Wer auf Stiefeln wartet aus der Gemein, der wird lange barfuss sein.

Böhm.: Bos chodívá, komu celá ves kupuje. (Skola, 39.)

23 Wer keinen Stiefel hat, muss in Pantoffeln (Schuhen) gehen.

Ung.: Kinek czizméja nincsen, bocskort kössen. (Gaal, 1259.)

24 Wer keinen Stiefel vertragen kann, der ist kein braver Mann.

25 Wer mit goldenen Stiefeln geht, kann Weiberschritte machen.

26 Wo am Stiebel klebt der Koth, da ist um Kollatsch keine Noth. (Heilsberg.) – Boebel, 131.

*27 A kon en gute Stieffel sauffen.Robinson, 365.

*28 Das möchte ich nicht in meine Stiefeln giessen. (S. Schuh 169.)

Holl.: Ik wil het nog niet eens in mijne laarzen hebben, last staan in mijn lijf. (Harrebomée, II, 1.)

*29 Deam seine Stiefel hend au Durst.Birlinger, 724.

Sie sind zerrissen.

*30 Der kann stehend in seinen Stiefeln sterben. (Nürnberg.) – Frommann, III, 358.

Von jemand, der sehr breite Füsse hat, auf denen er so blockfest steht, dass er sogar sterbend nicht umfallen würde.

[Spaltenumbruch] *31 Der red't an Stief'l z'samm.Hügel, 157a.

D. h. viel dummes Zeug.

*32 Der Stiefel passt nicht.

„Wer alle arbeitenden Klassen über Einen Leisten schlägt, darf sich nicht wundern wenn es bald wieder heisst, wie vom Gewerbegesetz 1845: Der Stiefel passt nicht.“ (Märk. Kirchenblatt, Berlin 1865, Nr. 8.)

*33 Der wird sich die Stiefeln einschöpfen. (Görlitz.)

Wird gesagt, wenn einer zu tief ins Glas geguckt hat und weiter will.

*34 Die Stiefeln sind noch nicht bezahlt.

Wird gesagt, wenn sie knarren.

*35 Du wasst an Stiefel.Hügel, 157a.

Will sagen: Du weisst nichts.

*36 Ein Paar Stiefeln ablaufen, um ein Paar Schuhe zu verdienen.

*37 Einem spanische Stiefeln anziehen.

Seine Freiheit durch Zwangsmassregeln beschränken.

Frz.: Donner les brodequins à un criminel. (Kritzinger, 95a.)

*38 Einen guten Stiefel arbeiten (laufen, predigen, winken).Körte, 5790c; Braun, I, 4293.

*39 Einen guten Stiefel reden.Wurzbach II, 328; Eiselein, 579.

Mit Stiefel scheint man früher jede weite Röhre, jeden tiefen, hohlen Raum bezeichnet zu haben. Wie man nun sagte: „Einen Stiefeltrinken“, d. h. wacker zechen, so dehnte man später diese Redensart auch auf andere Fertigkeiten aus; man sagte: Einen guten Stiefel arbeiten, einen Stiefel reden. Das mittlere lateinische estiva, und unser Stauf, Stübchen (Bezeichnung für grosse Trinkgeschirre) sind sicher verwandt. (Vgl. Adelung, Wb.) Man gebraucht die Redensart von jemand, um zu sagen, er habe so lang und so breit, so schwülstig und verworren geredet, dass wir es gar nicht zu überschauen vermöchten; um zu erklären, dass seine Rede nicht nur gehaltlos sei, sondern dass sie auch infolge ihrer Form, ihrer Weitschweifigkeit keine Beachtung verdiene, dass sie die Wirkung des Confusen und Albernen auf uns mache. Karl XII. von Schweden sandte seinen Räthen nach einem ihm wenig zusagenden Beschluss einen Stiefel, um ihnen zu verstehen zu geben, dass sie so etwa Aehnliches zusammengeredet.

*40 Er fällt mit Stiefeln drein.Körte, 5739a.

*41 Er felt mit Stifeln drein wie ein Saw in ein Rüben Acker.Eyering, II, 230.

*42 Er hat einen Stiefel.

Ist betrunken.

*43 Er hat sich die Stiefeln zur letzten Reise schmieren lassen.Der Gradaus, Philadelphia vom 19. März 1853.

Es geht zu Ende mit seinem Leben, er hat die letzte Oelung empfangen.

*44 Er ist wie ein polnischer Stiefel rechts und links gewöhnt.Eiselein, 366.

*45 Er kann einen guten Stiefel vertragen (trinken).Körte, 5740b; Braun, I, 4292; Tappert, 6; Wurzbach II, 329; Lohrengel, II, 527-528.

Unsere Vorfahren sollen bei ihren Saufgelagen Trinkgeschirre in Form eines Stiefels gehabt haben, welche Form, nur in einem zierlichern Masstabe, in unsern Tagen wieder auflebt. Der Stiefel als Behälter ist alt. In Ruodlieb, einem lateinischen Gedicht aus dem 10. oder 11. Jahrhundert, werden ein paar, wie es scheint lederne Weinflaschen (lagenae), die scherzweise auch Stiefel (ocreae) genannt, lobpreisend dargeboten. Nach Schmeller bedeutet betta, bota, botte, woraus botiglia, botella, bouteile, eins wie das andere. (Vgl. Schwabenspiegel, 18.) Die modernsten Trinkgläser, die ich vor kurzem gesehen, waren Stiefeln, Kunstbeweise der Glasschleiferei. – Wie der Berliner Freimüthige (1806, Nr. 71) erzählt, soll die Redensart folgenden Ursprung haben: August der zweite, Kurfürst von Sachsen und erster König von Polen, der Starke genannt, hielt gewöhnlich alle Wochen zweimal ein Trinkgelage, wozu alle diejenigen eingeladen wurden, die sich im Trinken berühmt gemacht hatten, von welchem Stande sie auch waren. Zu dieser Ehre kam denn sehr oft ein Geistlicher, welcher nicht weit von Dresden wohnte, und ungewöhnlich viel vertragen konnte. Als einst alle Anwesenden unter den Tisch getrunken waren, sass dieser Herr noch ziemlich wohlbehalten auf seinem Stuhle, und sagte zum Kammerdiener, er möchte ihm seine Stiefeln ausziehen. Nachdem es geschehen war, befahl er ihm, einen davon mit Wein zu füllen. Der Kammerdiener reichte ihm den gefüllten Stiefel, den der geistliche Herr ebenfalls noch austrank, ungeachtet er vorher schon viel getrunken hatte, worauf er sich niederlegte und einschlief. Demnach wäre die Zeit bestimmt, wann die Redensart entstanden, und zugleich gezeigt, dass Stiefel nicht, wie der Berliner Freimüthige (1806, Nr. 48) vermuthet, aus Stauflin, wie Becherlein, durch Misverstand entstanden

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[[425]/0431] 5 Aus Stiefeln macht man leicht Pantoffeln. – Simrock, 9896; Körte, 5739; Braun, I, 4296. Die Anwendung dieses Sprichworts ist sehr mannigfach. In Götz von Berlichingen beginnt der letzte Auftritt des 4. Acts damit, dass Götz sagt: „Glück zu, braver Jäger!“ Und Georg erwidert: „Das sind wir aus Reitern geworden. Aus Stiefeln machen sich leicht Pantoffeln.“ Frz.: Jamais ne fut si beau soulier qui ne devint laide sabate. 6 Der Stiefel ist des Schmuzes Bruder. (Lit.) 7 Der Stiefel muss sich den Koth gefallen lassen. 8 Die Stiefeln halten dem am besten (längsten), der barfuss geht. Böhm.: Koupil boty, a nepozbyl bosoty. (Čelakovský, 292.) 9 Die Stiefeln sind nicht zu klein, aber der Fuss ist zu gross, sagte der Schusterbub zum Bauern. 10 Gewixte Stiefeln und 'n Frack und kein Kreuzer Geld im Sack. – Birlinger, 781. 11 Grosse Stiefeln fordern weite Hosen. (Friesland.) 12 In grossen Stieffeln schreitet man weit. – Petri, II, 404. 13 Jeder weiss, wo ihn der Stiefel druckt. – Hügel, 157. Er kennt am besten seine Sorgen und Verlegenheiten. 14 Man kommt nicht mit Stiefeln und Sporen in den Himmel. – Parömiakon, 2988. 15 Man sieht wol an dem Stiefel, wo das Bein zerbrochen ist. (S. Hosen 13.) Bei Tunnicius (730): Men süt wol an der hosen wâr dat bein tebroken is. (Crus ubi dis tortum, prae se fert ocrea semper.) 16 Mancher hat zwar Stiefeln an, und ist doch nicht fertig. Frz.: Tel est botté, qui n'est pas prêt. (Kritzinger, 80b.) 17 Stiefeln anhaben und nicht reiten, schickt sich nicht wohl bei den Leuten. Frz.: Le botter et n'avoir cheval, est chose qui s'accorde mal. (Kritzinger, 80b.) 18 Welche rohte Stiffel tragen, vor den lauffen die Kühe; sind es schwartze, so laufft alles Vieh, sowol die Bawren als die Küh. – Gruter, III, 102; Lehmann, II, 868, 119. 19 Wenn der Stiefel (Mann) mit der Latsche (Frau) streitet, hat diese Recht (oder: das letzte Wort). (Leipzig.) 20 Wenn man die Stiefeln eines Faulen an den Ofen stellt, so sagt er, man habe sie ihm verbrannt. Frz.: Graissez les bottes d'un vilain, il dira qu'on les brûle. (Cahier, 1817.) Holl.: Smeer de laarzen van een' vuil mensch aan het vuur, hij zegt, dat gij ze brandt. (Harrebomée, II, 2a.) *21 Wenn man sich auf die Stiefeln pisst, ist's Zeit, dass man all Buhlschaft misst. Holl.: Zoo iemand op zijn laarzen p ..., is 't tijd, dat hij zijn boeltje mist. (Harrebomée, II, 2.) 22 Wer auf Stiefeln wartet aus der Gemein, der wird lange barfuss sein. Böhm.: Bos chodívá, komu celá ves kupuje. (Skola, 39.) 23 Wer keinen Stiefel hat, muss in Pantoffeln (Schuhen) gehen. Ung.: Kinek czizméja nincsen, bocskort kössen. (Gaal, 1259.) 24 Wer keinen Stiefel vertragen kann, der ist kein braver Mann. 25 Wer mit goldenen Stiefeln geht, kann Weiberschritte machen. 26 Wo am Stiebel klebt der Koth, da ist um Kollatsch keine Noth. (Heilsberg.) – Boebel, 131. *27 A kon en gute Stieffel sauffen. – Robinson, 365. *28 Das möchte ich nicht in meine Stiefeln giessen. (S. Schuh 169.) Holl.: Ik wil het nog niet eens in mijne laarzen hebben, last staan in mijn lijf. (Harrebomée, II, 1.) *29 Deam seine Stiefel hend au Durst. – Birlinger, 724. Sie sind zerrissen. *30 Der kann stehend in seinen Stiefeln sterben. (Nürnberg.) – Frommann, III, 358. Von jemand, der sehr breite Füsse hat, auf denen er so blockfest steht, dass er sogar sterbend nicht umfallen würde. *31 Der red't an Stief'l z'samm. – Hügel, 157a. D. h. viel dummes Zeug. *32 Der Stiefel passt nicht. „Wer alle arbeitenden Klassen über Einen Leisten schlägt, darf sich nicht wundern wenn es bald wieder heisst, wie vom Gewerbegesetz 1845: Der Stiefel passt nicht.“ (Märk. Kirchenblatt, Berlin 1865, Nr. 8.) *33 Der wird sich die Stiefeln einschöpfen. (Görlitz.) Wird gesagt, wenn einer zu tief ins Glas geguckt hat und weiter will. *34 Die Stiefeln sind noch nicht bezahlt. Wird gesagt, wenn sie knarren. *35 Du wasst an Stiefel. – Hügel, 157a. Will sagen: Du weisst nichts. *36 Ein Paar Stiefeln ablaufen, um ein Paar Schuhe zu verdienen. *37 Einem spanische Stiefeln anziehen. Seine Freiheit durch Zwangsmassregeln beschränken. Frz.: Donner les brodequins à un criminel. (Kritzinger, 95a.) *38 Einen guten Stiefel arbeiten (laufen, predigen, winken). – Körte, 5790c; Braun, I, 4293. *39 Einen guten Stiefel reden. – Wurzbach II, 328; Eiselein, 579. Mit Stiefel scheint man früher jede weite Röhre, jeden tiefen, hohlen Raum bezeichnet zu haben. Wie man nun sagte: „Einen Stiefeltrinken“, d. h. wacker zechen, so dehnte man später diese Redensart auch auf andere Fertigkeiten aus; man sagte: Einen guten Stiefel arbeiten, einen Stiefel reden. Das mittlere lateinische estiva, und unser Stauf, Stübchen (Bezeichnung für grosse Trinkgeschirre) sind sicher verwandt. (Vgl. Adelung, Wb.) Man gebraucht die Redensart von jemand, um zu sagen, er habe so lang und so breit, so schwülstig und verworren geredet, dass wir es gar nicht zu überschauen vermöchten; um zu erklären, dass seine Rede nicht nur gehaltlos sei, sondern dass sie auch infolge ihrer Form, ihrer Weitschweifigkeit keine Beachtung verdiene, dass sie die Wirkung des Confusen und Albernen auf uns mache. Karl XII. von Schweden sandte seinen Räthen nach einem ihm wenig zusagenden Beschluss einen Stiefel, um ihnen zu verstehen zu geben, dass sie so etwa Aehnliches zusammengeredet. *40 Er fällt mit Stiefeln drein. – Körte, 5739a. *41 Er felt mit Stifeln drein wie ein Saw in ein Rüben Acker. – Eyering, II, 230. *42 Er hat einen Stiefel. Ist betrunken. *43 Er hat sich die Stiefeln zur letzten Reise schmieren lassen. – Der Gradaus, Philadelphia vom 19. März 1853. Es geht zu Ende mit seinem Leben, er hat die letzte Oelung empfangen. *44 Er ist wie ein polnischer Stiefel rechts und links gewöhnt. – Eiselein, 366. *45 Er kann einen guten Stiefel vertragen (trinken). – Körte, 5740b; Braun, I, 4292; Tappert, 6; Wurzbach II, 329; Lohrengel, II, 527-528. Unsere Vorfahren sollen bei ihren Saufgelagen Trinkgeschirre in Form eines Stiefels gehabt haben, welche Form, nur in einem zierlichern Masstabe, in unsern Tagen wieder auflebt. Der Stiefel als Behälter ist alt. In Ruodlieb, einem lateinischen Gedicht aus dem 10. oder 11. Jahrhundert, werden ein paar, wie es scheint lederne Weinflaschen (lagenae), die scherzweise auch Stiefel (ocreae) genannt, lobpreisend dargeboten. Nach Schmeller bedeutet betta, bota, botte, woraus botiglia, botella, bouteile, eins wie das andere. (Vgl. Schwabenspiegel, 18.) Die modernsten Trinkgläser, die ich vor kurzem gesehen, waren Stiefeln, Kunstbeweise der Glasschleiferei. – Wie der Berliner Freimüthige (1806, Nr. 71) erzählt, soll die Redensart folgenden Ursprung haben: August der zweite, Kurfürst von Sachsen und erster König von Polen, der Starke genannt, hielt gewöhnlich alle Wochen zweimal ein Trinkgelage, wozu alle diejenigen eingeladen wurden, die sich im Trinken berühmt gemacht hatten, von welchem Stande sie auch waren. Zu dieser Ehre kam denn sehr oft ein Geistlicher, welcher nicht weit von Dresden wohnte, und ungewöhnlich viel vertragen konnte. Als einst alle Anwesenden unter den Tisch getrunken waren, sass dieser Herr noch ziemlich wohlbehalten auf seinem Stuhle, und sagte zum Kammerdiener, er möchte ihm seine Stiefeln ausziehen. Nachdem es geschehen war, befahl er ihm, einen davon mit Wein zu füllen. Der Kammerdiener reichte ihm den gefüllten Stiefel, den der geistliche Herr ebenfalls noch austrank, ungeachtet er vorher schon viel getrunken hatte, worauf er sich niederlegte und einschlief. Demnach wäre die Zeit bestimmt, wann die Redensart entstanden, und zugleich gezeigt, dass Stiefel nicht, wie der Berliner Freimüthige (1806, Nr. 48) vermuthet, aus Stauflin, wie Becherlein, durch Misverstand entstanden

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [425]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/431>, abgerufen am 28.04.2024.