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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Von der Obligation Das XVI.
keit und impenetrabilität derer kleinen Stücklein oder der gantzen
Cörper/ welche doch so und so sich fortbewegen zulassen geschickt
sind/ die Materie stückweis instruiret hat/ so gibt hierauff die von
Gott ihnen eingepflantzte Dringung und stets bereitete Neigung
eine steiffe Verbindung und obligation ihrer aller gegeneinander/
daß sie Gottes/ als des Ertzbewegers Trieb unweigerlich folgen
müssen: wodurch die Cörperlein zusammen gehalten/ eines nach
dem andern sich richten/ und jedes nicht allein die gemeine Bewe-
gung/ sondern auch seine besondere Wendung und Kehrung
nach Erheischung des andern rechtmässig zu verüben angeordnet
und angehalten werden.

§. 4. Eben also nach dem durch die Achtbarkeit/ und durch
dero innerlichen Grund/ der Ingenuität und Vestigkeit/ einzele
Personen instruiret worden/ daß sie lebendige Glieder des politi-
schen Leibes seyn können; so gibt dero Verbindung und obli-
gation
das kräfftige Mittel/ dadurch eine Person mit der andern
zusammen gehalten/ jede auch das jenige/ was ihr zukömpt ge-
gen der andern zuverrichten angeordnet und angehalten werden
kan. Dahero diese Qualität auch sonderlicher Betrachtung
würdig.

Aber so leicht es einem Rechenmeister ist dergleichen obliga-
tion
seinen Ziffern nicht allein gleichsam anzulegen und einzuflös-
sen/ sondern auch dieselben allezeit dabey thätig zu erhalten; so
schwer fällt es einem Vorsteher des gemeinen Wesens/ derglei-
chen Obligationen seinen untergebenen Personen nicht allein an-
zuthun/ sondern auch dieselbe allezeit bey der Thätigkeit zuerhal-
ten. Weil er nehmlich das Hertz seiner untergebenen Perso-
nen/ nicht also/ wie Gott das innerste der gantzen Natur und al-
ler Cörperlein/ in seinen Händen hat/ daß er durch einen allmäch-
tigen Trieb sie stets anfrischen könte: weil auch die Personen selbst
zwar vest zu seyn und gleichsam den Athem an sich zu halten/ mit
vernünfftiger Entschliessung nach erholter bedenck-respiration,
vermittels auch eydlicher Zusagung sich offtmals anstellen/ aber
hernach ihres wieder die Vernunfft wanckenden freyen Willens
wegen/ den Athem bisweilen fahren lassen/ daß der Schlauch
einkreucht/ und ihre gantze weit und breite Vestigkeit in ein punct

zusam-

Von der Obligation Das XVI.
keit und impenetrabilitaͤt derer kleinen Stuͤcklein oder der gantzen
Coͤrper/ welche doch ſo und ſo ſich fortbewegen zulaſſen geſchickt
ſind/ die Materie ſtuͤckweis inſtruiret hat/ ſo gibt hierauff die von
Gott ihnen eingepflantzte Dringung und ſtets bereitete Neigung
eine ſteiffe Verbindung und obligation ihrer aller gegeneinander/
daß ſie Gottes/ als des Ertzbewegers Trieb unweigerlich folgen
muͤſſen: wodurch die Coͤrperlein zuſammen gehalten/ eines nach
dem andern ſich richten/ und jedes nicht allein die gemeine Bewe-
gung/ ſondern auch ſeine beſondere Wendung und Kehrung
nach Erheiſchung des andern rechtmaͤſſig zu veruͤben angeordnet
und angehalten werden.

§. 4. Eben alſo nach dem durch die Achtbarkeit/ und durch
dero innerlichen Grund/ der Ingenuitaͤt und Veſtigkeit/ einzele
Perſonen inſtruiret worden/ daß ſie lebendige Glieder des politi-
ſchen Leibes ſeyn koͤnnen; ſo gibt dero Verbindung und obli-
gation
das kraͤfftige Mittel/ dadurch eine Perſon mit der andern
zuſammen gehalten/ jede auch das jenige/ was ihr zukoͤmpt ge-
gen der andern zuverrichten angeordnet und angehalten werden
kan. Dahero dieſe Qualitaͤt auch ſonderlicher Betrachtung
wuͤrdig.

Aber ſo leicht es einem Rechenmeiſter iſt dergleichen obliga-
tion
ſeinen Ziffern nicht allein gleichſam anzulegen und einzufloͤſ-
ſen/ ſondern auch dieſelben allezeit dabey thaͤtig zu erhalten; ſo
ſchwer faͤllt es einem Vorſteher des gemeinen Weſens/ derglei-
chen Obligationen ſeinen untergebenen Perſonen nicht allein an-
zuthun/ ſondern auch dieſelbe allezeit bey der Thaͤtigkeit zuerhal-
ten. Weil er nehmlich das Hertz ſeiner untergebenen Perſo-
nen/ nicht alſo/ wie Gott das innerſte der gantzen Natur und al-
ler Coͤrperlein/ in ſeinen Haͤnden hat/ daß er durch einen allmaͤch-
tigen Trieb ſie ſtets anfriſchen koͤnte: weil auch die Perſonen ſelbſt
zwar veſt zu ſeyn und gleichſam den Athem an ſich zu halten/ mit
vernuͤnfftiger Entſchlieſſung nach erholter bedenck-reſpiration,
vermittels auch eydlicher Zuſagung ſich offtmals anſtellen/ aber
hernach ihres wieder die Vernunfft wanckenden freyen Willens
wegen/ den Athem bisweilen fahren laſſen/ daß der Schlauch
einkreucht/ und ihre gantze weit und breite Veſtigkeit in ein punct

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[112/0122] Von der Obligation Das XVI. keit und impenetrabilitaͤt derer kleinen Stuͤcklein oder der gantzen Coͤrper/ welche doch ſo und ſo ſich fortbewegen zulaſſen geſchickt ſind/ die Materie ſtuͤckweis inſtruiret hat/ ſo gibt hierauff die von Gott ihnen eingepflantzte Dringung und ſtets bereitete Neigung eine ſteiffe Verbindung und obligation ihrer aller gegeneinander/ daß ſie Gottes/ als des Ertzbewegers Trieb unweigerlich folgen muͤſſen: wodurch die Coͤrperlein zuſammen gehalten/ eines nach dem andern ſich richten/ und jedes nicht allein die gemeine Bewe- gung/ ſondern auch ſeine beſondere Wendung und Kehrung nach Erheiſchung des andern rechtmaͤſſig zu veruͤben angeordnet und angehalten werden. §. 4. Eben alſo nach dem durch die Achtbarkeit/ und durch dero innerlichen Grund/ der Ingenuitaͤt und Veſtigkeit/ einzele Perſonen inſtruiret worden/ daß ſie lebendige Glieder des politi- ſchen Leibes ſeyn koͤnnen; ſo gibt dero Verbindung und obli- gation das kraͤfftige Mittel/ dadurch eine Perſon mit der andern zuſammen gehalten/ jede auch das jenige/ was ihr zukoͤmpt ge- gen der andern zuverrichten angeordnet und angehalten werden kan. Dahero dieſe Qualitaͤt auch ſonderlicher Betrachtung wuͤrdig. Aber ſo leicht es einem Rechenmeiſter iſt dergleichen obliga- tion ſeinen Ziffern nicht allein gleichſam anzulegen und einzufloͤſ- ſen/ ſondern auch dieſelben allezeit dabey thaͤtig zu erhalten; ſo ſchwer faͤllt es einem Vorſteher des gemeinen Weſens/ derglei- chen Obligationen ſeinen untergebenen Perſonen nicht allein an- zuthun/ ſondern auch dieſelbe allezeit bey der Thaͤtigkeit zuerhal- ten. Weil er nehmlich das Hertz ſeiner untergebenen Perſo- nen/ nicht alſo/ wie Gott das innerſte der gantzen Natur und al- ler Coͤrperlein/ in ſeinen Haͤnden hat/ daß er durch einen allmaͤch- tigen Trieb ſie ſtets anfriſchen koͤnte: weil auch die Perſonen ſelbſt zwar veſt zu ſeyn und gleichſam den Athem an ſich zu halten/ mit vernuͤnfftiger Entſchlieſſung nach erholter bedenck-reſpiration, vermittels auch eydlicher Zuſagung ſich offtmals anſtellen/ aber hernach ihres wieder die Vernunfft wanckenden freyen Willens wegen/ den Athem bisweilen fahren laſſen/ daß der Schlauch einkreucht/ und ihre gantze weit und breite Veſtigkeit in ein punct zuſam-

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/122>, abgerufen am 27.04.2024.