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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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gut befunden werden: Etliche aber an ihm
selbst grundböse sind/ und aber einen äusserli-
chen Schein des [Gu]ten bey sich führen. Wie
ein überzuckerter Gifft/ so lang er in dem
Munde und in der Keh[le] ist/ sehr süsse schmeckt/
und einen sonderlichen Schein des guten hat
doch endlich im Bauche sich also verhält/ daß
man die böse Natur mehr als zu viel erkennen
muß.

VI. Derhalben ist diß der endliche Unter-
scheid zwischen klugen und thörichten Leuten.
Ein Kluger erwehlet das Gute/ welches in
der That und in der Warheit gut ist. Ein
Narr lässet sich den äusserlichen Schein be-
thören/ daß er/ wie des Esopi Hund/ das war-
hafftige Stück Fleisch auß dem Munde fallen
läst/ und nach dem Schatten schnappt.

VII. Solche närrische Leute aber werden
in dreyerley Sorten abgetheilet. Etliche ziehen
das Böse dem Guten für/ auß Einfalt und
Unwissenheit. Wie ein Kind sich den schönen
Glantz des Feuers betriegen läst/ daß es hinein
greifft und sich die Finger verbrennt. Oder wie
ein unerfahrner Knabe sich durch den Schein
der Freundschafft in Gefahr verleiten läst. Denn
solche Leute wissen es nicht besser/ und weil sie

durch


gut befunden werden: Etliche aber an ihm
ſelbſt grundboͤſe ſind/ und aber einen aͤuſſerli-
chen Schein des [Gu]ten bey ſich fuͤhren. Wie
ein uͤberzuckerter Gifft/ ſo lang er in dem
Munde und in der Keh[le] iſt/ ſehr ſuͤſſe ſchmeckt/
und einen ſonderlichen Schein des guten hat
doch endlich im Bauche ſich alſo verhaͤlt/ daß
man die boͤſe Natur mehr als zu viel erkennen
muß.

VI. Derhalben iſt diß der endliche Unter-
ſcheid zwiſchen klugen und thoͤrichten Leuten.
Ein Kluger erwehlet das Gute/ welches in
der That und in der Warheit gut iſt. Ein
Narr laͤſſet ſich den aͤuſſerlichen Schein be-
thoͤren/ daß er/ wie des Eſopi Hund/ das war-
hafftige Stuͤck Fleiſch auß dem Munde fallen
laͤſt/ und nach dem Schatten ſchnappt.

VII. Solche naͤrriſche Leute aber werden
in dreyerley Sorten abgetheilet. Etliche ziehen
das Boͤſe dem Guten fuͤr/ auß Einfalt und
Unwiſſenheit. Wie ein Kind ſich den ſchoͤnen
Glantz des Feuers betriegen laͤſt/ daß es hinein
greifft und ſich die Finger verbrennt. Oder wie
ein unerfahrner Knabe ſich durch den Schein
der Freundſchafft in Gefahr verleiten laͤſt. Deñ
ſolche Leute wiſſen es nicht beſſer/ und weil ſie

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[398/0404] gut befunden werden: Etliche aber an ihm ſelbſt grundboͤſe ſind/ und aber einen aͤuſſerli- chen Schein des Guten bey ſich fuͤhren. Wie ein uͤberzuckerter Gifft/ ſo lang er in dem Munde und in der Kehle iſt/ ſehr ſuͤſſe ſchmeckt/ und einen ſonderlichen Schein des guten hat doch endlich im Bauche ſich alſo verhaͤlt/ daß man die boͤſe Natur mehr als zu viel erkennen muß. VI. Derhalben iſt diß der endliche Unter- ſcheid zwiſchen klugen und thoͤrichten Leuten. Ein Kluger erwehlet das Gute/ welches in der That und in der Warheit gut iſt. Ein Narr laͤſſet ſich den aͤuſſerlichen Schein be- thoͤren/ daß er/ wie des Eſopi Hund/ das war- hafftige Stuͤck Fleiſch auß dem Munde fallen laͤſt/ und nach dem Schatten ſchnappt. VII. Solche naͤrriſche Leute aber werden in dreyerley Sorten abgetheilet. Etliche ziehen das Boͤſe dem Guten fuͤr/ auß Einfalt und Unwiſſenheit. Wie ein Kind ſich den ſchoͤnen Glantz des Feuers betriegen laͤſt/ daß es hinein greifft und ſich die Finger verbrennt. Oder wie ein unerfahrner Knabe ſich durch den Schein der Freundſchafft in Gefahr verleiten laͤſt. Deñ ſolche Leute wiſſen es nicht beſſer/ und weil ſie durch

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/404>, abgerufen am 29.04.2024.