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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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5. Wann ich gleich in einem tag
Kaum ein halbes blickgen sah/
Gieng mir doch der strahl so nah/
Daß ich ausser aller klage/
Gleichsam als zu grossem danck
Manch erfreutes lust-lied sang.
6. Aber nun bin ich verdorben/
Seit mir die gelegenheit
Zu dergleichen freundlichkeit
Unverhofft ist abgestorben/
Und mein hertze keine statt
Mehr in ihrem hertzen hat.
7. Alle lust ist mir zu wider/
Was ich sehn und hören muß/
Bringt mir lauter überdruß/
Und die allerschönsten lieder
Von der liebe kommen mir
Abgeschmackt und alber für.
8. Wann ich ja bißweilen schertze/
Und mein altes freuden-spiel
Wiederum verneuen will/
Ach so rufft mein schwaches hertze
Mitten in der süssen ruh
Meinem schmertzen wieder zu.
Zwar ich sehe schon von weiten
Daß die zeit mich trösten kan/
Doch wiewohl ist der daran/
Welcher solchen eitelkeiten
Seine seele nicht ergiebt/
Oder doch gelücklich liebt.
VI. Der
Uberfluͤſſiger gedancken
5. Wann ich gleich in einem tag
Kaum ein halbes blickgen ſah/
Gieng mir doch der ſtrahl ſo nah/
Daß ich auſſer aller klage/
Gleichſam als zu groſſem danck
Manch erfreutes luſt-lied ſang.
6. Aber nun bin ich verdorben/
Seit mir die gelegenheit
Zu dergleichen freundlichkeit
Unverhofft iſt abgeſtorben/
Und mein hertze keine ſtatt
Mehr in ihrem hertzen hat.
7. Alle luſt iſt mir zu wider/
Was ich ſehn und hoͤren muß/
Bringt mir lauter uͤberdruß/
Und die allerſchoͤnſten lieder
Von der liebe kommen mir
Abgeſchmackt und alber fuͤr.
8. Wann ich ja bißweilen ſchertze/
Und mein altes freuden-ſpiel
Wiederum verneuen will/
Ach ſo rufft mein ſchwaches hertze
Mitten in der ſuͤſſen ruh
Meinem ſchmertzen wieder zu.
Zwar ich ſehe ſchon von weiten
Daß die zeit mich troͤſten kan/
Doch wiewohl iſt der daran/
Welcher ſolchen eitelkeiten
Seine ſeele nicht ergiebt/
Oder doch geluͤcklich liebt.
VI. Der
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[44/0060] Uberfluͤſſiger gedancken 5. Wann ich gleich in einem tag Kaum ein halbes blickgen ſah/ Gieng mir doch der ſtrahl ſo nah/ Daß ich auſſer aller klage/ Gleichſam als zu groſſem danck Manch erfreutes luſt-lied ſang. 6. Aber nun bin ich verdorben/ Seit mir die gelegenheit Zu dergleichen freundlichkeit Unverhofft iſt abgeſtorben/ Und mein hertze keine ſtatt Mehr in ihrem hertzen hat. 7. Alle luſt iſt mir zu wider/ Was ich ſehn und hoͤren muß/ Bringt mir lauter uͤberdruß/ Und die allerſchoͤnſten lieder Von der liebe kommen mir Abgeſchmackt und alber fuͤr. 8. Wann ich ja bißweilen ſchertze/ Und mein altes freuden-ſpiel Wiederum verneuen will/ Ach ſo rufft mein ſchwaches hertze Mitten in der ſuͤſſen ruh Meinem ſchmertzen wieder zu. Zwar ich ſehe ſchon von weiten Daß die zeit mich troͤſten kan/ Doch wiewohl iſt der daran/ Welcher ſolchen eitelkeiten Seine ſeele nicht ergiebt/ Oder doch geluͤcklich liebt. VI. Der

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/60>, abgerufen am 13.05.2024.