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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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vierdtes dutzent.
Weil aber mein gewissen
Mir selbst entgegen scheint/
Hab ich offt sagen müssen:
Jch hätt es nicht vermeynt.

2. Jch hätt es nicht vermeynt. Es sind gar wenig
Jndessen angebrochen/ (wochen
Alß ich ein schönes bild
Noch vor mein labsal hielt;
Nun seh ich/ daß mein hertze
Den handel gantz verneint/
Und spricht noch wohl im schertze:
Das hätt ich nicht vermeynt.
3. Doch hätt ichs nicht vermeynt: Denn meine see-
Daß ich mich selbst nicht kannte/ (le brante/
Jch redt/ ich sang von ihr/
Stets war ich ausser mir:
Nun bin ich zwar geblieben
Ein blosser guter freund/
Doch kan ich sie nicht lieben:
Das hätt ich nicht vermeynt.
4. Jch hätt es nicht vermeynt: als wir zusammen
Und endlich abschied nahmen/ (kamen/
Da bildt ich mir wohl ein
Jch müste traurig seyn.
Doch weil mir nun bey andern
Das glücke günstig scheint/
So bin ich auch von Flandern.
Das hätt ich nicht vermeynt.
5. Das hätt ich nicht vermeynt/ als ich die bangig-
Jn meiner seele streiten (keiten
Und schmertzen und verdrieß
Mich stets bestürmen ließ.
Nun
E 4

vierdtes dutzent.
Weil aber mein gewiſſen
Mir ſelbſt entgegen ſcheint/
Hab ich offt ſagen muͤſſen:
Jch haͤtt es nicht vermeynt.

2. Jch haͤtt es nicht vermeynt. Es ſind gar wenig
Jndeſſen angebrochen/ (wochen
Alß ich ein ſchoͤnes bild
Noch vor mein labſal hielt;
Nun ſeh ich/ daß mein hertze
Den handel gantz verneint/
Und ſpricht noch wohl im ſchertze:
Das haͤtt ich nicht vermeynt.
3. Doch haͤtt ichs nicht vermeynt: Denn meine ſee-
Daß ich mich ſelbſt nicht kannte/ (le brante/
Jch redt/ ich ſang von ihr/
Stets war ich auſſer mir:
Nun bin ich zwar geblieben
Ein bloſſer guter freund/
Doch kan ich ſie nicht lieben:
Das haͤtt ich nicht vermeynt.
4. Jch haͤtt es nicht vermeynt: als wir zuſammen
Und endlich abſchied nahmen/ (kamen/
Da bildt ich mir wohl ein
Jch muͤſte traurig ſeyn.
Doch weil mir nun bey andern
Das gluͤcke guͤnſtig ſcheint/
So bin ich auch von Flandern.
Das haͤtt ich nicht vermeynt.
5. Das haͤtt ich nicht vermeynt/ als ich die bangig-
Jn meiner ſeele ſtreiten (keiten
Und ſchmertzen und verdrieß
Mich ſtets beſtuͤrmen ließ.
Nun
E 4
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[71/0087] vierdtes dutzent. Weil aber mein gewiſſen Mir ſelbſt entgegen ſcheint/ Hab ich offt ſagen muͤſſen: Jch haͤtt es nicht vermeynt. 2. Jch haͤtt es nicht vermeynt. Es ſind gar wenig Jndeſſen angebrochen/ (wochen Alß ich ein ſchoͤnes bild Noch vor mein labſal hielt; Nun ſeh ich/ daß mein hertze Den handel gantz verneint/ Und ſpricht noch wohl im ſchertze: Das haͤtt ich nicht vermeynt. 3. Doch haͤtt ichs nicht vermeynt: Denn meine ſee- Daß ich mich ſelbſt nicht kannte/ (le brante/ Jch redt/ ich ſang von ihr/ Stets war ich auſſer mir: Nun bin ich zwar geblieben Ein bloſſer guter freund/ Doch kan ich ſie nicht lieben: Das haͤtt ich nicht vermeynt. 4. Jch haͤtt es nicht vermeynt: als wir zuſammen Und endlich abſchied nahmen/ (kamen/ Da bildt ich mir wohl ein Jch muͤſte traurig ſeyn. Doch weil mir nun bey andern Das gluͤcke guͤnſtig ſcheint/ So bin ich auch von Flandern. Das haͤtt ich nicht vermeynt. 5. Das haͤtt ich nicht vermeynt/ als ich die bangig- Jn meiner ſeele ſtreiten (keiten Und ſchmertzen und verdrieß Mich ſtets beſtuͤrmen ließ. Nun E 4

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/87>, abgerufen am 13.05.2024.