Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

gleichen, und dass aus dieser Regenerationsfähigkeit sich dann
die Einrichtung der Vermehrung durch Selbsttheilung mit nach-
träglicher Kopf- und Schwanzbildung, aus dieser aber die
Theilung mit vorhergehender Bildung der neuen Theile ent-
wickelte.

Diese Folgerung erhält noch eine weitere Stütze, wenn wir
uns erinnern, was oben über die Regeneration festgestellt wurde,
dass sie nämlich keineswegs eine inhärente Eigenschaft der Orga-
nismen, ein unmittelbarer und unvermeidlicher Ausfluss einer be-
stimmten Organisation oder Organisationshöhe ist, sondern eben-
falls eine durch Naturzüchtung erst hervorgerufene Anpassung,
eine besondere Einrichtung, die in höherem oder geringerem Grade
getroffen werden kann, oder auch nicht. Der in zwei Stücke
geschnittene Regenwurm bildet sich zwar am Vorderstück ein
neues Schwanzende, nicht aber am Hinterstück einen neuen
Kopf. Dazu fehlt also hier noch die Einrichtung, welche bei
Lumbriculus und Nais vorhanden ist. Diese Einrichtung besteht
nun nach meiner Auffassung darin, dass den Zellen der Haut
und des Darms die zur Kopfbildung erforderlichen Determinanten
als Neben-Idioplasma beigegeben sind. Beim Regenwurm be-
sitzen sie nur diejenigen der Schwanzbildung.

Es kann wohl sein, dass die Regeneration des Schwanzes
deshalb leichter einzurichten war, weil das letzte Segment bei
den Ringelwürmern ohnehin schon zur Hervorbringung ganzer
neuer Segmente eingerichtet war. Das Wachsthum geschieht
ja durch Neubildung von Segmenten vom Schwanzende aus,
dort waren also schon die nöthigen Neben-Determinanten den
Zellen beigegeben und der Schluss des bei der Theilung durch-
getrennten Körpers konnte vielleicht mechanisch erfolgen. Die
Kopf-Determinanten können dagegen nur vom Ei und der
Embryonalentwickelung aus als Neben-Idioplasma den betreffenden
Zellen beigegeben worden sein, und es begreift sich daraus, dass

gleichen, und dass aus dieser Regenerationsfähigkeit sich dann
die Einrichtung der Vermehrung durch Selbsttheilung mit nach-
träglicher Kopf- und Schwanzbildung, aus dieser aber die
Theilung mit vorhergehender Bildung der neuen Theile ent-
wickelte.

Diese Folgerung erhält noch eine weitere Stütze, wenn wir
uns erinnern, was oben über die Regeneration festgestellt wurde,
dass sie nämlich keineswegs eine inhärente Eigenschaft der Orga-
nismen, ein unmittelbarer und unvermeidlicher Ausfluss einer be-
stimmten Organisation oder Organisationshöhe ist, sondern eben-
falls eine durch Naturzüchtung erst hervorgerufene Anpassung,
eine besondere Einrichtung, die in höherem oder geringerem Grade
getroffen werden kann, oder auch nicht. Der in zwei Stücke
geschnittene Regenwurm bildet sich zwar am Vorderstück ein
neues Schwanzende, nicht aber am Hinterstück einen neuen
Kopf. Dazu fehlt also hier noch die Einrichtung, welche bei
Lumbriculus und Nais vorhanden ist. Diese Einrichtung besteht
nun nach meiner Auffassung darin, dass den Zellen der Haut
und des Darms die zur Kopfbildung erforderlichen Determinanten
als Neben-Idioplasma beigegeben sind. Beim Regenwurm be-
sitzen sie nur diejenigen der Schwanzbildung.

Es kann wohl sein, dass die Regeneration des Schwanzes
deshalb leichter einzurichten war, weil das letzte Segment bei
den Ringelwürmern ohnehin schon zur Hervorbringung ganzer
neuer Segmente eingerichtet war. Das Wachsthum geschieht
ja durch Neubildung von Segmenten vom Schwanzende aus,
dort waren also schon die nöthigen Neben-Determinanten den
Zellen beigegeben und der Schluss des bei der Theilung durch-
getrennten Körpers konnte vielleicht mechanisch erfolgen. Die
Kopf-Determinanten können dagegen nur vom Ei und der
Embryonalentwickelung aus als Neben-Idioplasma den betreffenden
Zellen beigegeben worden sein, und es begreift sich daraus, dass

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0226" n="202"/>
gleichen, und dass aus dieser Regenerationsfähigkeit sich dann<lb/>
die Einrichtung der Vermehrung durch Selbsttheilung mit nach-<lb/>
träglicher Kopf- und Schwanzbildung, aus dieser aber die<lb/>
Theilung mit vorhergehender Bildung der neuen Theile ent-<lb/>
wickelte.</p><lb/>
            <p>Diese Folgerung erhält noch eine weitere Stütze, wenn wir<lb/>
uns erinnern, was oben über die Regeneration festgestellt wurde,<lb/>
dass sie nämlich keineswegs eine inhärente Eigenschaft der Orga-<lb/>
nismen, ein unmittelbarer und unvermeidlicher Ausfluss einer be-<lb/>
stimmten Organisation oder Organisationshöhe ist, sondern eben-<lb/>
falls eine durch Naturzüchtung erst hervorgerufene Anpassung,<lb/>
eine besondere Einrichtung, die in höherem oder geringerem Grade<lb/>
getroffen werden kann, oder auch nicht. Der in zwei Stücke<lb/>
geschnittene Regenwurm bildet sich zwar am Vorderstück ein<lb/>
neues Schwanzende, nicht aber am Hinterstück einen neuen<lb/>
Kopf. Dazu fehlt also hier noch die Einrichtung, welche bei<lb/>
Lumbriculus und Nais vorhanden ist. Diese Einrichtung besteht<lb/>
nun nach meiner Auffassung darin, dass den Zellen der Haut<lb/>
und des Darms die zur Kopfbildung erforderlichen Determinanten<lb/>
als Neben-Idioplasma beigegeben sind. Beim Regenwurm be-<lb/>
sitzen sie nur diejenigen der Schwanzbildung.</p><lb/>
            <p>Es kann wohl sein, dass die Regeneration des Schwanzes<lb/>
deshalb leichter einzurichten war, weil das letzte Segment bei<lb/>
den Ringelwürmern ohnehin schon zur Hervorbringung ganzer<lb/>
neuer Segmente eingerichtet war. Das Wachsthum geschieht<lb/>
ja durch Neubildung von Segmenten vom Schwanzende aus,<lb/>
dort waren also schon die nöthigen Neben-Determinanten den<lb/>
Zellen beigegeben und der Schluss des bei der Theilung durch-<lb/>
getrennten Körpers konnte vielleicht mechanisch erfolgen. Die<lb/>
Kopf-Determinanten können dagegen nur vom Ei und der<lb/>
Embryonalentwickelung aus als Neben-Idioplasma den betreffenden<lb/>
Zellen beigegeben worden sein, und es begreift sich daraus, dass<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0226] gleichen, und dass aus dieser Regenerationsfähigkeit sich dann die Einrichtung der Vermehrung durch Selbsttheilung mit nach- träglicher Kopf- und Schwanzbildung, aus dieser aber die Theilung mit vorhergehender Bildung der neuen Theile ent- wickelte. Diese Folgerung erhält noch eine weitere Stütze, wenn wir uns erinnern, was oben über die Regeneration festgestellt wurde, dass sie nämlich keineswegs eine inhärente Eigenschaft der Orga- nismen, ein unmittelbarer und unvermeidlicher Ausfluss einer be- stimmten Organisation oder Organisationshöhe ist, sondern eben- falls eine durch Naturzüchtung erst hervorgerufene Anpassung, eine besondere Einrichtung, die in höherem oder geringerem Grade getroffen werden kann, oder auch nicht. Der in zwei Stücke geschnittene Regenwurm bildet sich zwar am Vorderstück ein neues Schwanzende, nicht aber am Hinterstück einen neuen Kopf. Dazu fehlt also hier noch die Einrichtung, welche bei Lumbriculus und Nais vorhanden ist. Diese Einrichtung besteht nun nach meiner Auffassung darin, dass den Zellen der Haut und des Darms die zur Kopfbildung erforderlichen Determinanten als Neben-Idioplasma beigegeben sind. Beim Regenwurm be- sitzen sie nur diejenigen der Schwanzbildung. Es kann wohl sein, dass die Regeneration des Schwanzes deshalb leichter einzurichten war, weil das letzte Segment bei den Ringelwürmern ohnehin schon zur Hervorbringung ganzer neuer Segmente eingerichtet war. Das Wachsthum geschieht ja durch Neubildung von Segmenten vom Schwanzende aus, dort waren also schon die nöthigen Neben-Determinanten den Zellen beigegeben und der Schluss des bei der Theilung durch- getrennten Körpers konnte vielleicht mechanisch erfolgen. Die Kopf-Determinanten können dagegen nur vom Ei und der Embryonalentwickelung aus als Neben-Idioplasma den betreffenden Zellen beigegeben worden sein, und es begreift sich daraus, dass

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/226
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/226>, abgerufen am 28.04.2024.