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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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elterlichen Keimzelle abstammen.1) Er nahm als erwiesen an,
dass die "Bildung der Zeugungsstoffe bei einem Thiere schon
in die ersten Stadien seines Embryonallebens fällt", und glaubte
damit den Zusammenhang der elterlichen und kindlichen Keim-
zellen erwiesen.

Obgleich diese Äusserungen weder begründet wurden, noch
durchgeführt, so hätten sie doch zu weiteren Gedanken anregen
müssen. Sie blieben aber, wie das ganze Buch, in dem sie ent-
halten sind, unbeachtet.

Ebenso erging es einer kurzen Bemerkung von Rauber2),
welche derselbe im Verlauf einer Abhandlung über "Formbildung
und Formstörung in der Entwickelung von Wirbelthieren" ein-
fliessen liess. Es heisst dort: "Was nun die Wirkung der Be-
fruchtung betrifft, so vermag eine solche immer nur einen Theil
des Eies, den Personaltheil, zur Form einer Person überzuführen;
der andere Theil erfährt diese Wirkung nicht, er hat stärkere
beharrende Kraft" u. s. w.

Zuletzt kam M. Nussbaum3) auf den Gedanken einer Con-
tinuität der Keimzellen. Auch er nahm an, es theile sich

1) In dem lobenswerthen Bestreben, meinen Vorgängern gerecht zu
werden, wird mitunter etwas weit gegangen. So findet sich bei Geddes
und Thomson "Evolution of Sex", Edinburgh 1890, p. 93, ein Citat von
G. Jäger, durch welches dessen Vorläuferschaft ins Licht gestellt werden
soll. Dieses Citat ist aber gar nicht seinem Buche vom Jahre 1878 ent-
nommen, in welchem jene Gedanken enthalten sind, sondern einem zehn
Jahre später geschriebenen Aufsatz, und schliesst mit den Worten:
"diese Reservirung des phylogenetischen Materials beschrieb ich als
Continuität des Keimplasma's". Jäger hat aber in seinem Buche
von 1878 nirgends von einer Continuität des Keimplasma's gesprochen,
sondern nur einen Zusammenhang der Keim zellen behauptet, der nicht
existirt. Die ganze neue Darstellung seiner Gedanken steht unter dem
Einfluss meiner inzwischen erschieneneu Schriften.
2) "Morpholog. Jahrbuch", 6. Bd 1880.
3) M. Nussbaum, "Die Differenzirung des Geschlechts im Thier-
reich", Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. XVIII, 1880.

elterlichen Keimzelle abstammen.1) Er nahm als erwiesen an,
dass die „Bildung der Zeugungsstoffe bei einem Thiere schon
in die ersten Stadien seines Embryonallebens fällt“, und glaubte
damit den Zusammenhang der elterlichen und kindlichen Keim-
zellen erwiesen.

Obgleich diese Äusserungen weder begründet wurden, noch
durchgeführt, so hätten sie doch zu weiteren Gedanken anregen
müssen. Sie blieben aber, wie das ganze Buch, in dem sie ent-
halten sind, unbeachtet.

Ebenso erging es einer kurzen Bemerkung von Rauber2),
welche derselbe im Verlauf einer Abhandlung über „Formbildung
und Formstörung in der Entwickelung von Wirbelthieren“ ein-
fliessen liess. Es heisst dort: „Was nun die Wirkung der Be-
fruchtung betrifft, so vermag eine solche immer nur einen Theil
des Eies, den Personaltheil, zur Form einer Person überzuführen;
der andere Theil erfährt diese Wirkung nicht, er hat stärkere
beharrende Kraft“ u. s. w.

Zuletzt kam M. Nussbaum3) auf den Gedanken einer Con-
tinuität der Keimzellen. Auch er nahm an, es theile sich

1) In dem lobenswerthen Bestreben, meinen Vorgängern gerecht zu
werden, wird mitunter etwas weit gegangen. So findet sich bei Geddes
und Thomson „Evolution of Sex“, Edinburgh 1890, p. 93, ein Citat von
G. Jäger, durch welches dessen Vorläuferschaft ins Licht gestellt werden
soll. Dieses Citat ist aber gar nicht seinem Buche vom Jahre 1878 ent-
nommen, in welchem jene Gedanken enthalten sind, sondern einem zehn
Jahre später geschriebenen Aufsatz, und schliesst mit den Worten:
„diese Reservirung des phylogenetischen Materials beschrieb ich als
Continuität des Keimplasma’s“. Jäger hat aber in seinem Buche
von 1878 nirgends von einer Continuität des Keimplasma’s gesprochen,
sondern nur einen Zusammenhang der Keim zellen behauptet, der nicht
existirt. Die ganze neue Darstellung seiner Gedanken steht unter dem
Einfluss meiner inzwischen erschieneneu Schriften.
2) „Morpholog. Jahrbuch“, 6. Bd 1880.
3) M. Nussbaum, „Die Differenzirung des Geschlechts im Thier-
reich“, Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. XVIII, 1880.
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[263/0287] elterlichen Keimzelle abstammen. 1) Er nahm als erwiesen an, dass die „Bildung der Zeugungsstoffe bei einem Thiere schon in die ersten Stadien seines Embryonallebens fällt“, und glaubte damit den Zusammenhang der elterlichen und kindlichen Keim- zellen erwiesen. Obgleich diese Äusserungen weder begründet wurden, noch durchgeführt, so hätten sie doch zu weiteren Gedanken anregen müssen. Sie blieben aber, wie das ganze Buch, in dem sie ent- halten sind, unbeachtet. Ebenso erging es einer kurzen Bemerkung von Rauber 2), welche derselbe im Verlauf einer Abhandlung über „Formbildung und Formstörung in der Entwickelung von Wirbelthieren“ ein- fliessen liess. Es heisst dort: „Was nun die Wirkung der Be- fruchtung betrifft, so vermag eine solche immer nur einen Theil des Eies, den Personaltheil, zur Form einer Person überzuführen; der andere Theil erfährt diese Wirkung nicht, er hat stärkere beharrende Kraft“ u. s. w. Zuletzt kam M. Nussbaum 3) auf den Gedanken einer Con- tinuität der Keimzellen. Auch er nahm an, es theile sich 1) In dem lobenswerthen Bestreben, meinen Vorgängern gerecht zu werden, wird mitunter etwas weit gegangen. So findet sich bei Geddes und Thomson „Evolution of Sex“, Edinburgh 1890, p. 93, ein Citat von G. Jäger, durch welches dessen Vorläuferschaft ins Licht gestellt werden soll. Dieses Citat ist aber gar nicht seinem Buche vom Jahre 1878 ent- nommen, in welchem jene Gedanken enthalten sind, sondern einem zehn Jahre später geschriebenen Aufsatz, und schliesst mit den Worten: „diese Reservirung des phylogenetischen Materials beschrieb ich als Continuität des Keimplasma’s“. Jäger hat aber in seinem Buche von 1878 nirgends von einer Continuität des Keimplasma’s gesprochen, sondern nur einen Zusammenhang der Keim zellen behauptet, der nicht existirt. Die ganze neue Darstellung seiner Gedanken steht unter dem Einfluss meiner inzwischen erschieneneu Schriften. 2) „Morpholog. Jahrbuch“, 6. Bd 1880. 3) M. Nussbaum, „Die Differenzirung des Geschlechts im Thier- reich“, Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. XVIII, 1880.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/287>, abgerufen am 28.04.2024.