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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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die eines Pferdes, sondern die kurze, steif aufrecht stehende des
Quagga gewesen sein. Ähnliche Fälle von Beeinflussung des
Baues eines später erzeugten Nachkommen durch eine frühere
Begattung werden von mehreren Hausthieren, vom Rind, Schaf,
Schwein, dem Hund und von Tauben erzählt, auch vom Menschen
in Bezug auf Kreuzung der Weissen mit Negern.

Besonders angestellte Versuche liegen bis jetzt nicht vor;
ohne alle erdenkliche Controle wären sie auch werthlos und
würden deshalb am besten in zoologischen Gärten angestellt,
wo nicht nur vielfaches unzweifelhaft reines Material dafür
sich darbietet, sondern auch Isolirung der Thiere und genaue
Controle durch besondere Wärter auf längere Zeiträume hinaus
möglich ist.

Der Philosoph Carneri theilt einen von ihm selbst be-
obachteten Fall mit, den ich noch hier anführen will. Er hielt
eine Rinderheerde der reinen, grauen Mürzthaler Rasse. Ein-
mal liess er aus besonderen Gründen ausnahmsweise eine Kuh
nicht vom eigenen Stier, sondern von einem "leichten Pinz-
gauer" Stier belegen. Die Kuh warf ein Kalb, welches vor-
herrschend die Merkmale der Pinzgauer Rasse -- braune und
weisse Scheckung -- an sich trug, aber auch deutliche Spuren
des "schwarzgrauen Mürzthaler Kreuzes". Das zweite Mal wurde
diese Kuh von einem Mürzthaler Stier belegt, und das zweite
Kalb war unerwarteterweise wieder ein "Bastard", vorherrschend
grau, aber "mit grossen braunen Pinzgauer Flecken".

Beide hier angeführte Fälle sind nicht so beweisend, als
es auf den ersten Blick erscheint. Das Füllen mit Quagga-
Charakteren ist in Surgeon's College in London abgebildet zu
sehen und zeigt auf den von Agasse entworfenen Bildern un-
deutliche dunkle Streifen am Halse, Widerriss und Beinen. Nun
kommen aber solche Streifen bei reinen Pferdefüllen nicht so
gar selten vor, verschwinden aber regelmässig mit zunehmendem

die eines Pferdes, sondern die kurze, steif aufrecht stehende des
Quagga gewesen sein. Ähnliche Fälle von Beeinflussung des
Baues eines später erzeugten Nachkommen durch eine frühere
Begattung werden von mehreren Hausthieren, vom Rind, Schaf,
Schwein, dem Hund und von Tauben erzählt, auch vom Menschen
in Bezug auf Kreuzung der Weissen mit Negern.

Besonders angestellte Versuche liegen bis jetzt nicht vor;
ohne alle erdenkliche Controle wären sie auch werthlos und
würden deshalb am besten in zoologischen Gärten angestellt,
wo nicht nur vielfaches unzweifelhaft reines Material dafür
sich darbietet, sondern auch Isolirung der Thiere und genaue
Controle durch besondere Wärter auf längere Zeiträume hinaus
möglich ist.

Der Philosoph Carneri theilt einen von ihm selbst be-
obachteten Fall mit, den ich noch hier anführen will. Er hielt
eine Rinderheerde der reinen, grauen Mürzthaler Rasse. Ein-
mal liess er aus besonderen Gründen ausnahmsweise eine Kuh
nicht vom eigenen Stier, sondern von einem „leichten Pinz-
gauer“ Stier belegen. Die Kuh warf ein Kalb, welches vor-
herrschend die Merkmale der Pinzgauer Rasse — braune und
weisse Scheckung — an sich trug, aber auch deutliche Spuren
des „schwarzgrauen Mürzthaler Kreuzes“. Das zweite Mal wurde
diese Kuh von einem Mürzthaler Stier belegt, und das zweite
Kalb war unerwarteterweise wieder ein „Bastard“, vorherrschend
grau, aber „mit grossen braunen Pinzgauer Flecken“.

Beide hier angeführte Fälle sind nicht so beweisend, als
es auf den ersten Blick erscheint. Das Füllen mit Quagga-
Charakteren ist in Surgeon’s College in London abgebildet zu
sehen und zeigt auf den von Agasse entworfenen Bildern un-
deutliche dunkle Streifen am Halse, Widerriss und Beinen. Nun
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gar selten vor, verschwinden aber regelmässig mit zunehmendem

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[505/0529] die eines Pferdes, sondern die kurze, steif aufrecht stehende des Quagga gewesen sein. Ähnliche Fälle von Beeinflussung des Baues eines später erzeugten Nachkommen durch eine frühere Begattung werden von mehreren Hausthieren, vom Rind, Schaf, Schwein, dem Hund und von Tauben erzählt, auch vom Menschen in Bezug auf Kreuzung der Weissen mit Negern. Besonders angestellte Versuche liegen bis jetzt nicht vor; ohne alle erdenkliche Controle wären sie auch werthlos und würden deshalb am besten in zoologischen Gärten angestellt, wo nicht nur vielfaches unzweifelhaft reines Material dafür sich darbietet, sondern auch Isolirung der Thiere und genaue Controle durch besondere Wärter auf längere Zeiträume hinaus möglich ist. Der Philosoph Carneri theilt einen von ihm selbst be- obachteten Fall mit, den ich noch hier anführen will. Er hielt eine Rinderheerde der reinen, grauen Mürzthaler Rasse. Ein- mal liess er aus besonderen Gründen ausnahmsweise eine Kuh nicht vom eigenen Stier, sondern von einem „leichten Pinz- gauer“ Stier belegen. Die Kuh warf ein Kalb, welches vor- herrschend die Merkmale der Pinzgauer Rasse — braune und weisse Scheckung — an sich trug, aber auch deutliche Spuren des „schwarzgrauen Mürzthaler Kreuzes“. Das zweite Mal wurde diese Kuh von einem Mürzthaler Stier belegt, und das zweite Kalb war unerwarteterweise wieder ein „Bastard“, vorherrschend grau, aber „mit grossen braunen Pinzgauer Flecken“. Beide hier angeführte Fälle sind nicht so beweisend, als es auf den ersten Blick erscheint. Das Füllen mit Quagga- Charakteren ist in Surgeon’s College in London abgebildet zu sehen und zeigt auf den von Agasse entworfenen Bildern un- deutliche dunkle Streifen am Halse, Widerriss und Beinen. Nun kommen aber solche Streifen bei reinen Pferdefüllen nicht so gar selten vor, verschwinden aber regelmässig mit zunehmendem

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/529>, abgerufen am 29.04.2024.