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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Ernstes und Heiteres
an die Reihe. Sie bedurften keiner längeren Erklärung, doch
machten Wollweber und Albert mit ersteren einige Gänge und
gelangten beide bei dieser Gelegenheit zu der befriedigenden Ge-
wißheit, daß sie sich doch nicht ganz umsonst auf deutschen Hoch-
schulen aufgehalten hatten.

Die etwas ungewohnte Bewegung hatte den Appetit ge-
reizt und nach Stärkung durch ein solides Frühstück und dem
Abfeuern einiger Schlagröhren wurde die Belehrung fortgesetzt.
In Anbetracht der guten Cigarren, welche sich noch in den
Taschen vorfanden, beschloß man jedoch, das Placat wegen
"Nichtrauchens" noch einige Tage auszusetzen.

Es kam jetzt der wichtigste Punkt zur Verhandlung, die
Einweihung in die Geheimnisse des ominösen Hauptbuches, das
bereits mehrmals erwähnt war und für Albert fortan an die
Stelle des Corpus juris treten sollte.

"Auf eine gute Führung des Hauptbuches, verehrter Herr
Kamerad," begann Wollweber, "kommt sehr viel an, mehr als
Sie denken. Hätte ich früher diesem Grundsatze gehuldigt,
würde ich jetzt nicht in diesem ungeheizten Arsenale zu frieren
brauchen, obwol ich sonst ganz gern hier bin. Ich habe es mir
deshalb zur Aufgabe gemacht, dieses wichtige Buch wirklich gut
zu führen, aber gleichzeitig dabei auch practisch zu verfahren.
Wie ich schon andeutete, ist mein Motto "Einfachheit und
Kürze" und ich habe es auch hier zur Anwendung gebracht.
Sehen Sie," fuhr er fort, indem er das Hauptbuch aufschlug,
"etwas Einfacheres kann es kaum geben. Hier steht die Ein-
nahme, alles dicht beisammen, ungeheuer übersichtlich!"

"In der That! sehr einfach und übersichtlich," bestätigte
anerkennend Albert, "und die Ausgabe?"

Mit großer Gewandtheit warf Wollweber das Buch wie
einen auf einer Seite gebackenen Eierkuchen in der Luft herum
und schlug die Rückseite auf. "Hier steht die Ausgabe!" zeigte
er triumphirend.


Ernſtes und Heiteres
an die Reihe. Sie bedurften keiner längeren Erklärung, doch
machten Wollweber und Albert mit erſteren einige Gänge und
gelangten beide bei dieſer Gelegenheit zu der befriedigenden Ge-
wißheit, daß ſie ſich doch nicht ganz umſonſt auf deutſchen Hoch-
ſchulen aufgehalten hatten.

Die etwas ungewohnte Bewegung hatte den Appetit ge-
reizt und nach Stärkung durch ein ſolides Frühſtück und dem
Abfeuern einiger Schlagröhren wurde die Belehrung fortgeſetzt.
In Anbetracht der guten Cigarren, welche ſich noch in den
Taſchen vorfanden, beſchloß man jedoch, das Placat wegen
„Nichtrauchens“ noch einige Tage auszuſetzen.

Es kam jetzt der wichtigſte Punkt zur Verhandlung, die
Einweihung in die Geheimniſſe des ominöſen Hauptbuches, das
bereits mehrmals erwähnt war und für Albert fortan an die
Stelle des Corpus juris treten ſollte.

„Auf eine gute Führung des Hauptbuches, verehrter Herr
Kamerad,“ begann Wollweber, „kommt ſehr viel an, mehr als
Sie denken. Hätte ich früher dieſem Grundſatze gehuldigt,
würde ich jetzt nicht in dieſem ungeheizten Arſenale zu frieren
brauchen, obwol ich ſonſt ganz gern hier bin. Ich habe es mir
deshalb zur Aufgabe gemacht, dieſes wichtige Buch wirklich gut
zu führen, aber gleichzeitig dabei auch practiſch zu verfahren.
Wie ich ſchon andeutete, iſt mein Motto „Einfachheit und
Kürze“ und ich habe es auch hier zur Anwendung gebracht.
Sehen Sie,“ fuhr er fort, indem er das Hauptbuch aufſchlug,
„etwas Einfacheres kann es kaum geben. Hier ſteht die Ein-
nahme, alles dicht beiſammen, ungeheuer überſichtlich!“

„In der That! ſehr einfach und überſichtlich,“ beſtätigte
anerkennend Albert, „und die Ausgabe?“

Mit großer Gewandtheit warf Wollweber das Buch wie
einen auf einer Seite gebackenen Eierkuchen in der Luft herum
und ſchlug die Rückſeite auf. „Hier ſteht die Ausgabe!“ zeigte
er triumphirend.


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[247/0259] Ernſtes und Heiteres an die Reihe. Sie bedurften keiner längeren Erklärung, doch machten Wollweber und Albert mit erſteren einige Gänge und gelangten beide bei dieſer Gelegenheit zu der befriedigenden Ge- wißheit, daß ſie ſich doch nicht ganz umſonſt auf deutſchen Hoch- ſchulen aufgehalten hatten. Die etwas ungewohnte Bewegung hatte den Appetit ge- reizt und nach Stärkung durch ein ſolides Frühſtück und dem Abfeuern einiger Schlagröhren wurde die Belehrung fortgeſetzt. In Anbetracht der guten Cigarren, welche ſich noch in den Taſchen vorfanden, beſchloß man jedoch, das Placat wegen „Nichtrauchens“ noch einige Tage auszuſetzen. Es kam jetzt der wichtigſte Punkt zur Verhandlung, die Einweihung in die Geheimniſſe des ominöſen Hauptbuches, das bereits mehrmals erwähnt war und für Albert fortan an die Stelle des Corpus juris treten ſollte. „Auf eine gute Führung des Hauptbuches, verehrter Herr Kamerad,“ begann Wollweber, „kommt ſehr viel an, mehr als Sie denken. Hätte ich früher dieſem Grundſatze gehuldigt, würde ich jetzt nicht in dieſem ungeheizten Arſenale zu frieren brauchen, obwol ich ſonſt ganz gern hier bin. Ich habe es mir deshalb zur Aufgabe gemacht, dieſes wichtige Buch wirklich gut zu führen, aber gleichzeitig dabei auch practiſch zu verfahren. Wie ich ſchon andeutete, iſt mein Motto „Einfachheit und Kürze“ und ich habe es auch hier zur Anwendung gebracht. Sehen Sie,“ fuhr er fort, indem er das Hauptbuch aufſchlug, „etwas Einfacheres kann es kaum geben. Hier ſteht die Ein- nahme, alles dicht beiſammen, ungeheuer überſichtlich!“ „In der That! ſehr einfach und überſichtlich,“ beſtätigte anerkennend Albert, „und die Ausgabe?“ Mit großer Gewandtheit warf Wollweber das Buch wie einen auf einer Seite gebackenen Eierkuchen in der Luft herum und ſchlug die Rückſeite auf. „Hier ſteht die Ausgabe!“ zeigte er triumphirend.

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/259>, abgerufen am 15.05.2024.