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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Auch warteten sie wirklich lange auf den
gehoften Beystand des Himmels und die
Ueberfahrt nach Europa, nährten sich küm-
merlich mit gesammelten Früchten und Wur-
zeln, bis endlich die Saiten der Hofnung
schlaff wurden, und der Muth gleichfalls. --
Trauriges ungerechtes Schicksal! -- dabey
blieb Akante und beschloß verzweiflend, sich
in die See zu stürzen. -- Laß mich voran!
rief Belphegor. Gab mir die Natur das
Leben und doch keine Mittel es zu erhalten,
so werfe ich die unnütze Last von mir und
sterbe. -- Mit diesem Worte sprang er un-
aufgehalten in die Fluth: allein ein Rest
von Liebe zum Leben oder eine andere Ursache
machte, daß er sich unbewußt im Wasser,
ohne zu sinken, fortarbeitete und nach dem
Ufer zuschwamm, wo er ganz durchnäßt und
kraftlos sich auf das Trockne hinwarf.

Er erholte sich; sein erster Blick gieng
nach Akanten, aber fand sie nicht: er suchte,
er rief und fand sie eben so wenig. Nach
langem vergeblichem Bemühen blickte er
endlich seufzend nach der See hin, als
wollte er zum zweytenmale sich ihr überge-
ben; -- siehe! plötzlich wurde er ein Fahr-

zeug

Auch warteten ſie wirklich lange auf den
gehoften Beyſtand des Himmels und die
Ueberfahrt nach Europa, naͤhrten ſich kuͤm-
merlich mit geſammelten Fruͤchten und Wur-
zeln, bis endlich die Saiten der Hofnung
ſchlaff wurden, und der Muth gleichfalls. —
Trauriges ungerechtes Schickſal! — dabey
blieb Akante und beſchloß verzweiflend, ſich
in die See zu ſtuͤrzen. — Laß mich voran!
rief Belphegor. Gab mir die Natur das
Leben und doch keine Mittel es zu erhalten,
ſo werfe ich die unnuͤtze Laſt von mir und
ſterbe. — Mit dieſem Worte ſprang er un-
aufgehalten in die Fluth: allein ein Reſt
von Liebe zum Leben oder eine andere Urſache
machte, daß er ſich unbewußt im Waſſer,
ohne zu ſinken, fortarbeitete und nach dem
Ufer zuſchwamm, wo er ganz durchnaͤßt und
kraftlos ſich auf das Trockne hinwarf.

Er erholte ſich; ſein erſter Blick gieng
nach Akanten, aber fand ſie nicht: er ſuchte,
er rief und fand ſie eben ſo wenig. Nach
langem vergeblichem Bemuͤhen blickte er
endlich ſeufzend nach der See hin, als
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[164/0170] Auch warteten ſie wirklich lange auf den gehoften Beyſtand des Himmels und die Ueberfahrt nach Europa, naͤhrten ſich kuͤm- merlich mit geſammelten Fruͤchten und Wur- zeln, bis endlich die Saiten der Hofnung ſchlaff wurden, und der Muth gleichfalls. — Trauriges ungerechtes Schickſal! — dabey blieb Akante und beſchloß verzweiflend, ſich in die See zu ſtuͤrzen. — Laß mich voran! rief Belphegor. Gab mir die Natur das Leben und doch keine Mittel es zu erhalten, ſo werfe ich die unnuͤtze Laſt von mir und ſterbe. — Mit dieſem Worte ſprang er un- aufgehalten in die Fluth: allein ein Reſt von Liebe zum Leben oder eine andere Urſache machte, daß er ſich unbewußt im Waſſer, ohne zu ſinken, fortarbeitete und nach dem Ufer zuſchwamm, wo er ganz durchnaͤßt und kraftlos ſich auf das Trockne hinwarf. Er erholte ſich; ſein erſter Blick gieng nach Akanten, aber fand ſie nicht: er ſuchte, er rief und fand ſie eben ſo wenig. Nach langem vergeblichem Bemuͤhen blickte er endlich ſeufzend nach der See hin, als wollte er zum zweytenmale ſich ihr uͤberge- ben; — ſiehe! ploͤtzlich wurde er ein Fahr- zeug

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/170>, abgerufen am 05.05.2024.