unternahmen sie beständige Anfälle auf sie: so oft sie durch Kundschafter erforschten, daß man eine solche Mahlzeit halten wolle, so brachen sie auf, befreyten die für die Gefrä- ßigkeit jener Barbaren bestimmten Opfer mit Gewalt, kurirten sie sorgfältig wieder aus, opferten sie ihren Göttern und aßen sie mit der größten Anständigkeit.
Kein andres Schicksal ist also von der Frömmigkeit dieser Leute für unsre beiden Europäer zu hoffen: und kurzer Zeit nach ihrer völligen Genefung erfuhren sie es selbst, daß kein andres auf sie wartete. Belphe- gor raste vor Zorn und Verdruß; er wollte nicht essen, und wan zwang ihm die Spei- sen ein: er wurde gemästet, um ein würdi- ges Gericht für die Tafel der Götter zu werden. Der Termin des Opfers, das Hauptfest des Jahres, näherte sich, und die Vorbereitungen nahmen ihren Anfang.
Unterdessen fühlten ihre Nachbarn ein ge- waltiges Jucken der Tapferkeit in Armen und Füßen, sie hatten lange müßig zu Hau- se gelegen, und wie das unvernünftige Vieh nichts gethan als gegessen, getrunken und bey ihren Weibern geschlafen. Um sie die-
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unternahmen ſie beſtaͤndige Anfaͤlle auf ſie: ſo oft ſie durch Kundſchafter erforſchten, daß man eine ſolche Mahlzeit halten wolle, ſo brachen ſie auf, befreyten die fuͤr die Gefraͤ- ßigkeit jener Barbaren beſtimmten Opfer mit Gewalt, kurirten ſie ſorgfaͤltig wieder aus, opferten ſie ihren Goͤttern und aßen ſie mit der groͤßten Anſtaͤndigkeit.
Kein andres Schickſal iſt alſo von der Froͤmmigkeit dieſer Leute fuͤr unſre beiden Europaͤer zu hoffen: und kurzer Zeit nach ihrer voͤlligen Genefung erfuhren ſie es ſelbſt, daß kein andres auf ſie wartete. Belphe- gor raſte vor Zorn und Verdruß; er wollte nicht eſſen, und wan zwang ihm die Spei- ſen ein: er wurde gemaͤſtet, um ein wuͤrdi- ges Gericht fuͤr die Tafel der Goͤtter zu werden. Der Termin des Opfers, das Hauptfeſt des Jahres, naͤherte ſich, und die Vorbereitungen nahmen ihren Anfang.
Unterdeſſen fuͤhlten ihre Nachbarn ein ge- waltiges Jucken der Tapferkeit in Armen und Fuͤßen, ſie hatten lange muͤßig zu Hau- ſe gelegen, und wie das unvernuͤnftige Vieh nichts gethan als gegeſſen, getrunken und bey ihren Weibern geſchlafen. Um ſie die-
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unternahmen ſie beſtaͤndige Anfaͤlle auf ſie:
ſo oft ſie durch Kundſchafter erforſchten, daß
man eine ſolche Mahlzeit halten wolle, ſo
brachen ſie auf, befreyten die fuͤr die Gefraͤ-
ßigkeit jener Barbaren beſtimmten Opfer mit
Gewalt, kurirten ſie ſorgfaͤltig wieder aus,
opferten ſie ihren Goͤttern und aßen ſie mit
der groͤßten Anſtaͤndigkeit.
Kein andres Schickſal iſt alſo von der
Froͤmmigkeit dieſer Leute fuͤr unſre beiden
Europaͤer zu hoffen: und kurzer Zeit nach
ihrer voͤlligen Genefung erfuhren ſie es ſelbſt,
daß kein andres auf ſie wartete. Belphe-
gor raſte vor Zorn und Verdruß; er wollte
nicht eſſen, und wan zwang ihm die Spei-
ſen ein: er wurde gemaͤſtet, um ein wuͤrdi-
ges Gericht fuͤr die Tafel der Goͤtter zu
werden. Der Termin des Opfers, das
Hauptfeſt des Jahres, naͤherte ſich, und
die Vorbereitungen nahmen ihren Anfang.
Unterdeſſen fuͤhlten ihre Nachbarn ein ge-
waltiges Jucken der Tapferkeit in Armen
und Fuͤßen, ſie hatten lange muͤßig zu Hau-
ſe gelegen, und wie das unvernuͤnftige Vieh
nichts gethan als gegeſſen, getrunken und
bey ihren Weibern geſchlafen. Um ſie die-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/219>, abgerufen am 06.05.2024.
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