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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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der Welt auf sie; er fühlte nicht ein Fünk-
chen Liebe zu ihr, sondern sie gefiel ihm, weil
ihm ihre Person mit allen ihren Schönheiten
ein baares Kapital zu seyn schien, das er
in Amerika mit reichen Interessen durch ihren
Verkauf haben wollte. Deswegen enthielt
er sich aller unerlaubten Begierden gegen sie,
weil er für sie und daher auch für seinen
Vortheil gefährliche Folgen davon besorgte.
Er unterrichtete sie selbst in Französischen
und Englischen, worinne es ihm aber nicht
sonderlich glückte, weil ihm seine Geschäfte
so vielfältig daran verhinderten: er über-
gab sie meiner Unterweisung. Sie wußte
wenig von den beiden Sprachen, die sie ler-
nen sollte, aber doch zur Liebe und zur Er-
zählung ihrer Geschichte genug. Brüder-
chen, seitdem meine Frau von Gottes Erd-
boden weg ist, habe ich kein einziges Mäd-
chen so lieb gehabt, als die allerliebste nied-
liche Zaninny. Brüderchen, fühle einmal,
wie mir das Herz pocht, indem ich sie nen-
ne! Sie merkte wohl, ohne daß ichs ihr
sagte, daß eine Revolution in meinem Herze
vorgehn mußte, wenn ich sie sah; und daß
es unter ihrer schwarzen Brust eben so zu-

gehn

der Welt auf ſie; er fuͤhlte nicht ein Fuͤnk-
chen Liebe zu ihr, ſondern ſie gefiel ihm, weil
ihm ihre Perſon mit allen ihren Schoͤnheiten
ein baares Kapital zu ſeyn ſchien, das er
in Amerika mit reichen Intereſſen durch ihren
Verkauf haben wollte. Deswegen enthielt
er ſich aller unerlaubten Begierden gegen ſie,
weil er fuͤr ſie und daher auch fuͤr ſeinen
Vortheil gefaͤhrliche Folgen davon beſorgte.
Er unterrichtete ſie ſelbſt in Franzoͤſiſchen
und Engliſchen, worinne es ihm aber nicht
ſonderlich gluͤckte, weil ihm ſeine Geſchaͤfte
ſo vielfaͤltig daran verhinderten: er uͤber-
gab ſie meiner Unterweiſung. Sie wußte
wenig von den beiden Sprachen, die ſie ler-
nen ſollte, aber doch zur Liebe und zur Er-
zaͤhlung ihrer Geſchichte genug. Bruͤder-
chen, ſeitdem meine Frau von Gottes Erd-
boden weg iſt, habe ich kein einziges Maͤd-
chen ſo lieb gehabt, als die allerliebſte nied-
liche Zaninny. Bruͤderchen, fuͤhle einmal,
wie mir das Herz pocht, indem ich ſie nen-
ne! Sie merkte wohl, ohne daß ichs ihr
ſagte, daß eine Revolution in meinem Herze
vorgehn mußte, wenn ich ſie ſah; und daß
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[20/0026] der Welt auf ſie; er fuͤhlte nicht ein Fuͤnk- chen Liebe zu ihr, ſondern ſie gefiel ihm, weil ihm ihre Perſon mit allen ihren Schoͤnheiten ein baares Kapital zu ſeyn ſchien, das er in Amerika mit reichen Intereſſen durch ihren Verkauf haben wollte. Deswegen enthielt er ſich aller unerlaubten Begierden gegen ſie, weil er fuͤr ſie und daher auch fuͤr ſeinen Vortheil gefaͤhrliche Folgen davon beſorgte. Er unterrichtete ſie ſelbſt in Franzoͤſiſchen und Engliſchen, worinne es ihm aber nicht ſonderlich gluͤckte, weil ihm ſeine Geſchaͤfte ſo vielfaͤltig daran verhinderten: er uͤber- gab ſie meiner Unterweiſung. Sie wußte wenig von den beiden Sprachen, die ſie ler- nen ſollte, aber doch zur Liebe und zur Er- zaͤhlung ihrer Geſchichte genug. Bruͤder- chen, ſeitdem meine Frau von Gottes Erd- boden weg iſt, habe ich kein einziges Maͤd- chen ſo lieb gehabt, als die allerliebſte nied- liche Zaninny. Bruͤderchen, fuͤhle einmal, wie mir das Herz pocht, indem ich ſie nen- ne! Sie merkte wohl, ohne daß ichs ihr ſagte, daß eine Revolution in meinem Herze vorgehn mußte, wenn ich ſie ſah; und daß es unter ihrer ſchwarzen Bruſt eben ſo zu- gehn

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/26>, abgerufen am 26.04.2024.