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Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sich neben ihr auf die Bank niederließ und ihre Hand ergriff. Nun wandte sie sich rasch zu ihm, umarmte ihn und küßte ihn stürmisch. Auch das war sonst nicht ihre Art.

Ansas war doch schon beruhigt; er glaubte nun zu wissen, daß sie gegen ihn nichts haben könne. Er liebkos'te sie und gab ihr alle die zärtlichen Namen, die sie sonst von ihm gehört hatte, und an denen seine Sprache so reich ist. Und dann fing er an zu erzählen, wie es ihm auf der weiten Reise gegangen, und wie er zum König eingelassen sei, und wie ihm der Kronprinz selbst Schutz zugesagt habe, und wie man ihm nun doch zu Hause das seinige nehmen wolle. Aber ich merke wohl, schloß er, daß sie ein schlechtes Gewissen haben. Geelhaar, der Arge, hat mir Geld angeboten, wenn ich das Haus räume -- sie sollen mich nicht um mein Erbe betrügen! Ich räume das Haus nicht, und wenn du willst, Grita, machen wir in acht Tagen Hochzeit und ziehen ein. Ich will einmal sehen, wer uns daraus zu vertreiben wagen sollte.

Er hatte geglaubt, ihr damit die angenehmste Aussicht zu eröffnen, aber sie zitterte plötzlich am ganzen Leibe und wurde eiskalt und dann wieder glühend heiß. Nein -- nein, Ansas, stieß sie gepreßt die Worte vor, nicht in das Haus -- ich setze meinen Fuß nicht mehr in das Haus --

Als meine Frau, Grita --

Auch nicht als deine Frau -- nie, nie mehr!

sich neben ihr auf die Bank niederließ und ihre Hand ergriff. Nun wandte sie sich rasch zu ihm, umarmte ihn und küßte ihn stürmisch. Auch das war sonst nicht ihre Art.

Ansas war doch schon beruhigt; er glaubte nun zu wissen, daß sie gegen ihn nichts haben könne. Er liebkos'te sie und gab ihr alle die zärtlichen Namen, die sie sonst von ihm gehört hatte, und an denen seine Sprache so reich ist. Und dann fing er an zu erzählen, wie es ihm auf der weiten Reise gegangen, und wie er zum König eingelassen sei, und wie ihm der Kronprinz selbst Schutz zugesagt habe, und wie man ihm nun doch zu Hause das seinige nehmen wolle. Aber ich merke wohl, schloß er, daß sie ein schlechtes Gewissen haben. Geelhaar, der Arge, hat mir Geld angeboten, wenn ich das Haus räume — sie sollen mich nicht um mein Erbe betrügen! Ich räume das Haus nicht, und wenn du willst, Grita, machen wir in acht Tagen Hochzeit und ziehen ein. Ich will einmal sehen, wer uns daraus zu vertreiben wagen sollte.

Er hatte geglaubt, ihr damit die angenehmste Aussicht zu eröffnen, aber sie zitterte plötzlich am ganzen Leibe und wurde eiskalt und dann wieder glühend heiß. Nein — nein, Ansas, stieß sie gepreßt die Worte vor, nicht in das Haus — ich setze meinen Fuß nicht mehr in das Haus —

Als meine Frau, Grita —

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

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Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/90>, abgerufen am 04.05.2024.