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Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mitternacht vor dem Hause an, in dem Grita bei ihrer Mutter wohnte, ging um dasselbe herum und klopfte an das Fenster der Kammer, in der, wie er wußte, das Mädchen schlief. Grita schreckte aus einem schweren Traum auf. Ich bin's, Grita, rief er hinein. Zieh dich an, nimm mit dir, was dir gehört, und komm heraus. Sie gehorchte, ohne weiter zu fragen.

Ansas ging vor der Thür auf und ab, bis sie sich bei ihm einfand. Sie hatte sich ausgerüstet wie zu einem weiten Gange über Land und trug ein Bündel in der Hand. Das Haus steht nicht mehr, sagte er, als sie neben ihn trat.

Ich weiß es, antwortete sie leise, es soll abgebrannt sein.

Es ist abgebrannt mit Allem, was darin war -- und Alles, was darin geschehen ist, ist weggebrannt vom Erdboden.

Sie seufzte schwer.

Aber die Erde ist rein, fuhr er fort, und sie gehört mir. Willst du mir folgen, Grita?

Sie lehnte sich auf seinen Arm und ließ den Kopf auf seine Schulter sinken. Willst du mir jetzt folgen, Grita? fragte er noch einmal. Ich habe kein Aufgebot beim Pfarrer bestellt, und eine lustige Hochzeit wird's nicht geben, Liebchen. Aber ich habe eine Wohnung, groß genug für uns Beide, und ich will auf Arbeit gehen, bis ich wieder ackern und säen

Mitternacht vor dem Hause an, in dem Grita bei ihrer Mutter wohnte, ging um dasselbe herum und klopfte an das Fenster der Kammer, in der, wie er wußte, das Mädchen schlief. Grita schreckte aus einem schweren Traum auf. Ich bin's, Grita, rief er hinein. Zieh dich an, nimm mit dir, was dir gehört, und komm heraus. Sie gehorchte, ohne weiter zu fragen.

Ansas ging vor der Thür auf und ab, bis sie sich bei ihm einfand. Sie hatte sich ausgerüstet wie zu einem weiten Gange über Land und trug ein Bündel in der Hand. Das Haus steht nicht mehr, sagte er, als sie neben ihn trat.

Ich weiß es, antwortete sie leise, es soll abgebrannt sein.

Es ist abgebrannt mit Allem, was darin war — und Alles, was darin geschehen ist, ist weggebrannt vom Erdboden.

Sie seufzte schwer.

Aber die Erde ist rein, fuhr er fort, und sie gehört mir. Willst du mir folgen, Grita?

Sie lehnte sich auf seinen Arm und ließ den Kopf auf seine Schulter sinken. Willst du mir jetzt folgen, Grita? fragte er noch einmal. Ich habe kein Aufgebot beim Pfarrer bestellt, und eine lustige Hochzeit wird's nicht geben, Liebchen. Aber ich habe eine Wohnung, groß genug für uns Beide, und ich will auf Arbeit gehen, bis ich wieder ackern und säen

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Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/96>, abgerufen am 04.05.2024.