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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
Aber der weiter sehende Philistus fand nicht für gut,
seinen Herrn in dieser leichtsinnigen Laune fortsprudeln
zu lassen. Er nahm das Wort wieder: Jhr scherzet,
sprach er, über die Würkungen der Beredsamkeit Pla-
tons; es ist nur allzugewiß, daß er in dieser Kunst
seines gleichen nicht hat; aber eben dieses würde mir
keine kleine Sorgen machen, wenn er weniger ein
rechtschafner Mann wäre, als ich glaube daß er ist.
Die Macht der Beredsamkeit übertrift alle andre Macht;
sie ist fähig fünfzigtausend Arme nach dem Gefallen ei-
nes einzigen wehrlosen Mannes in Bewegung zu sezen,
oder zu entnerven. Wenn Dion, wie es scheint, irgend
ein gefährliches Vorhaben brütete, und Mittel fände,
diesen überredenden Sophisten auf seine Seite zu brin-
gen, so besorg ich, Dionysius könnte das Vergnügen
seiner sinnreichen Unterhaltung theuer bezahlen müssen.
Man weiß was die Beredsamkeit zu Athen vermag, und
es fehlt den Syracusanern nichts als ein paar solche
Wortkünstler, die ihnen den Kopf mit Figuren und leb-
haften Bildern warm machen, so werden sie Athenien-
ser seyn wollen, und der Erste Beste, der sich an ihre
Spize stellt, wird aus ihnen machen können was er will.

Philistus sah, daß sein Herr bey diesen Worten auf
einmal tiefsinnig wurde; er schloß daraus, daß etwas
in seinem Gemüth arbeitete, und hielt also inn; was
für ein Thor ich war, rief Dionys aus, nachdem er
eine Weile mit gesenktem Kopf zu staunen geschienen hatte.
Das war wol der Genius meines guten Glüks, der mir

eingab,

Agathon.
Aber der weiter ſehende Philiſtus fand nicht fuͤr gut,
ſeinen Herrn in dieſer leichtſinnigen Laune fortſprudeln
zu laſſen. Er nahm das Wort wieder: Jhr ſcherzet,
ſprach er, uͤber die Wuͤrkungen der Beredſamkeit Pla-
tons; es iſt nur allzugewiß, daß er in dieſer Kunſt
ſeines gleichen nicht hat; aber eben dieſes wuͤrde mir
keine kleine Sorgen machen, wenn er weniger ein
rechtſchafner Mann waͤre, als ich glaube daß er iſt.
Die Macht der Beredſamkeit uͤbertrift alle andre Macht;
ſie iſt faͤhig fuͤnfzigtauſend Arme nach dem Gefallen ei-
nes einzigen wehrloſen Mannes in Bewegung zu ſezen,
oder zu entnerven. Wenn Dion, wie es ſcheint, irgend
ein gefaͤhrliches Vorhaben bruͤtete, und Mittel faͤnde,
dieſen uͤberredenden Sophiſten auf ſeine Seite zu brin-
gen, ſo beſorg ich, Dionyſius koͤnnte das Vergnuͤgen
ſeiner ſinnreichen Unterhaltung theuer bezahlen muͤſſen.
Man weiß was die Beredſamkeit zu Athen vermag, und
es fehlt den Syracuſanern nichts als ein paar ſolche
Wortkuͤnſtler, die ihnen den Kopf mit Figuren und leb-
haften Bildern warm machen, ſo werden ſie Athenien-
ſer ſeyn wollen, und der Erſte Beſte, der ſich an ihre
Spize ſtellt, wird aus ihnen machen koͤnnen was er will.

Philiſtus ſah, daß ſein Herr bey dieſen Worten auf
einmal tiefſinnig wurde; er ſchloß daraus, daß etwas
in ſeinem Gemuͤth arbeitete, und hielt alſo inn; was
fuͤr ein Thor ich war, rief Dionys aus, nachdem er
eine Weile mit geſenktem Kopf zu ſtaunen geſchienen hatte.
Das war wol der Genius meines guten Gluͤks, der mir

eingab,
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[128/0130] Agathon. Aber der weiter ſehende Philiſtus fand nicht fuͤr gut, ſeinen Herrn in dieſer leichtſinnigen Laune fortſprudeln zu laſſen. Er nahm das Wort wieder: Jhr ſcherzet, ſprach er, uͤber die Wuͤrkungen der Beredſamkeit Pla- tons; es iſt nur allzugewiß, daß er in dieſer Kunſt ſeines gleichen nicht hat; aber eben dieſes wuͤrde mir keine kleine Sorgen machen, wenn er weniger ein rechtſchafner Mann waͤre, als ich glaube daß er iſt. Die Macht der Beredſamkeit uͤbertrift alle andre Macht; ſie iſt faͤhig fuͤnfzigtauſend Arme nach dem Gefallen ei- nes einzigen wehrloſen Mannes in Bewegung zu ſezen, oder zu entnerven. Wenn Dion, wie es ſcheint, irgend ein gefaͤhrliches Vorhaben bruͤtete, und Mittel faͤnde, dieſen uͤberredenden Sophiſten auf ſeine Seite zu brin- gen, ſo beſorg ich, Dionyſius koͤnnte das Vergnuͤgen ſeiner ſinnreichen Unterhaltung theuer bezahlen muͤſſen. Man weiß was die Beredſamkeit zu Athen vermag, und es fehlt den Syracuſanern nichts als ein paar ſolche Wortkuͤnſtler, die ihnen den Kopf mit Figuren und leb- haften Bildern warm machen, ſo werden ſie Athenien- ſer ſeyn wollen, und der Erſte Beſte, der ſich an ihre Spize ſtellt, wird aus ihnen machen koͤnnen was er will. Philiſtus ſah, daß ſein Herr bey dieſen Worten auf einmal tiefſinnig wurde; er ſchloß daraus, daß etwas in ſeinem Gemuͤth arbeitete, und hielt alſo inn; was fuͤr ein Thor ich war, rief Dionys aus, nachdem er eine Weile mit geſenktem Kopf zu ſtaunen geſchienen hatte. Das war wol der Genius meines guten Gluͤks, der mir eingab,

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/130>, abgerufen am 06.05.2024.