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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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30.
Nichts halb zu thun ist edler geister art.
Ein reichgezäumtes roß steht vor der thür der Alten,
Und neben bey zween knaben, schön und zart,
In silberstück, die ihm die goldnen zügel halten.
Herr Hüon schwingt sich auf; die knaben frisch voran,
Und führen ihn, auf einem seitenwege,
An Eufrats ufern hin, durch blühende gehäge,
Bis sie der hohen Burg sich gegenüber sahn.
31.
Schon ist er durch den ersten hof gezogen,
Im zweyten steigt er ab, und geht zum dritten ein;
Er scheint ein hochzeitgast vom ersten rang zu seyn,
Und überall, von diesem schein betrogen,
Macht ihm die wache platz. Er schreitet frey und stolz
Daher, und nähert sich dem thor von ebenholz.
Zwölf Mohren, Riesen gleich, stehn mit gezüktem eisen
Die unberechtigten vom eingang abzuweisen.
32.
Allein des Ritters staat und königlicher blik
Drükt, wie er sich der hohen pforte zeiget,
Die säbelspitzen schnell zurük,
Die fernher sich entgegen ihm geneiget.
Die flügel rauschen auf. Hoch schlägt sein heldenherz,
Indem sie hinter ihm sich wieder wehend schließen.
Drauf führt ein säulengang, an welchen gärten stießen,
Ihn noch zu einer thür von übergüldtem erz.
33. Ein
30.
Nichts halb zu thun iſt edler geiſter art.
Ein reichgezaͤumtes roß ſteht vor der thuͤr der Alten,
Und neben bey zween knaben, ſchoͤn und zart,
In ſilberſtuͤck, die ihm die goldnen zuͤgel halten.
Herr Huͤon ſchwingt ſich auf; die knaben friſch voran,
Und fuͤhren ihn, auf einem ſeitenwege,
An Eufrats ufern hin, durch bluͤhende gehaͤge,
Bis ſie der hohen Burg ſich gegenuͤber ſahn.
31.
Schon iſt er durch den erſten hof gezogen,
Im zweyten ſteigt er ab, und geht zum dritten ein;
Er ſcheint ein hochzeitgaſt vom erſten rang zu ſeyn,
Und uͤberall, von dieſem ſchein betrogen,
Macht ihm die wache platz. Er ſchreitet frey und ſtolz
Daher, und naͤhert ſich dem thor von ebenholz.
Zwoͤlf Mohren, Rieſen gleich, ſtehn mit gezuͤktem eiſen
Die unberechtigten vom eingang abzuweiſen.
32.
Allein des Ritters ſtaat und koͤniglicher blik
Druͤkt, wie er ſich der hohen pforte zeiget,
Die ſaͤbelſpitzen ſchnell zuruͤk,
Die fernher ſich entgegen ihm geneiget.
Die fluͤgel rauſchen auf. Hoch ſchlaͤgt ſein heldenherz,
Indem ſie hinter ihm ſich wieder wehend ſchließen.
Drauf fuͤhrt ein ſaͤulengang, an welchen gaͤrten ſtießen,
Ihn noch zu einer thuͤr von uͤberguͤldtem erz.
33. Ein
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[0108] 30. Nichts halb zu thun iſt edler geiſter art. Ein reichgezaͤumtes roß ſteht vor der thuͤr der Alten, Und neben bey zween knaben, ſchoͤn und zart, In ſilberſtuͤck, die ihm die goldnen zuͤgel halten. Herr Huͤon ſchwingt ſich auf; die knaben friſch voran, Und fuͤhren ihn, auf einem ſeitenwege, An Eufrats ufern hin, durch bluͤhende gehaͤge, Bis ſie der hohen Burg ſich gegenuͤber ſahn. 31. Schon iſt er durch den erſten hof gezogen, Im zweyten ſteigt er ab, und geht zum dritten ein; Er ſcheint ein hochzeitgaſt vom erſten rang zu ſeyn, Und uͤberall, von dieſem ſchein betrogen, Macht ihm die wache platz. Er ſchreitet frey und ſtolz Daher, und naͤhert ſich dem thor von ebenholz. Zwoͤlf Mohren, Rieſen gleich, ſtehn mit gezuͤktem eiſen Die unberechtigten vom eingang abzuweiſen. 32. Allein des Ritters ſtaat und koͤniglicher blik Druͤkt, wie er ſich der hohen pforte zeiget, Die ſaͤbelſpitzen ſchnell zuruͤk, Die fernher ſich entgegen ihm geneiget. Die fluͤgel rauſchen auf. Hoch ſchlaͤgt ſein heldenherz, Indem ſie hinter ihm ſich wieder wehend ſchließen. Drauf fuͤhrt ein ſaͤulengang, an welchen gaͤrten ſtießen, Ihn noch zu einer thuͤr von uͤberguͤldtem erz. 33. Ein

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/108>, abgerufen am 08.05.2024.