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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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36.
Je länger sie auf ihr Betragen merkt,
Je mehr sie sich in ihrer hoffnung stärkt.
Sind Hüon und Amanda die getreuen
Probfesten seelen nicht, die Oberon begehrt,
So muß sie ihrer nur auf ewig sich verzeihen.
Von nun an sind sie ihr wie ihre augen wehrt,
Und sie beschließt, mit ihren kleinen Feen
Dem edeln jungen Weib unsichtbar beyzustehen.
37.
Die stunde kam. Von dumpfer bangigkeit
Umhergetrieben, irrt Amanda im gebüsche,
Das, um die hütten her, ein liebliches gemische
Von wohlgeruch zum morgenopfer streut.
Sie irret fort, so wie der schmale pfad sich windet,
Bis sie sich unvermerkt vor einer grotte findet,
Die ein geweb von epheu leicht umkränzt,
Auf dessen dunkelm schmelz die morgensonne glänzt.
38.
Alfonso hatte oft vordem hineinzugehen
Versucht, und allemal vergebens; eben dies
War seinem alten Freund, war Hüon selbst geschehen,
So oft er, um des wunders sich gewiß
Zu machen, es versucht. Sie hatten nichts gesehen;
Sie fühlten nur ein seltsam widerstehen,
Als schöbe sich ein unsichtbares thor,
Indem sie mit gewalt eindringen wollten, vor.
39. Schnell
36.
Je laͤnger ſie auf ihr Betragen merkt,
Je mehr ſie ſich in ihrer hoffnung ſtaͤrkt.
Sind Huͤon und Amanda die getreuen
Probfeſten ſeelen nicht, die Oberon begehrt,
So muß ſie ihrer nur auf ewig ſich verzeihen.
Von nun an ſind ſie ihr wie ihre augen wehrt,
Und ſie beſchließt, mit ihren kleinen Feen
Dem edeln jungen Weib unſichtbar beyzuſtehen.
37.
Die ſtunde kam. Von dumpfer bangigkeit
Umhergetrieben, irrt Amanda im gebuͤſche,
Das, um die huͤtten her, ein liebliches gemiſche
Von wohlgeruch zum morgenopfer ſtreut.
Sie irret fort, ſo wie der ſchmale pfad ſich windet,
Bis ſie ſich unvermerkt vor einer grotte findet,
Die ein geweb von epheu leicht umkraͤnzt,
Auf deſſen dunkelm ſchmelz die morgenſonne glaͤnzt.
38.
Alfonſo hatte oft vordem hineinzugehen
Verſucht, und allemal vergebens; eben dies
War ſeinem alten Freund, war Huͤon ſelbſt geſchehen,
So oft er, um des wunders ſich gewiß
Zu machen, es verſucht. Sie hatten nichts geſehen;
Sie fuͤhlten nur ein ſeltſam widerſtehen,
Als ſchoͤbe ſich ein unſichtbares thor,
Indem ſie mit gewalt eindringen wollten, vor.
39. Schnell
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[0220] 36. Je laͤnger ſie auf ihr Betragen merkt, Je mehr ſie ſich in ihrer hoffnung ſtaͤrkt. Sind Huͤon und Amanda die getreuen Probfeſten ſeelen nicht, die Oberon begehrt, So muß ſie ihrer nur auf ewig ſich verzeihen. Von nun an ſind ſie ihr wie ihre augen wehrt, Und ſie beſchließt, mit ihren kleinen Feen Dem edeln jungen Weib unſichtbar beyzuſtehen. 37. Die ſtunde kam. Von dumpfer bangigkeit Umhergetrieben, irrt Amanda im gebuͤſche, Das, um die huͤtten her, ein liebliches gemiſche Von wohlgeruch zum morgenopfer ſtreut. Sie irret fort, ſo wie der ſchmale pfad ſich windet, Bis ſie ſich unvermerkt vor einer grotte findet, Die ein geweb von epheu leicht umkraͤnzt, Auf deſſen dunkelm ſchmelz die morgenſonne glaͤnzt. 38. Alfonſo hatte oft vordem hineinzugehen Verſucht, und allemal vergebens; eben dies War ſeinem alten Freund, war Huͤon ſelbſt geſchehen, So oft er, um des wunders ſich gewiß Zu machen, es verſucht. Sie hatten nichts geſehen; Sie fuͤhlten nur ein ſeltſam widerſtehen, Als ſchoͤbe ſich ein unſichtbares thor, Indem ſie mit gewalt eindringen wollten, vor. 39. Schnell

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/220>, abgerufen am 03.05.2024.