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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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2.
Daß diese blumen -- die er bricht,
Und malerisch in kränz' und sträusse flicht,
Um in den Harem sie, wie üblich ist, zu schicken,
Vielleicht Amandens locken schmücken,
Ihr schönes leben vielleicht an ihrer lieblichen brust
Verduften -- der gedank erfüllt ihn mit entzücken;
Das schöne roth der sehnsucht und der lust
Färbt wieder seine wang' und stralt aus seinen blicken.
3.
Die heiße tageszeit vertritt das amt der nacht
In diesem land', und wird verschlummert und verträumet.
Allein, sobald der abendwind erwacht,
Fragt Hüon, den die Liebe munter macht,
Schon alle schatten an, wo seine Holde säumet.
Er weiß, die nacht wird hier mit wachen zugebracht;
Doch darf sich in den gärten und terrassen
Nach sonnenuntergang nichts männlichs sehen lassen.
4.
Die Damen pflegen dann, beym sanften rosenglanz
Der dämmerung (die hier sich niemals ganz
Verliert) bald paarweis, bald in rotten,
Die blühenden alleen zu durchtrotten.
Oft kürzt gesang und saitenspiel und tanz
Die schnelle nacht; drauf folgt in stillen grotten
Ein bad, zu dem Almansor selbst (so scharf
Gilt hier des wohlstands pflicht) sich niemals nähern darf.
5. Aman-
R 2
2.
Daß dieſe blumen — die er bricht,
Und maleriſch in kraͤnz' und ſtraͤuſſe flicht,
Um in den Harem ſie, wie uͤblich iſt, zu ſchicken,
Vielleicht Amandens locken ſchmuͤcken,
Ihr ſchoͤnes leben vielleicht an ihrer lieblichen bruſt
Verduften — der gedank erfuͤllt ihn mit entzuͤcken;
Das ſchoͤne roth der ſehnſucht und der luſt
Faͤrbt wieder ſeine wang' und ſtralt aus ſeinen blicken.
3.
Die heiße tageszeit vertritt das amt der nacht
In dieſem land', und wird verſchlummert und vertraͤumet.
Allein, ſobald der abendwind erwacht,
Fragt Huͤon, den die Liebe munter macht,
Schon alle ſchatten an, wo ſeine Holde ſaͤumet.
Er weiß, die nacht wird hier mit wachen zugebracht;
Doch darf ſich in den gaͤrten und terraſſen
Nach ſonnenuntergang nichts maͤnnlichs ſehen laſſen.
4.
Die Damen pflegen dann, beym ſanften roſenglanz
Der daͤmmerung (die hier ſich niemals ganz
Verliert) bald paarweis, bald in rotten,
Die bluͤhenden alleen zu durchtrotten.
Oft kuͤrzt geſang und ſaitenſpiel und tanz
Die ſchnelle nacht; drauf folgt in ſtillen grotten
Ein bad, zu dem Almanſor ſelbſt (ſo ſcharf
Gilt hier des wohlſtands pflicht) ſich niemals naͤhern darf.
5. Aman-
R 2
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[0265] 2. Daß dieſe blumen — die er bricht, Und maleriſch in kraͤnz' und ſtraͤuſſe flicht, Um in den Harem ſie, wie uͤblich iſt, zu ſchicken, Vielleicht Amandens locken ſchmuͤcken, Ihr ſchoͤnes leben vielleicht an ihrer lieblichen bruſt Verduften — der gedank erfuͤllt ihn mit entzuͤcken; Das ſchoͤne roth der ſehnſucht und der luſt Faͤrbt wieder ſeine wang' und ſtralt aus ſeinen blicken. 3. Die heiße tageszeit vertritt das amt der nacht In dieſem land', und wird verſchlummert und vertraͤumet. Allein, ſobald der abendwind erwacht, Fragt Huͤon, den die Liebe munter macht, Schon alle ſchatten an, wo ſeine Holde ſaͤumet. Er weiß, die nacht wird hier mit wachen zugebracht; Doch darf ſich in den gaͤrten und terraſſen Nach ſonnenuntergang nichts maͤnnlichs ſehen laſſen. 4. Die Damen pflegen dann, beym ſanften roſenglanz Der daͤmmerung (die hier ſich niemals ganz Verliert) bald paarweis, bald in rotten, Die bluͤhenden alleen zu durchtrotten. Oft kuͤrzt geſang und ſaitenſpiel und tanz Die ſchnelle nacht; drauf folgt in ſtillen grotten Ein bad, zu dem Almanſor ſelbſt (ſo ſcharf Gilt hier des wohlſtands pflicht) ſich niemals naͤhern darf. 5. Aman- R 2

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/265>, abgerufen am 05.05.2024.