Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.Abschluss. wird in den sagen auf die urzeit zurückgeführt, und Aischylos lässt Athenadie Areopagiten auswählen. es geht aber nicht an, daraus das recht der lectio senatus für den könig abzuleiten, denn einmal stand der dichter unter dem zwange der poetischen erfindung, und dann ist es ihm viel- mehr um die einsetzung des geschwornengerichtes überhaupt zu tun als um die stiftung der boule. der streit der götter um Athen ist in der Atthis auch in die form einer diadikasia geron vor dem könige ge- kleidet, und da erfolgt die entscheidung gar durch ein plebiscit des ganzen volkes. die frage spitzt sich nun so zu: ist die richterliche tätigkeit wirklich das prius, so dass der beirat des königs in den schwersten mordsachen allmählich die macht eines rates gewonnen hat, oder ist dem rate schliesslich nur diese richterliche function geblieben. schon die analogie der reform von 462 spricht für dies letztere. aber die sagen von Orestes und Halirrhothios gehen phonos dikaios an, die von Prokris phonos akousios. diese sachen, die doch in der sage vom Areopage ent- schieden werden, sind seit Drakon dem könige unter dem beirate von 51 adlichen richtern überantwortet und werden an andern heiligen stätten verhandelt. darin kann weder eine neuerung erst des Drakon erblickt werden, noch ist es irgend glaublich, dass das ausgehende siebente jahr- hundert erst die richtstätten des Delphinion und Palladion aufgebracht hätte. in diesen sagen kann somit der Areopag nicht den ort bezeichnen, wo gerichtet ward, sondern nur die richter. mit andern worten, die sagen bezeugen einen zustand, wo Areopagiten überhaupt die blutsachen neben dem könige entschieden, einerlei an welchem flecke. dass 51 epheten in den leichteren fällen für die Areopagiten eintreten, ist dem gegen- über eine neuerung, sei es dazu bestimmt, den Areopagitenrat zu ent- lasten, sei es (was wol jeder vorziehen wird) eine beschränkung seiner allgewalt. die einsetzung der thesmotheten und die aufzeichnung erst einzelner thesmia, dann aller thesmoi, dient demselben zwecke. wir er- reichen so eine zeit, wo der Areopag unter vorsitz des königs alle blut- sachen entschied, und diese zeit ist zugleich die, wo er unmöglich aus den gewesenen beamten bestehen konnte. das local des Areshügels ist wichtig nur als distinctivum für die mordsachen, weil sie je nach ihrer qualification an verschiedenen localen zur aburteilung kamen, und nur bei dieser gelegenheit und in diesem sinne ist eine erwähnung des Areopages in Solons gesetzen (axon 13, 8) nachgewiesen. wenn gleichwol der rat nach dem hügel heisst, und eine formel wie anabainein eis Areion pagon (z. b. Ar. 60, 3) für den eintritt in den rat besteht, so folgt daraus, dass sein amtslocal auf dem hügel des Ares in connex mit dem Abschluſs. wird in den sagen auf die urzeit zurückgeführt, und Aischylos läſst Athenadie Areopagiten auswählen. es geht aber nicht an, daraus das recht der lectio senatus für den könig abzuleiten, denn einmal stand der dichter unter dem zwange der poetischen erfindung, und dann ist es ihm viel- mehr um die einsetzung des geschwornengerichtes überhaupt zu tun als um die stiftung der βουλή. der streit der götter um Athen ist in der Atthis auch in die form einer διαδικασία γεϱῶν vor dem könige ge- kleidet, und da erfolgt die entscheidung gar durch ein plebiscit des ganzen volkes. die frage spitzt sich nun so zu: ist die richterliche tätigkeit wirklich das prius, so daſs der beirat des königs in den schwersten mordsachen allmählich die macht eines rates gewonnen hat, oder ist dem rate schlieſslich nur diese richterliche function geblieben. schon die analogie der reform von 462 spricht für dies letztere. aber die sagen von Orestes und Halirrhothios gehen φόνος δίκαιος an, die von Prokris φόνος ἀκούσιος. diese sachen, die doch in der sage vom Areopage ent- schieden werden, sind seit Drakon dem könige unter dem beirate von 51 adlichen richtern überantwortet und werden an andern heiligen stätten verhandelt. darin kann weder eine neuerung erst des Drakon erblickt werden, noch ist es irgend glaublich, daſs das ausgehende siebente jahr- hundert erst die richtstätten des Delphinion und Palladion aufgebracht hätte. in diesen sagen kann somit der Areopag nicht den ort bezeichnen, wo gerichtet ward, sondern nur die richter. mit andern worten, die sagen bezeugen einen zustand, wo Areopagiten überhaupt die blutsachen neben dem könige entschieden, einerlei an welchem flecke. daſs 51 epheten in den leichteren fällen für die Areopagiten eintreten, ist dem gegen- über eine neuerung, sei es dazu bestimmt, den Areopagitenrat zu ent- lasten, sei es (was wol jeder vorziehen wird) eine beschränkung seiner allgewalt. die einsetzung der thesmotheten und die aufzeichnung erst einzelner ϑέσμια, dann aller ϑεσμοί, dient demselben zwecke. wir er- reichen so eine zeit, wo der Areopag unter vorsitz des königs alle blut- sachen entschied, und diese zeit ist zugleich die, wo er unmöglich aus den gewesenen beamten bestehen konnte. das local des Areshügels ist wichtig nur als distinctivum für die mordsachen, weil sie je nach ihrer qualification an verschiedenen localen zur aburteilung kamen, und nur bei dieser gelegenheit und in diesem sinne ist eine erwähnung des Areopages in Solons gesetzen (axon 13, 8) nachgewiesen. wenn gleichwol der rat nach dem hügel heiſst, und eine formel wie ἀναβαίνειν εἰς Ἄϱειον πάγον (z. b. 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Abschluſs.
wird in den sagen auf die urzeit zurückgeführt, und Aischylos läſst Athena
die Areopagiten auswählen. es geht aber nicht an, daraus das recht der
lectio senatus für den könig abzuleiten, denn einmal stand der dichter
unter dem zwange der poetischen erfindung, und dann ist es ihm viel-
mehr um die einsetzung des geschwornengerichtes überhaupt zu tun als
um die stiftung der βουλή. der streit der götter um Athen ist in der
Atthis auch in die form einer διαδικασία γεϱῶν vor dem könige ge-
kleidet, und da erfolgt die entscheidung gar durch ein plebiscit des ganzen
volkes. die frage spitzt sich nun so zu: ist die richterliche tätigkeit
wirklich das prius, so daſs der beirat des königs in den schwersten
mordsachen allmählich die macht eines rates gewonnen hat, oder ist dem
rate schlieſslich nur diese richterliche function geblieben. schon die
analogie der reform von 462 spricht für dies letztere. aber die sagen
von Orestes und Halirrhothios gehen φόνος δίκαιος an, die von Prokris
φόνος ἀκούσιος. diese sachen, die doch in der sage vom Areopage ent-
schieden werden, sind seit Drakon dem könige unter dem beirate von 51
adlichen richtern überantwortet und werden an andern heiligen stätten
verhandelt. darin kann weder eine neuerung erst des Drakon erblickt
werden, noch ist es irgend glaublich, daſs das ausgehende siebente jahr-
hundert erst die richtstätten des Delphinion und Palladion aufgebracht hätte.
in diesen sagen kann somit der Areopag nicht den ort bezeichnen, wo
gerichtet ward, sondern nur die richter. mit andern worten, die sagen
bezeugen einen zustand, wo Areopagiten überhaupt die blutsachen neben
dem könige entschieden, einerlei an welchem flecke. daſs 51 epheten
in den leichteren fällen für die Areopagiten eintreten, ist dem gegen-
über eine neuerung, sei es dazu bestimmt, den Areopagitenrat zu ent-
lasten, sei es (was wol jeder vorziehen wird) eine beschränkung seiner
allgewalt. die einsetzung der thesmotheten und die aufzeichnung erst
einzelner ϑέσμια, dann aller ϑεσμοί, dient demselben zwecke. wir er-
reichen so eine zeit, wo der Areopag unter vorsitz des königs alle blut-
sachen entschied, und diese zeit ist zugleich die, wo er unmöglich aus
den gewesenen beamten bestehen konnte. das local des Areshügels ist
wichtig nur als distinctivum für die mordsachen, weil sie je nach ihrer
qualification an verschiedenen localen zur aburteilung kamen, und nur
bei dieser gelegenheit und in diesem sinne ist eine erwähnung des
Areopages in Solons gesetzen (axon 13, 8) nachgewiesen. wenn gleichwol
der rat nach dem hügel heiſst, und eine formel wie ἀναβαίνειν εἰς
Ἄϱειον πάγον (z. b. Ar. 60, 3) für den eintritt in den rat besteht, so folgt
daraus, daſs sein amtslocal auf dem hügel des Ares in connex mit dem
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