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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Den Nachmittag des folgenden Tages war sie ausgeritten, frisch und heiter wie ein Maitag sprang sie vom Pferde und fiel ihrem Vater, der eben aus dem Thor trat, durch die rasche Bewegung fast an die Brust.

Du siehst gut aus, sagte er, dein Mann wird sich freuen, wenn er dich so kräftig wiedersieht.

Sie schlug die Augen nieder; ein leichter Ausdruck von spöttischem Triumph glitt flüchtig über ihr Antlitz: Ich hoffe es, erwiderte sie leise und ging leichten Schrittes an ihm vorüber die Schloßtreppe hinauf.

Es sind Briefe da von deinem Manne, rief er ihr nach; sie liegen auf meinem Zimmer. Sie nickte lächelnd zu ihm nieder und beeilte ihren Schritt.

Er blickte ihr nach; so leuchtend, so ätherisch umflossen von Jugend, Glück und Glanz hatte er sie noch nie gesehen. Dich werde ich zertreten müssen, murmelte er.

Abends meldete sich unser alter Bekannter Thomas bei ihm an. Er ist angekommen, sagte er zu dem Gebieter, der zusammengebeugt in seinem Lehnstuhle saß. Zwei Stunden hat er gewartet, bis die Gräfin vorüber ritt. Sie sprachen nur ein paar Worte mit einander, denn es waren Leute in der Nähe. Er trug Bauernkleider, doch ich kannte ihn gut.

Der Graf blickte nicht auf. Es ist gut, sagte er, und winkte den Diener hinweg.

Beim Nachtmahl klagte der Graf über Schmerz in den Gliedern, die kühle Kirchenluft nach dem heißen Gange habe ihm geschadet, und den andern Tag kam er aus seinem Zimmer nicht heraus.

Soll ich um Otto schicken? frug Leonie, nachdem der Arzt fortgegangen war.

Nein, nein! versetzte er, wir wollen den armen Jungen nicht stören, und so lange du bei mir bist, brauche ich ihn auch nicht.

Den Nachmittag des folgenden Tages war sie ausgeritten, frisch und heiter wie ein Maitag sprang sie vom Pferde und fiel ihrem Vater, der eben aus dem Thor trat, durch die rasche Bewegung fast an die Brust.

Du siehst gut aus, sagte er, dein Mann wird sich freuen, wenn er dich so kräftig wiedersieht.

Sie schlug die Augen nieder; ein leichter Ausdruck von spöttischem Triumph glitt flüchtig über ihr Antlitz: Ich hoffe es, erwiderte sie leise und ging leichten Schrittes an ihm vorüber die Schloßtreppe hinauf.

Es sind Briefe da von deinem Manne, rief er ihr nach; sie liegen auf meinem Zimmer. Sie nickte lächelnd zu ihm nieder und beeilte ihren Schritt.

Er blickte ihr nach; so leuchtend, so ätherisch umflossen von Jugend, Glück und Glanz hatte er sie noch nie gesehen. Dich werde ich zertreten müssen, murmelte er.

Abends meldete sich unser alter Bekannter Thomas bei ihm an. Er ist angekommen, sagte er zu dem Gebieter, der zusammengebeugt in seinem Lehnstuhle saß. Zwei Stunden hat er gewartet, bis die Gräfin vorüber ritt. Sie sprachen nur ein paar Worte mit einander, denn es waren Leute in der Nähe. Er trug Bauernkleider, doch ich kannte ihn gut.

Der Graf blickte nicht auf. Es ist gut, sagte er, und winkte den Diener hinweg.

Beim Nachtmahl klagte der Graf über Schmerz in den Gliedern, die kühle Kirchenluft nach dem heißen Gange habe ihm geschadet, und den andern Tag kam er aus seinem Zimmer nicht heraus.

Soll ich um Otto schicken? frug Leonie, nachdem der Arzt fortgegangen war.

Nein, nein! versetzte er, wir wollen den armen Jungen nicht stören, und so lange du bei mir bist, brauche ich ihn auch nicht.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/190>, abgerufen am 28.04.2024.