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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ihr Vater sah mich verblüfft an; er hatte mich schon öfter vor einer bloßen Klinge gesehen, denn Duelle waren damals ein täglicher Zeitvertreib, und ich pflegte sonst nicht mit meinem Blute sparsam zu sein.

Ich nahm ihn ruhig unter den Arm und schlenderte mit ihm in den Garten hinaus.

Es wäre mir unangenehm, wenn die Leute eine Ahnung hätten von dem, was hier vorgefallen ist, sagte ich. Man muß die Öffentlichkeit in solchen Sachenvermeiden. Ich trage nur mein ehemännisches Geschick, wie es schon so viele Andere gethan. Aber ich will keinen Scandal, und was die Zukunft Ihrer Beziehungen zu meiner Frau anbelangt -- nun, ich werde dafür sorgen, daß sie zu Ende seien.

Ihr Vater war noch immer wortlos. Von Zeit zu Zeit sah er mich scheu von der Seite an. Es war, als erkenne er mich nicht mehr. Eben meine Ruhe war ihm, glaube ich, das Schrecklichste. Wir gingen noch einige Male im Garten auf und ab.

Wie wäre es, wenn wir zusammen ausritten? sagte ich; draußen ließe sich das Übrige doch besser abmachen als hier.

Er sah mich mit wahrem Entsetzen an. Sie fürchten sich doch nicht? spottete ich.

Das war der Stachel, dem er nicht widerstand. Wir stiegen zu Pferde und ritten davon. Eine wilde Lustigkeit erfüllte mich. Ihr Vater war still und bleich und sah sich von Zeit zu Zeit auf dem Wege um, wohl um einen Bekannten zu entdecken, der ihn erlösen sollte von dem Alleinsein mit mir. Jedesmal lachte ich auf. Er biß sich in die Lippen und ritt dann ruhig weiter neben mir. Vor dem Stadtthor hielt er an.

Fürchten Sie sich? frug ich wiederum.

Nein, sagte er, aber wozu sollen wir weiter?

Ich weiß nicht, wie ich ihn anblickte, aber er senkte den Kopf und folgte mir wie willenlos.

In einem kleinen Gehölze war es -- die Land-

Ihr Vater sah mich verblüfft an; er hatte mich schon öfter vor einer bloßen Klinge gesehen, denn Duelle waren damals ein täglicher Zeitvertreib, und ich pflegte sonst nicht mit meinem Blute sparsam zu sein.

Ich nahm ihn ruhig unter den Arm und schlenderte mit ihm in den Garten hinaus.

Es wäre mir unangenehm, wenn die Leute eine Ahnung hätten von dem, was hier vorgefallen ist, sagte ich. Man muß die Öffentlichkeit in solchen Sachenvermeiden. Ich trage nur mein ehemännisches Geschick, wie es schon so viele Andere gethan. Aber ich will keinen Scandal, und was die Zukunft Ihrer Beziehungen zu meiner Frau anbelangt — nun, ich werde dafür sorgen, daß sie zu Ende seien.

Ihr Vater war noch immer wortlos. Von Zeit zu Zeit sah er mich scheu von der Seite an. Es war, als erkenne er mich nicht mehr. Eben meine Ruhe war ihm, glaube ich, das Schrecklichste. Wir gingen noch einige Male im Garten auf und ab.

Wie wäre es, wenn wir zusammen ausritten? sagte ich; draußen ließe sich das Übrige doch besser abmachen als hier.

Er sah mich mit wahrem Entsetzen an. Sie fürchten sich doch nicht? spottete ich.

Das war der Stachel, dem er nicht widerstand. Wir stiegen zu Pferde und ritten davon. Eine wilde Lustigkeit erfüllte mich. Ihr Vater war still und bleich und sah sich von Zeit zu Zeit auf dem Wege um, wohl um einen Bekannten zu entdecken, der ihn erlösen sollte von dem Alleinsein mit mir. Jedesmal lachte ich auf. Er biß sich in die Lippen und ritt dann ruhig weiter neben mir. Vor dem Stadtthor hielt er an.

Fürchten Sie sich? frug ich wiederum.

Nein, sagte er, aber wozu sollen wir weiter?

Ich weiß nicht, wie ich ihn anblickte, aber er senkte den Kopf und folgte mir wie willenlos.

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[0201] Ihr Vater sah mich verblüfft an; er hatte mich schon öfter vor einer bloßen Klinge gesehen, denn Duelle waren damals ein täglicher Zeitvertreib, und ich pflegte sonst nicht mit meinem Blute sparsam zu sein. Ich nahm ihn ruhig unter den Arm und schlenderte mit ihm in den Garten hinaus. Es wäre mir unangenehm, wenn die Leute eine Ahnung hätten von dem, was hier vorgefallen ist, sagte ich. Man muß die Öffentlichkeit in solchen Sachenvermeiden. Ich trage nur mein ehemännisches Geschick, wie es schon so viele Andere gethan. Aber ich will keinen Scandal, und was die Zukunft Ihrer Beziehungen zu meiner Frau anbelangt — nun, ich werde dafür sorgen, daß sie zu Ende seien. Ihr Vater war noch immer wortlos. Von Zeit zu Zeit sah er mich scheu von der Seite an. Es war, als erkenne er mich nicht mehr. Eben meine Ruhe war ihm, glaube ich, das Schrecklichste. Wir gingen noch einige Male im Garten auf und ab. Wie wäre es, wenn wir zusammen ausritten? sagte ich; draußen ließe sich das Übrige doch besser abmachen als hier. Er sah mich mit wahrem Entsetzen an. Sie fürchten sich doch nicht? spottete ich. Das war der Stachel, dem er nicht widerstand. Wir stiegen zu Pferde und ritten davon. Eine wilde Lustigkeit erfüllte mich. Ihr Vater war still und bleich und sah sich von Zeit zu Zeit auf dem Wege um, wohl um einen Bekannten zu entdecken, der ihn erlösen sollte von dem Alleinsein mit mir. Jedesmal lachte ich auf. Er biß sich in die Lippen und ritt dann ruhig weiter neben mir. Vor dem Stadtthor hielt er an. Fürchten Sie sich? frug ich wiederum. Nein, sagte er, aber wozu sollen wir weiter? Ich weiß nicht, wie ich ihn anblickte, aber er senkte den Kopf und folgte mir wie willenlos. In einem kleinen Gehölze war es — die Land-

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/201>, abgerufen am 06.05.2024.